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Eine Frau referiert vor einem größeren Publikum

16.07.2025 | Lesezeit: 8 Minuten

Wechseljahre im Job: Zeit, das Tabu zu brechen - und Chancen zu nutzen

Die Wechseljahre sind ein ganz natürlicher Lebensabschnitt im Leben vieler Frauen – und dennoch am Arbeitsplatz noch immer ein blinder Fleck. Dabei sind die Auswirkungen längst in der Mitte der Arbeitswelt angekommen. Für Unternehmen ergeben sich daraus nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen: Wer hier vorausschauend handelt und informiert, stärkt Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Bindung – und positioniert sich gleichzeitig als moderner Arbeitgeber.

Firmenkunden - Unternehmensführung - Artikel

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein unterschätzter Faktor in der Arbeitswelt: Millionen Frauen stehen Mitten im Berufsleben, wenn die Wechseljahre beginnen. Sie sind also wichtige Wissens- und Erfahrungsträgerinnen, erfahren in dieser Phase aber oft nicht die passende Unterstützung am Arbeitsplatz.
  • Wirtschaftlich relevant und gesellschaftlich wichtig: Fehlzeiten, reduzierte Arbeitszeit oder vorzeitiger Ruhestand verursachen jährlich hohe volkswirtschaftliche Kosten. Unternehmen, die hier aktiv werden, sichern Know-how, reduzieren Ausfälle und binden ihre Mitarbeiterinnen.
  • Chancen für moderne Arbeitgeber: Wer die Wechseljahre enttabuisiert, Führungskräfte sensibilisiert und flexible Arbeitsbedingungen schafft, zeigt Fürsorge, fördert Gesundheit – und positioniert sich als attraktiver, zukunftsorientierter Arbeitgeber.

Warum die Wechseljahre auch den Arbeitsalltag betreffen

Viele Frauen zwischen 40 und 55 Jahren sind mitten im Berufsleben - genau in dem Alter, in dem die hormonelle Umstellung beginnt. „Für viele Frauen gleicht die Zeit vor der eigentlichen Menopause einer hormonellen Berg- und Talfahrt“, erklärt Prof. Dr. Andrea Rumler im Goldelse-Podcast der Berliner Volksbank. Sie ist Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und Leiterin des Forschungsprojekts MenoSupport.

Zu den häufigsten Beschwerden gehören neben den bekannten Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen auch Schlafprobleme, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Erschöpfung. In einer aktuellen Forsa-Umfrage gaben 93 Prozent der befragten Frauen an, unter mindestens einem dieser Symptome zu leiden Oft, ohne die Wechseljahre als Ursache zu erkennen. Auch Ärzt*innen ordnen Beschwerden nicht immer richtig ein. „Viele Frauen haben in den Jahren vor der Menopause starke oder unregelmäßige Blutungen“, sagt Rumler. „Jetzt stellen wir uns eine Polizistin oder eine Busfahrerin vor, die im Einsatz ist und die eigentlich jede Stunde aufs Klo müsste, um vielleicht einen Tampon zu wechseln oder aufs Klo zu gehen, das aber nicht kann.“ Der Alltag der Arbeitnehmerinnen wird also stark beeinflusst, ohne dass sie genau wissen, warum – und sie sehen sich gezwungen, kürzer zu treten.

Warum Unternehmen jetzt handeln sollten

Laut einer Studie der HWR Berlin hat sich fast jede dritte Frau wegen Wechseljahresbeschwerden bereits krankschreiben lassen. Knapp ein Viertel musste die Arbeitsstunden reduzieren, jede zehnte ist deswegen vorzeitig in Rente gegangen. Für die deutsche Wirtschaft entsteht dadurch ein Schaden in Milliardenhöhe – von persönlichem Leid ganz zu schweigen.

