Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 08.05.2023
- EZB schließt nachvollziehbaren Kompromiss
- Fed zwischen Inflation und Regionalbanken
- Aktien: Stagnieren in der Breite
- Anleihen: Renditen nur unterwöchig bewegt
- Devisen: Wenig Bewegung auch hier
- Rohstoffe: Ölpreis sinkt deutlich
- Rückläufige Industrieproduktion
- Einbruch der Neuaufträge
- Trübe Außenhandelsdaten
- Euroraum-Inflationsrate steigt auf 7 %
EZB schließt nachvollziehbaren Kompromiss
Die EZB erhöht weniger, baut dafür aber Staatsanleihen schneller ab. Sie erhöhte ihren Leitzins um 25 Basispunkte Die Einlagefazilität liegt damit bei 3,25 %, die Hauptrefinanzierungsrate bei 3,75 %. Die EZB deutete, trotz aufgegebener Forward Guidance, weiterer Erhöhungen an. Gleichzeitig beabsichtigt sie, ab Juli alle fällig werdenden APP-Anleihen nicht mehr zu reinvestieren, also den Bilanzabbau zu beschleunigen.
Damit schließt der Rat anscheinend einen Kompromiss zwischen Tauben und Falken, Konjunktur und Inflation. Auf der einen Seite stehen die Sorgen, dass weitere, größere Zinsschritte aus der gewünschten Nachfragebremsung zur Inflationsbekämpfung einen Notstopp machen würden. Auf der anderen Seite würde eine als halbherzig wahrgenommene Inflationsbekämpfung womöglich die Erwartungen erschüttern und die Inflation auf höherem Niveau verfestigen.
Der Bank Lending Survey vom 2. Mai begründet dabei die vorsichtige Seite: Dort zeigten sich deutlich rückläufige Kreditnachfragen von privaten und Firmenkunden. Zugleich haben sich die Kreditbedingungen verschärft und die Zinsen erhöht, vor allem aufgrund der stark erhöhten Risikowahrnehmung der Finanzinstitute. Die Geldpolitik entfaltet also bereits die seitens der Notenbanken gewünschte Wirkung.
Angesichts der weiter hohen Inflation (siehe S. 5) wären 25 Basispunkte allein aber ein diffuses Signal gewesen. Daher musste die EZB mit dem schnelleren Abbau ihrer Bilanz – ca. 26 statt bisher 15 Milliarden für die nächsten 12 Monate – das Signal verstärken und zusätzlich weitere Zinserhöhungen in Aussicht stellen.
Fed zwischen Inflation und Regionalbanken
In einer ähnlichen Lage befand sich die US-Notenbank Fed, die am 3. Mai über ihre Geldpolitik entschied. Die Seite der Tauben hatte hier die Regionalbankenkrise auf ihrer Seite. Die Übernahme der First Republik Bank durch JPMorgan Chase löste weitere Aktienkursverluste regionaler Banken aus, da zwar das Geschäft fortbestand, die Aktionäre aber ihr Kapital verloren. Zudem vermuten die Anleger weitere Risiken in den hohen Bewertungen des Büroimmobilienmarktes und müssen das Risiko einpreisen, dass die US-Schuldenobergrenze nicht erhöht werden und die USA zahlungsunfähig werden. Eine Einigung scheitert bisher am gespaltenen US-Kongress. Die Fed entschied sich daher ebenfalls für eine Erhöhung um 25 Basispunkte, auf 5,00 bis 5,25 %. Da sie in ihrem Zinserhöhungszyklus fortgeschrittener ist als die EZB, musste sie dabei weder das Tempo der Anleihenverkäufe beschleunigen, noch weitere Zinserhöhungen ankündigen. Stattdessen stellte Fed-Chef Jerome Powell eine Pause der Zinserhöhungen in Aussicht – nicht aber, ohne sich eine weitere Erhöhung in Abhängigkeit der Daten offenzuhalten.
Aktien: Stagnieren in der Breite
Den Unruhen bei Regionalbanktiteln zum Trotz blieben die Aktienindizes weitestgehend stabil. Der DAX gewann in der ersten Maiwoche bescheidene 0,24 % auf 15961,02 Punkte. Die US und anderen europäischen Indizes zeigten ein ähnliches Bild. Dahinter stehen weiterhin ausbleibende makroökonomische Impulse, da etwa die jüngsten Zinsentscheide kaum von den Erwartungen abwichen.
