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Ein Mann und eine Frau stehen an einem Tisch und unterhalten sich lachend

14.08.2025 | Lesezeit: 5 Minuten

Innovation im Mittelstand: Mehr Spieltrieb für echte Fortschritte

Beim Thema Innovation denken viele an große Städte und Hightech-Zentren. Doch wahres Innovationspotenzial zeigt sich oft dort, wo Mut zur Digitalisierung, Fehlerkultur und Experimentierfreude gelebt werden. Prof. Dr. Bastian Halecker erklärt, wie gerade kleine Schritte den Mittelstand voranbringen können.

Firmenkunden - Innovation - Interview

 

Das Wichtigste in Kürze

  • Innovationspotenzial im Mittelstand: Auch kleinere und mittelständische Unternehmen bieten vielfältige Chancen für Innovationen, die manchmal unterschätzt werden.
  • Fokus auf Probleme statt Technologien: Relevante Probleme sind die Basis erfolgreicher Innovationen, nicht die neuesten Technologien.
  • Sandkasten-Ansatz als Erfolgsrezept: Kleine, risikofreie Projekte mit Studierenden und spielerischem Testen fördern digitale Kompetenz und Fehlerkultur.

Herr Prof. Halecker, wenn wir auf das Innovationspotenzial im deutschen Mittelstand blicken, schauen viele zuerst in die Großstädte. Sie sagen aber: Auch auf dem Land tut sich viel.

„Ich finde, wir schauen oft viel zu sehr in Richtung Großkonzerne und Großstädte. Aber direkt vor unserer Haustür liegt oftmals sehr viel Potenzial – zum Beispiel in Brandenburg. Nehmen wir etwa Orafol, einen echten Hidden Champion im Bereich Klebelösungen für die Industrie, oder das Unternehmen HUCH, das in Neuruppin hochspezialisierte Container für Öl und Chemikalien herstellt. Das sind Mittelständler mit Weltmarktbezug. Viele kennen sie nicht, aber sie schaffen Innovationen, Arbeitsplätze und Zukunft – direkt im ländlichen Raum.“

Trotzdem tun sich viele mittelständische Unternehmen schwer damit, echte Innovation voranzutreiben. Woran liegt das Ihrer Erfahrung nach?

„Ein häufiger Fehler ist, dass Unternehmen sich zu sehr in Technologien verlieben und zu wenig in echte Probleme. Ich sage oft provokant: Es gibt zu viele Lösungen für zu wenig Probleme. Was ich damit meine, ist, dass wir in Deutschland dazu neigen, Lösungen zu schaffen, wo sie gar nicht notwendig sind. Gerade Start-ups scheitern nicht, weil sie keine Lösung hätten, sondern weil das Problem nicht groß oder relevant genug ist. Wer innovativ sein will, muss sich zuerst fragen: Für welches Problem soll meine Lösung eigentlich gut sein? Probleme sind die neuen Assets.“

Gibt es Technologien oder Trends, bei denen Sie sagen: Damit können Mittelständler auch mit begrenzten Mitteln direkt starten?

„Ein Beispiel, das ich immer wieder gerne heraushole, ist die Kombination aus Excel und KI. Es gibt mittlerweile Tools wie ChatGPT-Add-ins für Excel – allein damit könnte man in vielen Unternehmen sicherlich den Excel-Dschungel an der einen oder anderen Stelle etwas klarer gestalten und Prozesse automatisieren, die bislang manuell gelaufen sind. Auch Microsoft bietet mit Copilot Automatisierungsmöglichkeiten. Wer ohnehin mit diesen Tools arbeitet, hat einen super Einstiegspunkt, ohne große neue Systeme einzuführen. Wichtig ist: nicht gleich alles umkrempeln, sondern mit einem kleinen Projekt in einer Art Sandkasten-Logik starten."

Die neue Folge der Goldelse ist da!

Mehr über KI im Sandkasten, Chancen für den Mittelstand zwischen Berlin und Brandenburg und warum wir statt neuer Förderprogramme mehr Neugier, Tempo und Fehlerkultur brauchen. Prof. Dr. Bastian Halecker teilt seine Impulse in der aktuellen Podcastfolge unserer Goldelse.

