Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 04.07.2022
- Die Woche der Gipfel
- Aktien: Ein schlechtes Halbjahr endet
- Anleihen: Renditeanstieg und Spreadrisiken
- Euro weiterhin schwach
- Energiepreise steigen weiter
- Sondereffekt erhöht Arbeitslosenzahl
- Staatliche Entlastungsmaßnahmen drücken
- Euroraum-Inflationsrate weiter gestiegen
- Konsumklima markiert neuen Tiefstand
Die Woche der Gipfel
In der vergangenen Woche trafen sich die Staats-chefs der G7 im bayrischen Schloss Elmau, die Ver-treter der internationalen Notenbanken beim EZB-Forum in Sintra und die NATO-Mitglieder zum Gipfel in Madrid. Im Zentrum all dieser Treffen standen die zwei dominierenden Themen des Jahres 2022: Hohe Inflation und Russlands Kriegs-erklärung an die Ukraine und die internationale Sicherheitsordnung.
Auf den drei Gipfeln herrschte Einvernehmen, dass diese Probleme Bestand haben und die Wirt-schafts- und Finanzordnung verändern werden. Die G7 verwiesen auf den russischen Zivilisations-bruch durch den Krieg, die NATO auf die Bedrohung Russlands für die eigene Sicherheit. Eine Rückkehr zum status quo ante bellum mit Russland wird somit unwahrscheinlicher. Die Knappheiten, die der Krieg und die Sanktionen ausgelöst haben, und die nötige Umstellung der europäischen Energie- und Rohstoffversorgung wer-den damit festgeschrieben.
Europas neue Nachfrage und die Bemühungen um einen Ausschluss Russlands verschärfen reale Knappheiten an den Weltmärkten und befeuern so höhere Preisniveaus und darüber politische wie wirtschaftliche Verwerfungen.
In die gleiche Kerbe schlugen die führenden Zentralbanker um Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde im portugiesischen Sintra. Einvernehmlich prognostizierten die Zentralbanker ob der veränderten Weltlage mittelfristig höhere Inflationsraten. Als Ursache hierfür, aber auch für ihre eigenen Prognosefehler wer-den die dicht aufeinanderfolgenden Angebots-schocks der letzten zwei Jahre genannt: Corona-pandemie und -Lockdowns (insbesondere in China), Lieferkettenengpässe und zuletzt der Russisch-Ukrainische-Krieg. Diese Schocks würden sich zudem langsamer abbauen als ursprünglich angenommen.
Die Notenbanker sind sich – mit den meisten Ökonomen – zudem einig, dass die geopolitischen Rivalitäten der Gegenwart, insbesondere zwischen dem Westen einerseits und Russland und China andererseits die Globalisierung dämpfen werden. Bereits eine systematische Umstellung von Lieferketten geht ob der hohen Investitionen und geringeren Effizienzen mit Inflations-risiken einher. Dasselbe gilt für die Investitionen und Anreizreformen – Stichwort Emissionszertifikate – des Kampfes gegen den Klimawandel.
Aktien: Ein schlechtes Halbjahr endet
Der DAX verlor in der vergangenen Woche 2,3 %, im ersten Halbjahr insgesamt 19,3 %. Ähnlich erging es dem breiteren Euro Stoxx 50, der die Woche mit 3.448 Punkten 2,4 % im Minus beendete, das Halbjahr mit knapp 20 % Verlust.
Auch die amerikanischen Indizes verloren in der vergangenen Woche wie im gesamten Halbjahr. Der technologielastige Nasdaq hat dabei die stärksten Verluste erlitten: -4,1 % in der Vorwoche und -28,8 % in 2022. Der breite S&P 500 verlor 19,7 %, der Dow Jones nur 14,4 %. Ein anderes Bild zeigt sich allein an den asiatischen Börsen. Der Nikkei liegt im Jahr 2022 9,9 % im Minus, der Shanghai SE Composite nur um 6,9 %, auch ein Ergebnis eines geringeren Aktienaufschwungs in 2021.
Anleihen: Renditeanstieg und Spreadrisiken
Die zehnjährige Bundesanleihe notierte Ende der vergangenen Woche bei einer Rendite von 1,2 %, einem Rückgang um 21 Basispunkte im Wochen-verlauf. Die gleichlange italienische Anleihe hinge-gen notierte, obgleich 28 Punkte gefallen, bei einer Rendite von 3,2 %.
Vor diesem Hintergrund plant die EZB ihr neues Antifragmentierungsinstrument, um die Zinsabstände im Euroraum – nach eigener Erklärung – auf die Fundamentalfaktoren zu begrenzen. Spekulative oder angstgetriebene Bewegungen an den Anleihemärkten würden die Transmission der Geldpolitik stören. Zur Kontrolle strebt die EZB als erste Verteidigungslinie eine flexible Wiederanlage der von ihr gehaltenen Wertpapiere an, statt sich wie bisher an den Kapitalschlüsseln zu orientieren. Für weitere Details zum neuen Instrument verweist die EZB auf ihre Julisitzung.
Euro weiterhin schwach
Am 1. Juli 2022 stand der Euro zum Dollar bei 1,04, eine Abwertung um 1,2 %. Im Zweijahresvergleich steht die Währung gegenüber dem US-Dollar um 7,3 % niedriger. Auch gegenüber dem Korb der wichtigsten Handelspartner hat die Gemeinschaftswährung in der letzten Juniwoche erneut verloren (-1,5 %).
Energiepreise steigen weiter
Die höhere Ölnachfrage der Sommermonate, die Sanktionen gegen russisches Öl und ein möglicher Nachfrageanstieg in Asien haben den Ölpreis in der letzten Woche angetrieben. Die Nordseesorte Brent kostete zuletzt 119,2 Dollar pro Barrel. Ob der von russischer Seite reduzierten Gaslieferungen stieg auch der Gaspreis weiter – um 15,6 % auf 148 Euro am niederländischen Futures-Markt.
Sondereffekt erhöht Arbeitslosenzahl
Trotz der Belastungen durch kräftig steigende Preise, anhaltende Materialengpässe und kriegsbedingt höherer Unsicherheiten präsentiert sich der deutsche Arbeitsmarkt weiterhin in einer robusten Grundverfassung. Die Arbeitslosenzahl ist im Juni allerdings wegen eines Sondereffektes merklich gestiegen: In den Jobcentern wurden erstmals ukrainische Geflüchtete umfassend einbezogen. Im Zuge dessen ist die Zahl der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfassten Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat um deutliche 103.000 auf 2,363 Mio. Menschen gestiegen. In saisonbereinigter Rechnung ergab sich sogar ein Anstieg um 133.000 Personen.
Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote kletterte im Juni auf 5,3 %, nachdem sie in den Vormonaten bei 5,0 % gelegen hatte. Der Beschäftigungsaufbau setzte sich zuletzt aber weiter fort, wenn auch mit schwächerer Dynamik. Die saisonbereinigte Erwerbstätigenzahl ist nach aktuellen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes im Mai gegenüber dem Vormonat um 35.000 auf 45,555 Mio. Menschen gestiegen. In den Vormonaten lag der Zuwachs noch stets über 50.000. Auch die anhaltend hohe Arbeitskräftenachfrage spricht für eine insgesamt robuste Arbeitsmarktverfassung. Zwar ist der BA-Stellenindex BA-X im Juni gegenüber dem Vormonat leicht um 2 Punkte auf 137 Punkte zurückgegangen. Er befindet sich im langjährigen Vergleich aber nach wie vor auf einem recht hohen Niveau und lässt für die nahe Zukunft einen weiteren Anstieg der saisonbereinigten Erwerbstätigenzahl erwarten.
