Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 13.06.2022

  • EZB kündigt Zinserhöhung für Juli an
  • Westliche Aktien mit Abwärtstrend
  • Anleihen im Sinkflug
  • Euro verliert wieder
  • Ölpreis steigt weiter
  • Industrieproduktion etwas stabilisiert
  • Auftragseingänge weiter rückläufig
  • Außenhandel legt merklich zu
  • Höherer BIP-Zuwachs im Euroraum

EZB kündigt Zinserhöhung für Juli an

„Die hohe Inflation ist eine große Herausforderung für uns alle. Der EZB-Rat will sicherstellen, dass die Inflation in der mittleren Frist zum Zwei-prozentziel zurückkehrt.“ Mit diesen Worten leitet die EZB ihre Pressemitteilung vom 9. Juni 2022 ein, in der sie eine Erhöhung ihrer drei zentralen Zinssätze um 25 Basispunkte für die Sitzung im Juli ankündigt. Zum ersten Mal seit dem Juli 2011 steht somit eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank bevor.

Damit reagiert die EZB nach eigener Darstellung auf die Revision ihrer eigenen mittelfristigen Prognosemodelle. Die erwarten nunmehr 6,8 % Inflation in 2022, 3,5 % in 2023 und 2,1 % in 2024, womit das Ziel von 2 % übertroffen wird. Auch die um Energie und Nahrung bereinigte Kerninflation wird mit 3,3 %, 2,8 % und 2,3 % für 2022 bis 204 oberhalb des Zielwerts veranschlagt.

Auf dieser Basis bereitet die EZB die Märkte auf weitere Zinserhöhungen, darunter einen möglichen Schritt um 50 Basispunkte im September, noch in 2022 vor. Der BVR fordert in diesem Zusammenhang einen Leitzins von 0,75 % zum Jahresende anstelle der gegenwärtigen 0,00 %.

Abseits des Zinses stellt die EZB ihre Nettoanleihekäufe ein, hält aber an der vollständigen Reinvestition fälliger Anleihen fest. Im Hintergrund dieser Entscheidung steht das Risiko der Markt-fragmentierung, also die Zinsabstände zwischen den Eurostaaten und der Umgang mit selbigen an den Märkten.

Diese Abstände weiteten sich im Nachgang zur EZB-Entscheidung dann auch. Einerseits führen Konjunktursorgen zu einer kritischeren Bewertung der Staatsverschuldung in der Eurozone. Andererseits hatten einzelne Marktteilnehmer und -beobachter eindeutigere Aussagen der EZB zur Kontrolle der Fragmentierung erwartet. Die aber sind schwierig, da die Zinsabstände auch fundamentale Faktoren wie der Konjunkturlage folgen.

In dieser Woche sind auf den Märkten weitere Turbulenzen zu erwarten, wenn die Fed am 14. und 15. Mai ihre nächste geldpolitische Entscheidung verkündet. Eine erneute Erhöhung um 50 Basispunkte ist zu erwarten, möglicherweise auch ein stärkerer Abbau der Fed-Bilanz. Andere Märkte wie die Eurozone, aber auch Schwellen-länder würden durch eine solche Verschärfung der Geldpolitik weiter unter Druck gesetzt.

Westliche Aktien mit Abwärtstrend

Der jüngere Aufwärtstrend an den Aktienmärkten verkehrte sich ab der Wochenmitte zu einem teils deutlichen Minus. Der DAX gab 4,8 % ab, der Euro Stoxx 50 4,9 %. Dow Jones und S&P 500 um 4,6 und 5 %. Der in diesem Jahr besonders volatile Nasdaq verlor 5,6 %.

Der Hintergrund für diesen Rückfall sind auch die Inflationsdaten aus Europa und die Zinsentscheidung der EZB, die aber schon weitgehend eingepreist waren. Wesentlicher waren die USA: Dort nahmen die Anleger mit Verkäufen die Maiinflationsrate in den USA vorweg, die mit 8,6 % zum Vorjahresmonat den Wert des Vormonats über-stieg. Dadurch wird auch ein härterer Kurs der Fed und mit selbigem eine Rezession wahrscheinlicher.

Anleihen im Sinkflug

Die in Aussicht gestellte Zinserhöhung der EZB und die Inflation der USA dezimierten die Staatsanleihebewertungen. Entsprechend stark stiegen die Renditen. Die als sicher geltenden deutschen zehnjährigen Anleihen zogen um 22,6 Basis-punkte auf nunmehr 1,5 % an. Zu Jahresbeginn hatte die Rendite noch bei – 0,58 % gelegen. Die italienischen Renditen, die aufgrund der hohen Schuldenlast Italiens als riskanter gelten, stiegen um 44 Basispunkte auf 3,8 %. Die zehnjährigen US-Renditen belaufen sich auf 3,16 %, ein Anstieg um 20 Basispunkte.

Der Zinsabstand zwischen Deutschland und Italien drückt ein Problem der EZB aus: Die gegenwärtige Entwicklung weckt Erinnerungen an die Staatsschuldenkrise.

Euro verliert wieder

Trotz der Ankündigung der EZB, im Juli ihre Zinsen zu erhöhen, steht der Euro wieder unter Druck und verliert 1,9 % gegenüber dem Dollar. Ähnlich der Situation an den Aktienmärkten fußt dieser Verlust auf der Erwartung eines neuerlichen Zinsschrittes der Fed um 50 Basispunkte. Im Vergleich mit dem breiteren Korb aus 42 anderen Handelspartnern verlor die Gemeinschaftswährung in der vergangenen Woche leicht um 0,5 %.

Ölpreis steigt weiter

Das Ölembargo der EU, das die russischen Export-mengen drosseln soll, sowie die Erwartung höhere Mobilität und geringe Reservekapazitäten der OPEC treiben den Ölpreis wieder in die Höhe. Bremsend wirken die Rezessionsbefürchtungen. Der Preis der Nordseesorte Brent stieg folglich in der vergangenen Woche um 1,4 % auf 127,4 Dollar pro Barrel.

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Industrieproduktion etwas stabilisiert

Die amtlichen Monatsdaten zur Industriekonjunktur in Deutschland fielen zuletzt gemischt aus. Während die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes — nach einem deutlichen Rückgang im Vormonat — im April leicht stieg, waren die industriellen Auftragseingänge rückläufig, ebenso wie die Bauproduktion. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Erzeugung des Verarbeitenden Gewerbes im Vormonatsvergleich preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,3 % gestiegen. Im März war sie um 4,0 % gesunken. Die Produktion wird aber weiterhin durch die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine belastet. So ist Deutschland als exportorientiertes Land im stärkeren Umfang von den Handelssanktionen gegen Russland betroffen. Darüber hinaus dämpfen kriegsbedingte Produktions- und Logistikprobleme sowie neuerlich steigende Energie- und Rohstoffpreise. Zu Beginn des Krieges fehlten unter anderem Kabelbäume für die Kfz-Industrie. Diese Materialengpässe scheinen die Produktion im April aber weniger beeinträchtigt zu haben: Der Ausstoß im Kfz-Bereich expandierte nämlich um deutliche 6,8 %. Im Gegensatz dazu verminderte sich die Erzeugung im Maschinenbau um 1,0 %, auch wegen des gestiegenen geopolitischen Risikos, dass das Investitionsklima spürbar eingetrübt hat. Die Bauproduktion gab im April erneut nach, um 2,1 %. Sie wird ebenfalls erheblich durch Materialengpässe belastet. Dämpfend wirkt sich am Bau zudem aus, dass die übliche Frühjahrsbelebung wegen der milden Witterung bereits zu Jahresbeginn eintrat und nun die saisonalen Impulse weniger stark ausfallen.

Auftragseingänge weiter rückläufig

Die Neuaufträge des Verarbeitenden Gewerbes sind im April mit einer Verlaufsrate von 2,7 % gesunken. Sie sind damit bereits den dritten Monat in Folge zurückgegangen. Besonders deutlich verminderten sich die Aufträge bei den Herstellern von Investitionsgütern (-4,3 %), was angesichts der kriegsbedingt höheren Unsicherheiten nicht verwundert. So geht der BVR in seiner jüngsten Ausgabe des BVR Volkswirtschaft Kompakt davon aus, dass die preisbereinigten Bruttoanlageinvestitionen Deutschlands wegen des gestiegenen geopolitischen Risikos 2022 um rund 2,5 % und 2023 um weitere 1,7 % niedriger ausfallen werden als in einem Szenario ohne den Krieg. Maßgeblich für den jüngsten Rückgang der Gesamtaufträge war das deutliche Nachfrageminus aus dem Ausland (-4,0 %). Die inländischen Bestellungen (-0,9 %) verminderten sich demgegen über weniger stark. Alles in allem lässt die Auftragsentwicklung für die nächsten Monate auf eine gedämpfte Industriekonjunktur schließen.

Außenhandel legt merklich zu

Befördert von steigenden Preisen hat die deutsche Wirtschaft ihren grenzüberschreitenden Handel im April sichtlich erhöht. Die (nicht-preisbereinigten) Warenexporte sind gegenüber dem Vormonat kalender- und saisonbereinigt um 4,4 % auf 126,4 Mrd. Euro gestiegen. Damit konnte der Rückgang vom März (-3,0 %) mehr als ausgeglichen werden. Wichtige Wachstumsstütze waren die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten, die im April um überdurchschnittliche 7,7 % auf 12,6 Mrd. Euro zulegten. Das Geschäft mit den EU-Partnerländern expandierte hingegen mit 4,2 % weniger dynamisch. Die Warenexporte nach China sind im Zuge der dortigen Lockdowns um 4,5 % auf 8,7 Mrd. Euro gesunken. Auch die Ausfuhren nach Russland waren rückläufig. Sie sanken kriegsbedingt im April um 10,0 % auf 0,8 Mrd. Euro, nachdem sie im März um 60 % eingebrochen waren. Wegen der allgemein kräftig steigenden Importpreise und der insgesamt zunehmenden Ausfuhren legten die (nicht-preisbereinigten) Einfuhren nach Deutschland erneut deutlich zu. Sie erhöhten sich im April um 3,1 % auf 122,8 Mrd. Euro und damit in ähnlichem Umfang wie im Vormonat (+3,2 %).

Höherer BIP-Zuwachs im Euroraum

Eurostat hat in der vergangenen Woche detaillierte Angaben zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Euroraums für das 1. Quartal veröffentlicht. Das zentrale Ergebnis der ersten amtlichen Schätzungen wurde dabei nach oben korrigiert. So ist das preis-, kalender- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal nicht um 0,3 %, sondern um 0,6 % gestiegen. Das BIP-Wachstum hat sich damit im Vergleich zum 4. Quartal (+0,2 %) beschleunigt, trotz der aufkommenden Belastungen durch den Ende Februar beginnenden Ukrainekrieg. Die Wachstumsimpulse gingen zu Jahresbeginn vor allem von einem gesamtwirtschaftlichen Lageraufbau aus. Dieser trug rechnerisch mit 0,6 Prozentpunkten zum BIP-Anstieg bei. Auch der Außenhandel beförderte das Wachstum, da die Exporte um 0,4 % expandierten, während die Importe um 0,6 % nachgaben. Die privaten Konsumausgaben sind hingegen um 0,7 % zurückgegangen, infolge steigernder Verbraucherpreise und vielfach noch andauernder Pandemiebeschränkungen.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR