Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 15.05.2023
- Warnende Worte aus der EZB
- Aktien: Eine weitere Woche ohne Impulse
- Anleihen: US-Anleihen preisen Schuldenobergrenze höchstens kurzfristig ein
- Devisen: Euro sinkt wieder unter Marke von 1,10
- Rohstoffe: Ölpreis fällt erneut, aber nur leicht
- 20,3 % mehr Unternehmensinsolvenzen
- Inflationsrate von 7,2 % bestätigt
- BVR hebt BIP-Prognosewert für 2023 an
Warnende Worte aus der EZB
Die Inflationserwartungen in der Eurozone steigen, die Zentralbankiers halten sich weitere Zins-erhöhungen offen.
In der März-Ausgabe des Consumer Expectations Survey der EZB gaben die Befragten steigende Inflationserwartungen zu Protokoll: Für die kommenden 12 Monate erwarteten sie im Median 5,0 % Preissteigerungen nach 4,6 % im Februar. Auch für die nächsten drei Jahre stiegen die Erwartungen an, von 2,4 % auf 2,9 %. Damit erwarten die Konsumenten selbst mittelfristig eine Ziel-verfehlung der EZB.
Die Verantwortlichen der EZB mühen sich daher um Botschaften restriktiver Geldpolitik. In einem Bloomberg-Interview in Niigata, Japan, erklärte Bundesbank-Chef Joachim Nagel, dass die jüngsten Erhöhungen wichtig waren und weitere folgen müssten. Auf Nachfrage spezifizierte er, dass selbst für die dritte kommende geldpolitische Sitzung im September nichts ausgeschlossen sei. Da-mit wären potenziell noch drei Leitzinserhöhungen möglich.
Vor allem aber will der EZB-Rat sich damit alle Alternativen offenhalten. Nagel bekräftigte eben-falls, der Meeting-zu-Meeting-Ansatz sei angemessen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde schlug in einem Interview mit Nikkei am 8. Mai in die-selbe Kerbe: Die EZB würde datengetrieben entscheiden, wie die Inflation bestmöglich auf 2 % zurückgeführt werden kann.
An den Märkten wird ungeachtet oder trotz der EZB-Äußerungen eher mit nur zwei weiteren Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte gerechnet. Die Einlagefazilität würde also bis Juli auf 3,75 % steigen und dann erstmal dort verbleiben. Sollten die aufwärtsgerichteten Inflationsrisiken eintreten, vor denen die EZB warnt, könnte sich dies jedoch schnell ändern.
Aktien: Eine weitere Woche ohne Impulse
Der deutsche Aktienindex begann die Woche mit 15.961,02 Punkten und beendete sie mit 15.913,82. Damit bewegt er sich weiter nahe der Marke von 16.000 Punkten, für deren Überschreiten die Unterstützung fehlt. Doch auch jenseits des Atlantiks zeigten sich die Indizes eher unbewegt. Der S&P 500 schloss 0,29 % tiefer als in der Vorwoche.
Anleihen: US-Anleihen preisen Schuldenobergrenze höchstens kurzfristig ein
Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe stieg um 2,6 Basispunkte auf 3,46 %. Stärkere Ausschläge und Anstiege gab es bei kurzfristigen Anleihen, deren Fälligkeit jenseits des 1. Juni liegt. Dieser Termin wurde von US-Finanzministerin Janet Yellen als das Datum genannt, ab dem die Schuldenobergrenze der USA die Zahlung fälliger Rechnungen verhindert. Allerdings gehen im Grunde alle Beobachter davon aus, dass eine Lösung gefunden und die Grenze erhöht wird. Finanzunternehmen und professionelle Anleger sichern sich zwar trotzdem gegen das Risiko ab; und dagegen, in der Volatilität, um den Stichtag gefangen zu sein. Sie sehen aber weitehrhin höchstens eine geringe Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der Zahlungsunfähigkeit.
An den europäischen Märkten sanken die Staatsanleihen sogar leicht. Die deutsche zehnjährige Anleihe brachte zum Wochenschluss einen Ertrag von 2,27 % (-2,7 Basispunkte), die gleichlange italienische verlor 3 Basispunkte auf 4,17 % Rendite.
Devisen: Euro sinkt wieder unter Marke von 1,10
Wie abstrakt die Sorge um einen möglichen Zahlungsausfall der USA ist, zeigt sich auch im Wechselkurs der globalen Reservewährung mit dem Euro. Würden die Marktakteure ein Ausfallereignis erwarten, dass die USA stark belasten würde, müsste der Eurokurs steigen. Doch der Dollar gewann in der Vorwoche, so dass ein Euro nur noch 1,085 statt zum Wochenanfang 1,102 Euro wert war.
Rohstoffe: Ölpreis fällt erneut, aber nur leicht
Der Preis für das Barrel Brent-Rohöl fiel in der vergangenen Woche um 1,73 % auf 74,54 Dollar. Damit steht der wichtige Rohstoff nun 12,78 % unter seinem Wert von vor drei Monaten und sogar 31,02 % unter seinem Wert von vor einem Jahr. Die schwächelnde Weltkonjunktur kompensiert Mengenkürzungen aus OPEC+-Entscheidungen und Sanktionen gegen Russland.