Sie arbeiten oft mit Hochschulen und bringen Studierende in Unternehmen. Wie gelingt hier ein echter Mehrwert für beide Seiten? 

„Ich empfehle genau dafür die Sandkasten-Logik: ein kleines, abgestecktes Projektfeld, in dem man Dinge ausprobieren kann – mit externen Talenten, etwa Studierenden. Ich bringe regelmäßig Studierende mit Unternehmen zusammen. Die bringen frische Perspektiven, digitale Kompetenzen und Spielfreude mit. Wichtig ist, dass solche Projekte pragmatisch organisiert sind, losgelöst vom Hochschulbürokratismus. Denn leider sind Hochschulen oft viel zu sehr von der Praxis entkoppelt und umgekehrt ist die Praxis zu wenig offen dafür.“

Den Gedanken finde ich sehr spannend, vor allem mit Blick auf den Dauerbrenner Fachkräftemangel. Wie können Unternehmen hier intern gegensteuern – jenseits von Recruiting?

„Das beginnt bei der digitalen Befähigung der eigenen Mitarbeitenden. Ich sage immer: Die Basics müssen sitzen. Wer heute als Handwerker, Friseur oder Physiotherapeut digital einigermaßen fit ist, hat großartige Chancen. Viele Jobs mit Hand und Kopf brauchen heute digitale Ergänzung. Und junge Talente wollen auch nicht nur ausgebildet, sondern gefordert und einbezogen werden – etwa durch konkrete Innovationsprojekte im Unternehmen. Da entsteht eine ganz andere Bindung.“

Digitale Technologien entwickeln sich rasant. Wie können Unternehmen sinnvoll entscheiden, welche Technologien wirklich relevant für sie sind – ohne jedem Hype hinterherlaufen?

„Der Schlüssel ist Fokus. Nicht jeder muss gleich mit humanoiden Robotern starten. Oft reicht es, bestehende Tools intelligenter zu nutzen. Aber genauso wichtig ist eine Kultur des Ausprobierens: Machen Sie einen Sandkasten auf. Nehmen Sie einen Datensatz, den man risikofrei bearbeiten kann. Holen Sie ein paar junge, technologieaffine Leute dazu – und probieren Sie etwas aus. Das schafft Verständnis, erzeugt Energie und baut Angst ab. Digitalisierung ist kein Ziel, sondern ein Werkzeug.“

Wenn man Ihnen zuhört, klingt Innovation auch ein Stück weit nach Spielen. Brauchen Unternehmen wieder mehr Mut, spielerisch zu sein?

„Unbedingt. Genau dieses spielerische Testen von Ideen ist entscheidend. Viele Innovationen entstehen nicht auf PowerPoint-Folien, sondern durch Neugier und den Mut, diese Neugier zu befriedigen. Wir brauchen mehr Spielräume in Unternehmen und mehr Menschen, die Lust haben, den Sandkasten zu betreten.“ Digitale Technologien sind ein Werkzeug die für jeden zugänglich geworden sind.


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Prof. Dr. Bastian Halecker

Ihr Experte

Prof. Dr. Bastian Halecker

Prof. Dr. Bastian Halecker lehrt seit 2022 Deep Tech Entrepreneurship an der XU Exponential University Potsdam. Seit 2025 ist er Vertretungsprofessor für Innovationsmanagement an der Universität Potsdam. Zuvor war er 2020/21 Professor für Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Universität Potsdam. Er hat Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Produktion, Logistik und Unternehmensführung studiert und zu Geschäftsmodellinnovation promoviert. Halecker ist Mitbegründer des German Deep Tech Institute und Berater sowie Speaker in Deep-Tech-Projekten.

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Maximilian Klein

Seine berufliche Reise startete Maximilian Klein mit einer Ausbildung in Marketing und Kommunikation, gefolgt von einem Journalismusstudium. Sein Weg führte ihn zu Tätigkeiten bei renommierten Radiosendern wie Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk sowie zu Stationen im Ausland, darunter Südafrika, USA, Israel und die Schweiz. Jetzt engagiert er sich bei der Berliner Volksbank im Corporate Publishing und erforscht dabei u. a. das Potenzial generativer KI für innovative Kommunikationsstrategien.

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