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Zwei Frauen stehen und sitzen an einem Tisch vor einem Laptop und diskutieren
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29.07.2025 | Lesezeit: 8 Minuten

New Work als Strategie für die Arbeitswelt 2030

Die Babyboomer gehen von Bord, die Generation Z rückt nach. Viele Unternehmen unterschätzen die Auswirkungen dieses Kulturwandels, sagt Prof. Dr. Jutta Rump. Wir haben mit der Expertin für Personalmanagement und Organisationsentwicklung über New Work als Strategie für den Wandel gesprochen.

Firmenkunden - Unternehmensführung - Interview

 

Das Wichtigste in Kürze

  • Generationenwechsel bringt kulturellen Wandel: Mit dem Renteneintritt der Babyboomer verändert sich die Unternehmenskultur: Die nachwachsende Generation ist durch Umwelt und Erziehung anders geprägt – und trägt diese Prägung in die Arbeitswelt.
  • New Work als strategische Antwort: Prof. Dr. Jutta Rump versteht New Work als Strategie, um mit der Dynamik der Welt reflektiert umzugehen – durch stärkenorientierte Teamarbeit, flexible Strukturen und sinnstiftende Aufgaben.
  • Führung im Wandel: Gefragt ist heute ein partizipativ-kooperativer Führungsstil. Führungskräfte sollten Verantwortung teilen und Mitarbeitende nach ihren Stärken einbinden.

Die Babyboomer wechseln allmählich in die Rente. Wird das die deutschen Unternehmen verändern?

Und wie! Der demografische Wandel bringt den Unternehmen zugleich einen Kulturwandel. Diese Kultur wird derzeit bestimmt von den Babyboomern, die zusätzlich zu ihrer Arbeitskraft auch ihre persönliche Prägung in die Unternehmen gebracht haben. Diese persönliche Prägung entsteht in den ersten 20 Lebensjahren und ist im Fall der Babyboomer eng gekoppelt an Leistung und an Disziplin. Es waren geburtenstarke Jahrgänge, daher schwingt bei den Babyboomern ein „Es gibt viele von uns, also muss ich mich anpassen“-Gedanke mit. Diese Kultur prägt, auch wenn das etwas verallgemeinernd klingen mag, derzeit die Unternehmen. Babyboomer haben nie eine Extrawurst für sich verlangt.

Und die jüngeren, nachwachsenden Generationen verlangen jetzt Extrawürste?

Die jüngeren Menschen sind in einer anderen, friedlicheren und auch wohlhabenderen Welt aufgewachsen. Sie sind nicht selten Einzelkinder und haben von ihren Eltern viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Der Erziehungsstil hat sich geändert, weg vom Autoritären hin zum Partizipativ-Kooperativen. Die persönlichen Prägungen sind ganz andere, und diese Prägungen werden jetzt ins Arbeitsleben getragen. Das führt notwendigerweise zu einem Kulturwandel.

Unternehmen beklagen, dass sich die Märkte schneller ändern, sie immer rascher reagieren müssen. Passt diese „neue“ Prägung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser in die Zeit?

Die Welt hat sich schon immer verändert. Was neu ist: Wir bekommen Veränderungen überall in der Welt quasi in Echtzeit mit. Wird in den USA der neue Präsident vereidigt, kann ich live dabei sein. Kämpfe in der Ukraine sehe ich fast zeitgleich im Fernsehen oder im Internet. Und wenn eine Schlammlawine durch Valencia rollt, habe ich Aufnahmen dazu direkt auf meinem Smartphone. Diese Transparenz ohne jeden Zeitverzug sorgt für eine Dynamik, der man sich als einzelner Mensch nicht entziehen kann. Es fehlt die Zeit für Reflexion, weil sofort die nächste News aufploppt. Und man reagieren muss. Wir sprechen ja schon länger vom „Hamster im Rad“, doch der musste noch nie so schnell laufen wie heute.

Ist es denn überhaupt sinnvoll, als Hamster im Rad neue Temporekorde aufzustellen?

Eben nicht. Und damit sind wir bei New Work. Damit meine ich nicht, freitags mal im Homeoffice zu arbeiten. Ich sehe New Work viel umfassender: als Strategie, wie wir mit der Welt dort draußen umgehen. Damit wir nicht wie Hamster im Rad meinen, auf jede neue Information sofort reagieren zu müssen. Sondern bei allem notwendigen Tempo so überlegt und reflektiert wie möglich vorgehen. Wir müssen zurechtkommen mit dieser Welt und ihrem Tempo, aber wir sollten uns nicht hetzen lassen wie Getriebene.

Das wünschen sich sicherlich alle Unternehmen, aber wie setzen sie es um?

New Work hat viele Facetten. Ein Aspekt sind sicherlich Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – aber auch der Führungskräfte –, um mit neuen Technologien angemessen umgehen zu können. New Work bedeutet allerdings auch, Aufgaben anders zu denken und zu verteilen. Das heißt beispielsweise, vom Ziel her zu denken und Teams nach ihren Stärken und Talenten zusammenzusetzen – und nicht danach, zu welcher Abteilung sie gehören. Unternehmen sollten Schwarmintelligenz nutzen, um durch eine Vielzahl auch ungewöhnlicher Vorschläge auf kreative und zielführende Anregungen zu kommen.

Wenn ich Sie richtig verstehe: New Work ist ein unvermeidbarer Kulturwandel in Unternehmen, die attraktiv für ihre Mitarbeiter*innen bleiben wollen?

Ja, und das geht noch weiter. Stichwort: Purpose. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen verstehen, was sie tun und Sinnhaftigkeit in ihren Aufgaben sehen. New Work bedeutet auch, die Balance zwischen Work und Life zu finden. Es hat zu tun mit Arbeitszeiten (und deren Flexibilität), mit Arbeitsplatzbedingungen und deshalb letztlich tatsächlich mit der Frage, ob und wann im Homeoffice gearbeitet werden kann.

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Sie verlangen den Führungskräften ziemlich viel ab. Mit deren gewohnten Job-Profilen hat New Work nur noch wenig zu tun …

Der „Befehl und Gehorsam“-Ansatz aus dem vergangenen Jahrhundert hat sich jedenfalls überlebt. Gefragt ist – und da sind wir wieder bei den persönlichen Prägungen – ein partizipativ-kooperativer Führungsstil.

Mal ganz ehrlich: Als Führungskraft fühle ich mich, wenn ich das alles leben und umsetzen soll, heillos überfordert.

Fairer Punkt. Keine Führungskraft ist eine eierlegende Wollmilchsau. Zum Glück ermöglicht es ein partizipativ-kooperativer Führungsstil, bestimmte Aufgaben an einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin abzugeben – oder gar ins Team zu delegieren. Führungskräfte müssen sich stärker als jemals zuvor fragen, wo ihre Stärken liegen. Und sie müssen sich fragen, welche Stärken ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben – und diese Stärken nutzen.

Was tun, wenn diese „New Work“-Einstellung mit dem Selbstverständnis der Führungskraft als Boss kollidiert?

Dann habe ich zwei Möglichkeiten. Die erste: Ich gehe ins Gespräch mit dieser Person, das ist harte Führungskräfteentwicklung. Das ist anstrengend und nicht immer erfolgreich. Die zweite Option: Ich setze als Unternehmen auf die biologische Lösung, warte ab und besetze die Stelle anschließend passgenauer.

Falls ich die Stelle überhaupt besetzt bekomme. Landauf, landab höre ich Klagen aus Unternehmen: Die jungen Menschen scheuen sich, Verantwortung zu übernehmen.

Das kann ich nicht bestätigen. Die jungen Menschen sind sehr wohl bereit, Verantwortung zu übernehmen, allerdings nicht unter den Bedingungen der jetzt noch am Ruder sitzenden Babyboomer. Sobald diese Generation in die Rente geht und die Jüngeren die Verantwortung übernehmen, wird sich der Kulturwandel in den Unternehmen zeigen.

Letzte Frage: Für Unternehmen ist der Fachkräftemangel ein drängendes Problem. Nun geht eine große Alterskohorte – die Babyboomer – in Rente, während nur wesentlich kleinere Alterskohorten nachwachsen. Wird der Mangel an Arbeitskräften noch schlimmer oder greift die Digitalisierung?

Wir sind zeitlich jetzt tatsächlich an einer Schnittstelle angelangt. Die Digitalisierung schreitet seit Jahrzehnten voran, trotzdem gab es für menschliche Arbeitskräfte immer mehr zu tun. Das wird in manchen Bereichen, etwa in der Pflege, auch weiterhin so bleiben. Doch ich gehe davon aus, dass durch Künstliche Intelligenz vor allem in Behörden – aber auch im Banking! – in den kommenden Jahren sehr viele Stellen wegfallen werden. Allein in meinem Arbeitsbereich lasse ich schon heute rund 15 Prozent der Aufgaben durch lernende Algorithmen erledigen. In den kommenden Jahren wollen wir diesen Anteil mehr als verdoppeln. Mit solchen Vorhaben sind wir keineswegs allein. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass sich der Fachkräftemangel schon in wenigen Jahren abschwächen wird.


Profilbild Frau Dr. Jutta Rump
Prof. Dr. Jutta Rump, © Simon Wegener

Ihre Expertin

Prof. Dr. Jutta Rump

Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Zudem ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Trends in der Arbeitswelt (Digitalisierung, Demografie, Wertewandel) und die Konsequenzen für Personalmanagement und Organisationsentwicklung sowie Führung.

Profilbild Bernhard Wecker

Ihr Autor

Bernhard WeckerDirektor Vertriebsleiter Firmenkunden

Bernhard Wecker ist seit über 26 Jahren bei der Berliner Volksbank tätig. Gegenwärtig leitet er als Vertriebsleiter Firmenkunden das Marktgebiet Firmenkunden Berlin II.

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