Diese Herausforderungen entstehen am Arbeitsplatz

  1. Leistungsfähigkeit: Schlafmangel und Erschöpfung können die Konzentration und Belastbarkeit beeinträchtigen. Fehler nehmen zu, die Qualität leidet. 
  2. Fehlzeiten: Wiederkehrende Beschwerden führen nicht selten zu mehr Krankmeldungen - was die Zusammenarbeit im Team erschwert.
  3. Tabuisierung: Viele Frauen sprechen aus Scham oder Angst vor Benachteiligung nicht über ihre Beschwerden, selbst wenn sie die Ursachen kennen. Führungskräfte wissen oft nicht, wie sie angemessen reagieren sollen.
  4. Wissen geht verloren: Wenn erfahrene Mitarbeiterinnen sich zurückziehen oder kündigen, fehlen Know-how, Netzwerke und Stabilität – ein echtes Risiko angesichts des Fachkräftemangels.

Mehr zum Wirtschaftsfaktor Wechseljahre: Jetzt im Podcast

Was sollten Vorgesetzte wissen? Wie können Unternehmen handeln? In unserem Podcast Goldelse - Geldgeschichten aus der Hauptstadt vertiefen wir das Tabu-Thema: im Gespräch mit Prof. Rumler. Hören Sie direkt rein!

Was Unternehmen konkret tun können

1. Führung sensibilisieren

Führungskräfte sollten mit den Grundlagen der Wechseljahre vertraut sein – nicht medizinisch im Detail, aber in Bezug auf typische Beschwerden und deren Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. „Die Mehrzahl der Führungskräfte hat in einer Umfrage angegeben, dass sie die Wechseljahre als Privatsache ansehen“, sagt Rumler. „Das stimmt aber nicht, weil es ja auf die Arbeitsfähigkeit geht, genauso wie Rückenschmerzen.“ Ähnlich offen sollen die Wechseljahre thematisiert werden. Schulungen und interne Leitfäden können hier helfen, Unsicherheiten abzubauen und Handlungskompetenz zu stärken.

2. Flexible Arbeitsgestaltung ermöglichen

Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder Gleitzeit machen einen echten Unterschied – etwa für Frauen mit nächtlichen Schlafproblemen. Ein späterer Start in den Tag kann bereits spürbar entlasten.

3. Arbeitsumfeld anpassen

Frische Luft, eine angenehme Raumtemperatur oder Rückzugsorte für kurze Pausen: Kleine Anpassungen können viel bewirken. Auch ergonomische Ausstattung hilft, körperliche Belastungen zu reduzieren.

4. Unterstützung niederschwellig anbieten

Ein vertrauliches Gespräch mit der Führungskraft oder ein Angebot über externe Beratung schafft Raum für individuelle Lösungen – ohne Druck, ohne Pathologisierung, aber mit Wertschätzung und Verständnis.

Wer jetzt handelt, stärkt die Zukunft

Die Wechseljahre sind keine individuelle “Frauenangelegenheit” – sondern ein Thema für moderne Arbeitskulturen. Unternehmen, die hinschauen, zuhören und passende Rahmenbedingungen schaffen, gewinnen: motivierte, gesunde und langfristig engagierte Mitarbeiterinnen. Die gute Nachricht: Die Wechseljahre gehen vorbei – und mit der richtigen Unterstützung bleibt die Produktivität nicht auf der Strecke, sondern kommt oft gestärkt zurück.

Profilbild Frauke van Bevern

Ihre Autorin

Frauke van BevernBereichsleiterin Marke und Unternehmenskommunikation

Nach ihrer Ausbildung zur Werbekauffrau und BWL Studium an der Uni Münster folgten nationale und internationale Stationen mit Aufgaben in Marketing, Kommunikation und in der strategischen Unternehmensentwicklung. 2014 hat sie das Advanced Management Program an der Harvard Business School absolviert und ist langjähriges Jurymitglied des Corporate Design Preises. Seit 2012 verantwortet Frauke van Bevern den Bereich Marke und Unternehmenskommunikation der Berliner Volksbank.

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