Login Konto / Depot
Profilbild Dr. Jan Holthusen
Dr. Jan Holthusen

16.09.2025 | Lesezeit: 6 Minuten

Wirtschaft zwischen Zollchaos und Wachstumshoffnung für 2026 - Das erwartet uns im vierten Quartal

Neue Zölle, stagnierendes Wachstum und der Euro auf Höhenflug: Für viele Unternehmen fühlt sich das Schlussquartal 2025 wie ein Stresstest an. Gleichzeitig gibt es Signale, dass 2026 eine Trendwende möglich sein könnte. Dr. Jan Holthusen, Leiter Research und Volkswirtschaft der DZ Bank in Frankfurt. In einem exklusiven Seminar für Firmenkunden der Berliner Volksbank ordnet der Finanzmarkt-Experte die Entwicklungen ein. Hier gibt es seine Prognosen.

Firmenkunden - Wirtschaftliche Entwicklungen - Artikel

 

Das Wichtigste in Kürze

  • US-Zölle belasten Exporte: 15 Prozent Aufschlag auf EU-Waren in die USA trifft vor allem Autoindustrie, Pharma und Maschinenbau.
  • 2025 endet mit einer schwarzen Null: Wirtschaft stagniert mit nur 0,1 Prozent Zuwachs.
  • 2026 könnte das schuldenfinanzierte Infrastrukturpaket einen Wachstumsimpuls von rund 0,7 Prozentpunkten bringen
  • Zinsen bleiben stabil, Kapitalmarktzinsen steigen leicht: kurzfristige Kredite günstig, langfristige Investitionen teurer.
  • Euro legt zu: Aufwertung erschwert Exporte, begünstigt Importe.
  • US-Finanzmärkte bleiben unter misstrauischer Beobachtung: Langfristige Renditen hoch, Investitionen in den USA unsicher.

Handelskonflikte als Dauerbelastung

Der neue Zoll-Deal mit den USA prägt den Tonfall dieses Jahres. „Aus europäischer Sicht ein denkbar schlechter Deal“, urteilt Holthusen. Während US-Produkte leichter nach Europa gelangen, fällt auf europäische Exporte in die USA 15 Prozent Zoll an. Betroffen sind vor allem die Automobilindustrie, die Pharma- und Chemiebranche sowie Optik und Elektronik.

Damit wird konkret, was in früheren Prognosen bereits als Risiko benannt wurde. Holthusen spricht von einer erzwungenen Asymmetrie. Europa habe bei Standards, beim Marktzugang für Agrarprodukte und beim Verzicht auf eine Digitalsteuer nachgegeben. Für deutsche Unternehmen heißt das: Margen geraten unter Druck, Absatzmärkte werden unsicherer, die Abhängigkeit von den USA wächst.

Wachstumsaussichten: Flaute 2025, Impuls 2026

Für das laufende Jahr fällt die Prognose ernüchternd aus. „Wir gehen von einer schwarzen Null aus“, so Holthusen. Mehr als 0,1 Prozent Wachstum sei nicht zu erwarten. Die neuen Zölle wirkten im dritten und vierten Quartal mit voller Wucht, Investitionen blieben zurückhaltend.

Ein Hoffnungsträger zeichnet sich jedoch ab. Das schuldenfinanzierte Infrastrukturpaket der Bundesregierung könnte ab 2026 für einen Wachstumsimpuls sorgen. Holthusen rechnet mit plus 0,7 Prozentpunkten für das Bruttoinlandsprodukt. Mittel fließen in Verteidigung, Straßen, Brücken und digitale Netze. „Es dauert, bis öffentliche Investitionen wirken, aber ab 2026 sollten die Effekte spürbar sein“, so Holthusen. Für Unternehmen im Bau- und Logistiksektor könnten sich daraus Chancen ergeben.

Zinsen und Inflation: Stabil im Jetzt, teurer im Morgen

Die Inflation in Europa hat sich bei rund zwei Prozent eingependelt. Die EZB hält ihre Leitzinsen in einem neutralen Korridor zwischen 1,75 und 2,25 Prozent. Das bedeutet: Für kurzfristige Kredite bleibt das Umfeld günstig.

Am langen Ende zeigt sich ein anderes Bild. Zehnjährige Bundesanleihen könnten bis auf drei Prozent steigen. Ursache ist das wachsende Angebot an Staatsanleihen, das Investoren nur bei höheren Renditen akzeptieren. „Wir erwarten keinen dramatischen Anstieg, aber ein gewisser Aufwärtsdruck ist da“, so Holthusen. Für Unternehmen bedeutet das: langfristige Finanzierungskosten werden teurer. Investitionen sollten frühzeitig abgesichert werden.

Arbeitsmarkt zwischen Entlastung und Engpässen

Die schwache Konjunktur hinterlässt Spuren. Die Arbeitslosigkeit steigt leicht an, was für eine gewisse Entlastung bei der Personalgewinnung sorgt. Gleichzeitig bleiben in spezialisierten Branchen Fachkräfte rar. Unternehmen stehen damit vor einem paradoxen Bild: einerseits mehr Bewerber auf dem Markt, andererseits unverändert Engpässe bei Schlüsselqualifikationen.

Euro-Dollar: Aufwertung mit Folgen

Der Euro hat seit Jahresbeginn deutlich zugelegt, von 1,02 auf 1,17 US-Dollar. Holthusens Prognose liegt bei 1,20 innerhalb der nächsten zwölf Monate. Für Exporteure bedeutet das zusätzlichen Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit, während Importe günstiger werden. Unternehmen mit starkem US-Geschäft sollten Wechselkursrisiken absichern und Kalkulationen engmaschig prüfen.

US-Finanzmärkte: Ein Misstrauensvotum

Obwohl die US Notenbank Federal Reserve die Leitzinsen senkt, verharren die langfristigen Renditen auf hohem Niveau. Holthusen wertet dies als Misstrauensvotum gegenüber der Stabilität der US-Finanzen. Hinzu kommt, dass die Regierung offen in Unternehmensentscheidungen eingreift. Holthusen spricht von „Staatskapitalismus“, etwa im Fall Intel, wo eine staatliche Beteiligung erzwungen wurde.

Für deutsche Unternehmen bedeutet das: Investitionen in den USA sind nicht nur durch Zölle belastet, sondern auch durch ein zunehmend unberechenbares Finanzumfeld.

Eine Frau sitzt vor Monitoren und schaut sich das Online Seminar an

Fazit: Stillstand heute, Chancen morgen

Wer die letzten Prognosen verfolgt hat, erkennt die Konstanz der Risiken: Handelskonflikte, Fachkräfteengpässe und schwaches Wachstum. Neu ist Holthusens Perspektive, dass 2026 dank staatlicher Investitionen eine Wende möglich ist.

Für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet das zweierlei:

Risiken im Hier und Jetzt aktiv managen: Finanzierung sichern, Währungsrisiken absichern, Lieferketten prüfen.

Ab 2026 bereitstehen, wenn öffentliche Investitionen neue Impulse setzen, besonders in Bau, Logistik und technologiegetriebenen Branchen.

Die Berliner Volksbank organisiert exklusive Austausch-Formate mit Finanzexperten, um ihren Firmenkunden Orientierung in unruhigen Zeiten zu geben.


Sie möchten es noch genauer wissen?

Die vollständige Präsentation von Dr. Jan Holthusen mit allen Analysen können Sie hier abrufen:

Download

1 MB

Wirtschaft zwischen Zollchaos und Wachstumshoffnung für 2026 — Das erwartet uns im vierten Quartal

Profilbild Dr. Jan Holthusen
Dr. Jan Holthusen

Ihr Experte

Dr. Jan Holthusen

Dr. Jan Holthusen leitet seit 2021 den Bereich Research und Volkswirtschaft bei der DZ BANK und damit die größte Research-Einheit im deutschsprachigen Raum. Holthusen trat nach seiner Promotion als Analyst in das Rentenresearch der damaligen DG BANK ein und übernahm drei Jahre später als Gruppenleiter die Zinsanalyse. Von 2002 bis 2020 war er als Abteilungsleiter verantwortlich für das Fixed Income Research, das neben der Zins- und Währungsanalyse auch das Credit Research umfasst.

Profilbild Maximilian Klein

Ihr Autor

Maximilian Klein

Seine berufliche Reise startete Maximilian Klein mit einer Ausbildung in Marketing und Kommunikation, gefolgt von einem Journalismusstudium. Sein Weg führte ihn zu Tätigkeiten bei renommierten Radiosendern wie Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk sowie zu Stationen im Ausland, darunter Südafrika, USA, Israel und die Schweiz. Jetzt engagiert er sich bei der Berliner Volksbank im Corporate Publishing und erforscht dabei u. a. das Potenzial generativer KI für innovative Kommunikationsstrategien.

Das könnte Sie auch interessieren

Profilbild Jan Holthusen

17.04.2025 | Firmenkunden - Wirtschaftliche Entwicklungen - Artikel

"Ohne die USA als Handelspartner hat Europa ein Problem"

Welche Auswirkungen die US-amerikanische Wirtschafts- und Zollpolitik auf Konjunktur, Kapitalmärkte und deutsche Unternehmen hat, skizzierte Dr. Jan Holthusen, Research-Leiter der DZ BANK, im Online-Seminar der Berliner Volksbank.

Mehr erfahren
Dr. Michael Holstein steht auf einer Bühne und referiert vor Publikum

29.01.2025 | Firmenkunden - Wirtschaftliche Entwicklungen - Listicle

2025: Wirtschaftsprognose – Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

2025 bringt wirtschaftliche und politische Veränderungen. Auf einer exklusiven Veranstaltung für Firmenkunden der Berliner Volksbank gibt Dr. Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, Einblicke in Chancen und Herausforderungen des Jahres.

Mehr erfahren