Anleihen: Renditen nur unterwöchig bewegt
Die Anleiherenditen fielen zwar im Nachgang der Zinsentscheide von EZB und Fed ab, als höhere Zinsschritte ausblieben. Sie erholten sich jedoch bis zum Wochenende wieder, da die Zinsentwicklung im Großen und Ganzen den Erwartungen der Märkte folgte. Die zehnjährige Bundesanleihe lieferte zum Wochenende eine Rendite von 2,29 %, 2,7 Basispunkte weniger als zum Wocheneinstand. Die gleichlange US-Anleihe warf 3,44 % ab (+ 0,7 Basispunkte)
Devisen: Wenig Bewegung auch hier
Der Euro hielt sich in der Vorwoche weiterhin knapp über der Marke von 1,10 Dollar pro Euro. Die Stabilität des Wechselkurses deutet daraufhin, dass die Zinsentschiede von EZB und Fed die Zins und damit Wechselkurserwartungen der Marktteilnehmer nicht fundamental verfehlt oder verändert haben.
Rohstoffe: Ölpreis sinkt deutlich
Der Preis für Rohöl der europäischen Referenzsorte Brent fiel in der letzten Woche um 10,23 % auf 73 Dollar. Verantwortlich sind Sorgen um eine Rezession in den USA, aber auch die geringer als erwartet ausfallende Nachfrage aus China. Zudem scheint Russland weiter in der Lage, an westlichen Märkten vorbei sein Mineralöl zu verkaufen. Möglicherweise handelt es sich hier in Teilen allerdings auch um eine Überreaktion des Marktes.
Rückläufige Industrieproduktion
Die zu Jahresbeginn feststellbare Belebung der Industriekonjunktur in Deutschland hat sich im März zunächst nicht fortgesetzt. Wie das Statistische Bundesamt jüngst anhand vorläufiger Angaben mitteilte, sind sowohl die Produktion als auch der Auftragseingang des Verarbeitenden Gewerbes stark gesunken. Die Produktion gab gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 3,2 % nach. Im Januar und Februar war sie im Zuge rückläufiger Energiepreise und nachlassender Materialengpässe noch mit Verlaufsrate von 2,0 % und 2,7 % gestiegen. Über das gesamte 1. Quartal betrachtet lag die Industrieproduktion um 1,8 % im Plus.
Maßgeblich für den Rückgang im März waren die für die Gesamtentwicklung besonders bedeutsamen Wirtschaftsbereiche Kfz und Kfz-Teile (- 6,5 %) und Maschinenbau (-3,4 %).
Auch im Baugewerbe (-4,6 %) ist die Produktion gesunken, nach Anstiegen um 13,1 % und 0,3 % im Januar und Februar, die durch die vergleichsweise milde Winterwitterung begünstigt wurden.
Arbeitsmarkt noch immer in solider Grundverfassung
Ungeachtet der nur langsam schwindenden Belastungen durch die Energiekrise präsentiert sich der deutsche Arbeitsmarkt nach wie vor in einer guten Grundverfassung. Die Arbeitslosenzahl ist im Zuge der andauernden Frühjahrsbelebung im April weiter zurückgegangen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) sank sie gegenüber dem Vormonat um 8.000 auf 2,586 Mio. Menschen. Der Rückgang fiel damit gleichwohl weniger deutlich aus als in einem April allgemein üblich. Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosenzahl um 24.000. Die Arbeitslosenquote blieb in der um die üblichen saisonalen Faktoren bereinigten Rechnung unverändert auf dem Vormonatswert von 5,6 %.
Dass sich der Arbeitsmarkt in einer soliden Grundverfassung befindet, zeigt sich auch in den jüngsten Daten zur Erwerbstätigkeit. Die saisonbereinigte Erwerbstätigenzahl ist im März gegenüber dem Vormonat um 56.000 auf 45,924 Mio. Menschen gestiegen, nachdem sie bereits in den Vormonaten kontinuierlich zugenommen hatte.
Der Beschäftigungsaufbau dürfte in naher Zukunft anhalten. Hierauf deutet zumindest der BAStelleindex BA-X hin, der die bundesweite Arbeitskräftenachfrage misst. Der BA-X sank im April zwar leicht um 1 Punkt auf 124 Punkte. Er befindet sich damit aber nach wie vor auf einem im langjährigen Vergleich hohen Niveau.