20,3 % mehr Unternehmensinsolvenzen
Die im Zuge von Inflation, Materialengpässen, Personalknappheiten, Zinsanstiegen und Energiesorgen im Winterhalbjahr 2022/23 schwache Konjunktur schlägt sich mehr und mehr auch in den amtlichen Insolvenzdaten Deutschlands nieder. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden von den Amtsgerichten 1.362 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Die Fallzahl ist damit gegenüber dem Vorjahresmonat um kräftige 20,3 % gestiegen. Die Firmenpleiten tendieren bereits seit ihrem im August 2021 mit 1.029 Fällen erreichten lokalem Tiefpunkt nach oben. Auch bei der Summe der voraussichtlichen Gläubigerforderungen aus Unternehmensinsolvenzen war ein Anstieg zu verzeichnen, im Vorjahresmonatsvergleich von rund 1,1 Mrd. auf knapp 3,2 Mrd. Euro. Trotz der sich abzeichnenden Konjunkturbelebung ist in den kommenden Monaten mit einem weiteren Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen, nicht zuletzt wegen der im langjährigen Vergleich noch immer sehr niedrigen Fallzahlen.
Im Gegensatz zu den Firmenpleiten sind die Verbraucherinsolvenzen im Februar gesunken. Sie gaben binnen Jahresfrist um 4,0 % auf 5.160 Fälle nach. Die Verbraucherinsolenzen folgten in den vergangenen Monaten einer Seitwärtsbewegung. Sie könnten in naher Zukunft ebenfalls steigen, als Spätfolge der Energiekrise.
Inflationsrate von 7,2 % bestätigt
Gemäß jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Inflationsarte Deutschlands, gemessen am Verbraucherpreiseindex (VPI), von 7,4 % im März auf 7,2 % im April gesunken. Die Wiesbadener Statistiker haben damit das zentrale Ergebnis ihrer Ende April veröffentlichten vorläufigen VPI-Berechnungen bestätigt. Zum Rückgang der Inflationsrate trugen vor allem die Nahrungsmittelpreise bei, deren starke Teuerung etwas nachließ (+17,2 % im April nach +22,3 % im März). Demgegenüber legten die Energiepreise wieder etwas stärker zu als zuvor (+6,8 % nach +3,5 %). Die Kerninflationsrate, ohne Berücksichtigung der vielfach stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise, verharrte vor diesem Hintergrund auf ihrem Vormonatswert von 5,8 %. Maßgeblich für die weitere Preisdynamik dürfte nicht zuletzt sein, inwieweit die jüngsten Margen- und Lohnsteigerungen zu Zweit und Mehrrundeneffekten im Lohn- und Preissetzungsprozess führen werden (siehe hierzu BVR Volkswirtschaft Kompakt vom 18. April).
BVR hebt BIP-Prognosewert für 2023 an
Viele Konjunkturindikatoren zeigten jüngst ein düsteres Bild von der deutschen Wirtschaft. So sind im März die Einzelhandelsumsätze, die Warenexporte, die Industrieaufträge und die Industrieproduktion unisono zurückgegangen, teilweise so deutlich wie zur Hochphase der Coronakrise im Jahr 2022. Diesen schwachen Daten der amtlichen Statistik steht jedoch einer weiteren Aufhellung wichtiger Stimmungsindikatoren gegenüber. So ist beispielsweise der ifo Geschäftsklimaindex im April zum sechsten Mal in Folge gestiegen. Zudem mehren sich die Hinweise dafür, dass die globalen Lieferkettenprobleme spürbar abflauen und dass die Inflation weltweit ihren Höhepunkt überschritten hat.
Vor diesem Hintergrund sollten die schwachen März-Daten nicht überinterpretiert werden, selbst wenn sie zu einer leichten Abwärtsrevision des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das 1. Quartal führen sollten. Gemäß den ersten vorläufigen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes stagnierte das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP im Jahresauftaktquartal auf dem Vorquartalswert (+0,0 Prozent), nachdem es im 4. Quartal noch um (minimal abwärtsrevidierte) 0,5 Prozent gesunken war. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verlief damit zu Jahresbeginn wesentlich günstiger als der BVR im Rahmen seiner Dezember- Konjunkturprognose erwartet hatte (- 0,4 Prozent). Die im Dezember für das Winterhalbjahr 2022/23 prognostizierte technische Rezession ist aus heutiger Sicht ausgeblieben.
Die ausgefallene Rezession lässt den BVR für den weiteren Jahresverlauf optimistischer werden. Genährt wird dieser Optimismus auch durch modellbasierte Schätzungen, die für das laufende 2. Quartal einen BIP-Zuwachs um rund 0,5 % erwarten lassen. Vor diesem Hintergrund hat der BVR seinen Prognosewert für das preisbereinigte BIP-Deutschland im gesamten Jahr 2023 angehoben, von zuvor -0,1 % auf aktuell 0,5 %.
Der BVR befindet sich mit seiner Wachstumseinschätzung am oberen Rand des aktuellen Prognosespektrums. Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet jüngst für 2023 mit einem preisbereinigtem BIP-Zuwachs um 0,5 %. Deutlich verhaltener sind hingegen die Fachleute des Münchener ifo Instituts, die in ihrer aktuellen Frühjahrsprognose mit einem minimalen BIP Rückgang um 0,1 % rechnen.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR