Die Nagelprobe für Markenkommunikation
13.05.2020 - Lesezeit: 11 Minuten
Offen, wahrhaftig und zuerst nach innen – so gelingt Kommunikation in Krisenzeiten. Wie die Berliner Volksbank das umsetzt, erläutert Frauke van Bevern, Bereichsleiterin Marke und Kommunikation. Spannende Einblicke gab sie in ihrem Vortrag auf der virtuellen Konferenz #speakforward der geno.kom vor ca. 300 Teilnehmern.
Unter Zimmerleuten gibt es den Brauch, einen Nagel gekonnt mit möglichst nur 3 Schlägen einzuschlagen. Der Zimmermann beweist damit, dass er was drauf hat. Also ob er ein echter Zimmermann ist. Das nennt man Nagelprobe. Im übertragenen Sinn wird der Begriff Nagelprobe heutzutage auch in Bezug auf eine entscheidende Prüfung verwendet und die Corona-Krise ist eine entscheidende Prüfung. Eine Nagelprobe für uns alle. Nicht nur, weil Corona ein lebensbedrohliches Virus für uns Menschen ist, sondern weil Corona auch existenzbedrohend für Unternehmen ist.
Und damit ist die Krise auch eine Nagelprobe für die Markenkommunikation von heute. Sicherlich besteht Einigkeit darüber, dass Krisenkommunikation das ganze Gegenteil von Informationsnarkose ist. Es geht um schonungslose Offenheit, es geht um Transparenz und es geht um Schnelligkeit. Und es geht weniger um klassische Krisenkommunikation, als vielmehr um das Kommunizieren in der Krise.
Charakter zeigt sich in der Krise
Helmut Schmidt
Und was für Menschen und Politiker gilt, lässt sich sicherlich auch auf Unternehmen und auf den Charakter einer Marke übertragen. Das führt mich zum Charakter der genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken. 170 Jahre Geschichte und ein Wertekanon, der zum Beispiel Partnerschaftlichkeit und den solidarischen Gedanken in sich trägt. Unser Credo ist „was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“. Und unsere innere Haltung ist das Füreinander-da-sein. Eine ziemlich gute, moderne und in Krisenzeiten geeignet Basis, denn all das ist heute wichtiger denn je.
Für die Berliner Volksbank als regionale Genossenschaftsbank mit einer historisch gewachsenen, lokalen Verwurzelung bedeutet das, Verantwortung für unsere Region und Verantwortung für die Menschen und unsere Kunden in der Region zu übernehmen. Genau die stehen jetzt an erster Stelle. Und genau dieser Rolle gilt es jetzt gerecht zu werden. Das bedeutet aber auch, dass rein wirtschaftliche Interessen zweitrangig sind.
Die Spielregeln zur Markenkommunikation in Krisenzeiten. Nicht neu, nur anders.
Ich beschäftige mich dieser Tage intensiv mit Krisenkommunikation oder besser gesagt – mit Kommunikation in der Krise. Markenkommunikation während einer Krise unterliegt den gleichen Spielregeln wie ohne Krise. Es ändert sich nichts, nur weil eine Krise heraufzieht. Ob Corona, Naturkatastrophen oder kriminelle Machenschaften - in bedrohlichen Situationen sind Wahrhaftigkeit und schnelle Reaktion gefragt.
Eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Zielgruppe sitzt im Unternehmen selbst. Es sind unsere Kolleginnen und Kollegen. Mitarbeiterkommunikation entfaltet deshalb in Krisenzeiten eine ganz besondere Kraft. Und damit kommen wir zu der für mich wichtigsten Spielregel für erfolgreiche Markenkommunikation in Krisenzeiten. Erst rein, dann raus kommunizieren. Und zwar schnell und konsequent. Das ist eine ganz entscheidende Nagelprobe für Markenkommunikation. Das gilt immer, aber ganz besonders in Zeiten der Krise.