Einbruch der Neuaufträge
Die Auftragseingänge sind im März so stark gesunken wie seit der Hochphase der Coronakrise im April 2020 nicht mehr. Sie verminderten sich im Vormonatsvergleich um 10,7 %. Ausschlaggebend für den deutlichen Rückgang waren in erster Linie die Bestellungen aus dem Ausland (- 13,3 %). Aber auch die Inlandsnachfrage (- 6,8 %) ließ merklich nach. Zuvor, im Januar und Februar waren die Aufträge insgesamt noch gestiegen, mit Verlaufsrate von 0,5 % und 4,5 %. Vor diesem Hintergrund sind die Neuaufträge im gesamten 1. Quartal minimal um 0,2 % gestiegen.
Innerhalb der Industrie verliefen die Entwicklungen im März teilweise sehr unterschiedlich. Während die wichtigen Branchen Kfz und Kfz-Teile (- 12,2 %) und Maschinenbau (-5,9 %) Rückgänge hinnehmen mussten, legten die Bestellungen bei Herstellern von Pharmazeutischen Erzeugnissen (+5,8 %) und Metallerzeugnissen (+2,0 %) zu. Großen Einfluss auf die Gesamtentwicklung hat ein Sondereffekt im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus (Bau von Luft- und Raumfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Militärfahrzeugen). Hier kam es im Februar wegen umfangreicher Großaufträge zu einem Anstieg um 55,0 %, auf dem im März ein Rückgang um 47,4 % folgte.
Trübe Außenhandelsdaten
Nicht nur die Angaben zur Produktion und zum Auftragseingang des Verarbeitenden Gewerbes auch die Außenhandelsdaten Deutschlands sind zuletzt überwiegend trübe ausgefallen. Im März wurden von der deutschen Wirtschaft kalender- und saisonbereinigt Waren im Wert von 129,7 Mrd. Euro exportiert und Waren im Wert von 113,0 Mrd. Euro importiert. Die Ausfuhren sind gegenüber dem Vormonat um 5,2 % gesunken. Damit wurde der Anstieg vom Februar (+4,0 %) zunichte gemacht. Überdurchschnittliche Rückgänge waren im Geschäft mit den USA (-10,9 %) und mit China (-9,3 %) zu verzeichnen, was auf eine verhaltene Konjunktur in diesen beiden für die Weltkonjunktur sehr wichtigen Staaten deutet. Die Warenimporte nach Deutschland sanken im März um 5,4 %, nachdem sie im Februar um 2,7 % gestiegen waren.
Insgesamt zeigen die jüngsten Industrie- und Außenhandelsdaten, dass der Aufschwung in Deutschland noch nicht ausreichend gefestigt ist. Die Erholung nach dem schwachen Winterhalbjahr scheint kein Selbstläufer zu sein. Wichtige Stimmungsindikatoren wie der ifo Geschäftsklimaindex lassen aber weiterhin auf eine Belebung ab dem Frühjahr hoffen.
Euroraum-Inflationsrate steigt auf 7 %
Im April hat die allgemeine Teuerung im Euroraum wieder etwas zugenommen. Nach vorläufigen Angaben von Eurostat übertraf der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) seinen Vorjahresmonatswert um 7,0 %. Zuvor war die Inflationsrate nach der Überschreitung des lokalen Höhepunktes von 10,1 % im November 2022 vier Monate in Folge zurückgegangen, im März auf 6,9 %.
Die einzelnen HVPI-Komponenten zeigten unterschiedliche Tendenzen. Während sich die Preisdynamik bei Energie erhöhte (+2,5 % im April nach -0,9 % im März), war sie bei Nahrungsmitteln rückläufig (+13,6 % nach +15,5 %). Für Dienstleistungen mussten die Verbraucher etwas mehr Geld aufwenden als zuvor (+5,2 % nach +5,1 %). Vor diesem Hintergrund gab die Kerninflationsrate, ohne Berücksichtigung der Energie- und Nahrungsmittelpreise, leicht nach, von 5,7 % im März auf 5,6 % im April. Endgültige Angaben zur jüngsten Verbraucherpreisentwicklung wird Eurostat am 17. Mai veröffentlichen.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR