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 Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, und Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstone auf einer Terrasse mit Blick auf Berlin
© Marcel Schwickerath

11.11.2025 | Lesezeit: 9 Minuten

"In Berlin finden wir für Startup-Teams die richtigen Leute"

An den Universitäten fehlt oft die Gründerkultur

Was macht Berlin als Standort für Startups so attraktiv? Welche Potenziale werden trotzdem vernachlässigt? Welche Geschäftsfelder zeigen am meisten Potenzial? Und warum investiert die Berliner Volksbank in Zukunftstechnologien? Um darüber zu sprechen, treffen sich Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, und Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstonw, “auf ein Glas”.

Firmenkunden - Gründung - Interview 

Das Wichtigste in Kürze

  • Magnet für Startups: Berlin zieht weltweit Gründer*innen an. Allerdings wird das Potenzial der Hochschulen derzeit zu wenig genutzt.
  • Kooperation mit Redstone: Die Berliner Volksbank investiert seit fast zehn Jahren gemeinsam mit dem VC-Investor Redstone in Zukunftstechnologien wie FinTech oder PropTech.
  • Neue Geschäftsfelder: Die derzeit vielversprechendsten Zukunftsfelder für Startups sind DefenseTech (Verteidigungstechnologien) und DeepTech mit etwa Quantencomputing.

Ein Vormittag im China Club Berlin. Die Wasabi-Garnelen hier gelten als legendär – heute bleiben sie allerdings in der Küche. Auf dem Tisch stehen zwei frisch gemixte Mocktails: Carsten Jung und Samuli Sirén treffen sich »auf ein Glas«. Sie kennen sich aus unzähligen Pitches, Term Sheets und Gesprächen, der Vorstandsvorsitzende der Berliner Volksbank und der CEO von Redstone – einem international agierenden Venture-Capital-Investor mit Sitz in Berlin, der auf datengetriebene Startup-Finanzierung spezialisiert ist. Seit bald zehn Jahren investieren beide Häuser gemeinsam in Startups.

Du bist viel unterwegs, Samuli, triffst Gründerinnen und Gründer auf der ganzen Welt und trotzdem bist du regelmäßig in Berlin. Was macht den Standort für dich besonders?

Berlin zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Gründer kommen hierher, genauso wie Fachkräfte, die in Startups arbeiten wollen. Manche schätzen die kulturelle Vielfalt, andere die kreative Szene oder die Lebensqualität. Es gibt diese spezielle Mischung aus Freiheit, Offenheit und der Möglichkeit, Dinge auszuprobieren. Für uns als Investor ist das ein Vorteil: Wenn wir für ein Startup ein Team aufbauen, finden wir hier oft die richtigen Leute.

Diese Anziehungskraft bringt sicher auch Herausforderungen mit sich. Trifft man in Berlin eher auf Gründer mit echtem Antrieb oder auf solche, die eher den Titel als die Aufgabe suchen?

Beides. Die einen brennen für ihr Thema, für die anderen gehört Gründen zum Lifestyle. Letztere wollen vor allem das Label “Gründer” tragen, ohne eine wirkliche Passion zu haben. Das zeigt sich erst, wenn es schwierig wird. Die echten Gründer drehen den Stein noch einmal um – und dann noch einmal. Aufgeben ist für sie keine Option.

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Eine gute Idee zu entwickeln, ist das eine, ein Unternehmen dauerhaft zu führen etwas ganz anderes. Wenn du die letzten Jahre betrachtest, wie hat sich die Gründungskultur verändert?

Sie ist vielfältiger geworden. Es gibt Gründer, die sehr schnell skalieren, um möglichst bald einen Exit zu machen. Und es gibt andere, die ein Unternehmen langfristig aufbauen wollen. Für mich persönlich steht nicht das schnelle Geld im Vordergrund, sondern das Aufbauen und Weiterentwickeln eines Unternehmens. 

Vor knapp zehn Jahren haben wir als Berliner Volksbank entschieden, aktiv in Technologie zu investieren. Warum tun sich viele Banken damit so schwer?

Banken haben ein starkes Kerngeschäft, das viel Aufmerksamkeit und Ressourcen bindet. Da fällt es schwer, neue Themenfelder zu erschließen. Oft gibt es auch die Sorge, dass Engagements in Startups mehr Risiken als Chancen bringen könnten. Bei euch war das anders. Ihr habt euch bewusst auf Themen eingelassen, die viele Banken meiden.

Bei unserer Learning Journey damals haben wir zwei Tage lang Berliner Startups besucht, Geschäftsmodelle diskutiert und gemerkt, wie stark sich unser eigenes Geschäft verändern könnte. Das war der Startpunkt für eine Lernkurve, die bis heute anhält. Was mir allerdings auffällt: Wir haben in Berlin eine enorme wissenschaftliche Basis, nutzen sie aber wenig für Gründungen. Siehst du das auch so?

Absolut. Wir haben kürzlich unsere zweite große Studie zu Hochschulausgründungen in Europa veröffentlicht. Deutschland und auch Berlin liegen im internationalen Vergleich zurück. Das Know-how ist da, die Forschung ist stark. Aber an den Universitäten fehlt oft eine Gründerkultur. Studierende lernen nicht, wie man gründet, wie man ein Geschäftsmodell entwickelt, welche Schritte folgen. Und wenn doch gegründet wird, fehlt danach häufig die Finanzierung.

 Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, und Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstone im Gespräch
Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank und Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstone im Gespräch

Unsere Zusammenarbeit lebt auch davon, dass wir uns fokussieren. Wir können nicht alles machen.

Das ist richtig. Wir haben gemeinsam Themenfelder definiert, die für Banken besonders relevant sind, wie FinTech oder PropTech. Wir investieren mit dem Ziel, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, aber auch, um mögliche Produkte und Kooperationen zu entwickeln. Gründer schätzen es, wenn sie direkten Zugang zu euch und eurem Netzwerk bekommen.

Wir trennen bewusst Investment und Zusammenarbeit. Es kann sein, dass wir eine Beteiligung verkaufen, die Kooperation mit dem Unternehmen aber fortsetzen. Umgekehrt kann die Zusammenarbeit enden, während die Beteiligung bleibt. Das gibt uns Flexibilität und verhindert, dass wir von einer Entscheidung alles abhängig machen.

Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. So kann man klar zwischen wirtschaftlicher Rendite und strategischem Nutzen unterscheiden. Das senkt Risiken und erhält Optionen.

Bei Investments spielt neben Zahlen auch das Bauchgefühl eine Rolle. Wie gehst du damit um?

Wir bauen Portfolios so auf, dass frühe Misserfolge verkraftbar sind. Manche Firmen starten unscheinbar und gehen dann durch die Decke. Andere sehen am Anfang vielversprechend aus und verschwinden schnell wieder. Das kann man nicht immer vorhersagen. Wichtig ist, breit zu investieren, regelmäßig den Austausch zu suchen und Entwicklungen genau zu verfolgen.

Ich finde spannend, welche Ideenvielfalt ihr seht.

Wir schauen uns jedes Jahr 12.000 bis 15.000 Unternehmen an. Das Spektrum reicht von alltäglichen Services bis zu hochkomplexen Forschungsansätzen. Es gibt viele Ideen, die ganze Branchen verändern können – wenn sie das passende Umfeld finden.

Welche Themen siehst du aktuell als besonders prägend?

Zwei stechen heraus. DefenseTech, also Technologien für Verteidigung und Sicherheit, hat in den letzten zweieinhalb Jahren einen massiven Wandel erlebt. Früher war das in Europa fast ein Tabu, heute wird es offen diskutiert und gefördert. Und DeepTech, grundlegende Technologien wie Quantencomputing oder neue Materialien, gewinnt an Bedeutung – oft mit einem hohen wissenschaftlichen Anteil, den viele gar nicht im Detail verstehen. In beiden Bereichen sehe ich in Europa und speziell in Berlin große Chancen, wenn wir mutiger werden und schneller handeln.

Wir sind schon fast am Ende, Samuli, aber eins noch: Wenn wir uns in zehn Jahren wieder hier treffen, mit Mocktail und Wasabi-Garnelen – was wünschst du dir, was wir dann sagen können?

Dass wir nicht nur spannende Unternehmen aufgebaut, sondern auch das Ökosystem gestärkt haben. Dass Berlin nicht nur ein Magnet ist, sondern ein Motor. 


Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstone im Gespräch
Samuli Sirén, CEO des VC-Investors Redstone

Ihr Experte

Samuli Sirén

Samuli Sirén gründete 2013 mit Michael Brehm das Berliner Venture-Capital-Unternehmen Redstone. Das Ziel: Startup-Investments mit dem Wissen großer Unternehmen verknüpfen. Heute verwaltet Redstone rund 600 Millionen Euro in zehn Fonds, mit Schwerpunkten auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung, FinTech und Klimaschutz. Der gebürtige Finne versteht sich als Brückenbauer zwischen Unternehmen und Gründern. 

Profilbild Maximilian Klein

Ihr Autor

Maximilian Klein

Seine berufliche Reise startete Maximilian Klein mit einer Ausbildung in Marketing und Kommunikation, gefolgt von einem Journalismusstudium. Sein Weg führte ihn zu Tätigkeiten bei renommierten Radiosendern wie Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk sowie zu Stationen im Ausland, darunter Südafrika, USA, Israel und die Schweiz. Jetzt engagiert er sich bei der Berliner Volksbank im Corporate Publishing und erforscht dabei u. a. das Potenzial generativer KI für innovative Kommunikationsstrategien.

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