Bei der Berliner Volksbank sind wir der Überzeugung, dass wir jetzt alles tun müssen, um auf die Solidarität und das Vertrauen unserer Belegschaft bauen zu können. Für uns ist das die Grundlage des Miteinanders in der Bank. Neben der Solidarität geht es aber auch um Wertschätzung, Empathie und Symbole.
Zurückkommend auf das Zitat von Helmut Schmidt und dass sich Charakter in der Krise beweise. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben mit ihrem unermüdlichen Einsatz großen Charakter bewiesen und machen sich auf Distanz, aber dafür mit umso mehr Herz und Teamgeist so stark, den Herausforderungen dieser Zeit zu begegnen.
Ein Symbol dafür, wie stolz wir darauf sind, soll ein orangeblaues Armband mit dem Schriftzug „GEMEINSAM STARK“ sein. Gemeinsam die Krise meistern.
Wir nehmen uns virtuell „an die Hand“. Mit einem Armband als starkes Zeichen für Solidarität und Zusammenhalt.
Sind unsere Unternehmenswerte und die unserer Mitarbeiter deckungsgleich, dann sind unsere Mitarbeiter im besten Sinne unsere Markenbotschafter. Das gilt im Hinblick auf Marke, Identität und Markenversprechen. Und das bringt mich zur externen Kommunikation.
Wir verstehen die Krise als moralischen Kompass für die Gesellschaft. Wenn „da sein“ das Gebot der Stunde ist, dann können wir das nicht einfach nur sagen, sondern müssen auch die Öffentlichkeit darüber informieren, wie wir unsere Mitarbeiter und unsere Kunden schützen. Schutz geht vor Vertrieb!
Ein positiver Umgang zahlt sich in positiver Wahrnehmung aus, auch nach der Krise.
Ein Insight aus der Berliner Volksbank, was mich auch zur nächsten Nagelprobe führt.
Wir setzen in der externen Kommunikation unter anderem unsere Firmenkunden als Testimonials ein. Mit großem Erfolg. Und trotzdem haben wir mit Beginn der Corona Krise kurzerhand entschieden, diesen Weg der Markenkommunikation auf Eis zu legen. Aus vielerlei Gründen, aber besonders, weil wir unsicher waren und mehr Fragen als Antworten hatten. Ist das die richtige Zeit mit in Anführungsstreichen „schönen“ Motiven in einer heilen Welt zu werben? Ist es angemessen, so viel Mediabudget auszugeben? Und wenn wir Geld ausgeben, fließt das dann in die richtigen Kanäle mit den richtigen Botschaften? Wir haben kurzerhand entscheiden, dass wir umschwenken.
Nicht nur, weil wir uns die Fragen nicht so schnell beantworten konnten, sondern weil unser Bauchgefühl eindeutig eine andere Richtung vorgegeben hat. Beim Ankurbeln dieser anderen Kommunikationsmaschinerie ging es darum, Vertrauen in die Bank zu stärken, unmittelbare, aktive Hilfestellungen anzubieten, Sicherheit zu geben und konkrete Lösungen an unsere Kunden zu vermitteln.
Denn von Krisentag eins bis heute überhäufen uns unsere Kunden mit Fragen, mit ihren Sorgen und Problemen. Ich muss zugeben - wir waren erstmal nur bedingt in der Lage, allen zu helfen und die passenden Antworten auf die Fragen zu geben. Und darum waren wir uns schnell einig. Wir brauchen keine Imagekampagne, wenn unsere Kunden mit Liquiditätsengpässen, ausbleibenden Aufträgen und drohender Insolvenz kämpfen. Oder wenn die Familie die Miete nicht mehr bezahlen kann.
Uns war klar, dass wir ganz konkrete Lösungen brauchen. Auch, um unseren Vertrieb zu entlasten. Über Nacht – und das meine ich genauso wie ich es sage – haben wir die interne Kommunikation aufgezogen und die externe Kommunikation auf den Weg gebracht. Sonntags abends - nach der Rede von Frau Merkel – traf unser Krisenstab Entscheidungen und am Montag Morgen waren alle Mitarbeiter informiert, die Filialen mit neuen Plakaten, Abstandsklebebändern versorgt und die Presse war á jour. Parallel wurde die Website angepasst, alle Veranstaltungen abgesagt und Online-Webinare für Kunden auf den Weg gebracht.
Das bringt mich zu der Frage, ob im Markenwunderland allet schick ist. „Allet schick“ sagt man in Berlin, wenn alles gut ist. Gut ist, wenn das Leistungsversprechen wie die Faust aufs Auge passt. Tut es das denn?
Kommen wir auf den Purpose zu sprechen.
Purpose – auch oftmals mit „Sinn“ übersetzt - ist die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Erst war es der Fokus aufs Produkt, dann auf den Kunden, dann auf Emotionen und nun auf den Sinn bzw. die Seele eines Unternehmens. Und wenn ich sage, das ist die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird, dann nicht, weil ich das nicht richtig finde, sondern weil Marke als Seelenfänger alleine nicht funktioniert. Der Sinn wird das Produkt und den Kunden und die Emotion nicht ablösen, sondern ergänzen. Es gibt Marken, die ich leidenschaftlich gern kaufe, weil ich mit ihnen etwas verbinde oder weil sie mir von ihrer Attitüde her sympathisch sind. Aber ehrlich gesagt hinterfrage ich nicht dauernd, ob eine Marke direkt die Welt verbessert und Großartiges für die Menschheit leistet. Auch nicht in Krisenzeiten.
Natürlich lese und höre ich gerne davon, wenn „meine Marken“ Gutes tun, sich für soziale Projekte engagieren, nachhaltig agieren, Sinn stiften und eine Haltung haben, die meiner eigenen entspricht. Aber am Ende müssen die Marken, die ich kaufe, vor allem in einem gut sein: In ihrem originären Zweck.
Wenn mir eine Nussnougatcreme nicht schmeckt, sie aber ganz viel Gutes tut in der Welt, kaufe ich sie trotzdem nicht. Eine Marke kann gerne ihr positives Ding machen, muss aber vor allem wegen des eigentlichen Produktnutzens für mich ebenso praktikabel wie begehrenswert sein. Das ist genau mein Ding.
Und ich bin davon überzeugt, dass es auch genau das Ding unserer Kunden ist. Besonders in Zeiten der Krise. Einer Familie, die durch Corona bedingt um die Tilgungsaussetzung ihres Kredites bittet, weil derzeit kein Geld mehr aufs Konto kommt, der muss ich genau an dieser Stelle helfen. Sinnstiftung hin oder her.
Die zentrale Frage, die erfolgreiche Markenkommunikation heute beantworten muss, lautet doch: Welchen relevanten Beitrag kann mein Unternehmen für die Gesellschaft leisten? Nur wer auf solche Fragen überzeugende und konkrete Antworten anbietet, wird langfristig am Markt bestehen.
Natürlich leisten wir als Berliner Volksbank einen gesellschaftlichen Beitrag, der viel mehr ist als unser originärer Zweck. Beides muss Hand in Hand gehen, aber wenn ich als Bank in Krisenzeiten entscheiden muss, ist unser sinnstiftender gesellschaftlicher Beitrag das Sternchen unseres Leistungsversprechens. Im hier und heute geht es um konkrete und praktische Hilfe. Da nützt eine blitzsaubere Förderbilanz und eine beeindruckende Social Day Statistik nur bedingt.
Haut den Nagel mit drei Schlägen ins Holz. Und macht das, was das Ding eurer Kunden ist. In Krisenzeiten stiften wir als Berliner Volksbank Sinn, wenn wir unseren Job gut machen. Wenn wir für unsere Kunden da sind, auch wenn alle anderen schon weg sind. Und wenn wir praktische Hilfe leisten.
Dann können wir sagen: Nagelprobe bestanden!