Staatliche Entlastungsmaßnahmen drücken
Inflationsrate auf 7,6 % Im Zuge der Einführung des staatlichen Tankrabatts und des Neun-Euro-Tickets ist die Inflationsrate Deutschlands im Juni leicht zurückgegangen. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der Verbraucherpreisindex (VPI) um 7,6 % über seinem entsprechenden Vorjahresmonatswert. Im Mai hatten sich die Verbraucherpreise noch um 7,9 % erhöht. Zuletzt war die Inflationsrate zum Jahreswechsel 2021/2022 wegen des Wegfalls des Basiseffektes der Mehrwertsteuersenkung vom 2. Halbjahr 2020 zurückgegangen, von 5,3 % im Dezember auf 4,9 % im Januar. In den Folgemonaten war sie dann bis Mai kontinuierlich gestiegen. In welchem Ausmaß der Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket die Inflationsrate im Juni verminderten, lässt sich anhand der bisher vorliegenden Daten noch nicht genau quantifizieren. Zu den Preiseffekten dieser beiden staatlichen Entlastungsmaßnahmen plant das Statistische Bundesamt am 13. Juli im Rahmen der Veröffentlichung endgültiger Ergebnisse detaillierte Informationen vorzulegen. Gemäß den aktuellen Angaben trugen in erster Linie die Dienstleistungspreise zum Rückgang der Inflationsrate bei. Diese verteuerten sich im Juni um 2,1 % und damit weniger stark als im Vormonat (2,9 %).
Euroraum-Inflationsrate weiter gestiegen
Im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland hat im Euroraum als Ganzes der Preisdruck abermals zugenommen. Die Inflationsrate, basierend auf dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), ist von 8,1 % im Mai auf 8,6 % im Juni gestiegen. Haupttreiber für den Anstieg der Gesamtrate waren erneut die Energiepreise, die sich im Zuge höherer Rohöl- und Gaspreise stärker verteuerten als zuvor (+41,9 % nach +39,1 % im Mai). Darüber hinaus trugen auch die Nahrungsmittelpreise zum abermaligen Anstieg der Inflationsrate bei, die ebenfalls deutlicher zulegten (+8,9 % nach +7,0 %). Angesichts des anhaltenden Höhenflugs der Industrie-Erzeugerpreise dürfte der Preisdruck auf der Verbraucherstufe in den kommenden Monaten hoch bleiben. Die Erzeugerpreise sind zuletzt, im April, um kräftige 37,2 % gestiegen.
Konsumklima markiert neuen Tiefstand
Die Verbraucherstimmung in Deutschland dürfte sich nach einer kurzen Verschnaufpause im Juni weiter eintrüben. Dies legen zumindest die zentralen Ergebnisse der aktuellen GfK-Verbraucherumfrage nahe. Demnach hat sich das GfK-Konsumklima zwar leicht von -26,6 Punkten im Mai auf -26,2 Punkte im Juni erhöht. Für Juli prognostizieren die GfK-Experten aber wieder einen Rückgang des wichtigen Stimmungsindikators auf -27,4 Punkte. Das Konsumklima würde damit so niedrig sein wie noch nie seit Beginn der Umfrage für Gesamtdeutschland im Jahr 1991. Nach GfK-Angaben haben sich zuletzt die Konjunktur und die Einkommenserwartungen der Verbraucher verschlechtert. Auch ihre Anschaffungsneigung hat nachgegeben. Maßgeblich hierfür dürften neben den anhaltenden kriegsbedingten Unsicherheiten vor allem die weiterhin kräftig steigenden Energie- und Lebensmittelpreise sein, die die Kaufkraft der privaten Haushalte spürbar vermindern. Die jüngsten Umfrageergebnissen verdeutlichen einmal mehr, dass die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der deutschen Wirtschaft in eine kontraktiven Phase im Sommerhalbjahr deutlich gestiegen ist.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR