Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 19.04.2022

  • Abwartende EZB im Inflationssturm
  • Seitwärtsbewegung am Aktienmarkt
  • Anleiherenditen steigen weiter
  • Der Euro verliert
  • Unterschiedliche Signale am Rohstoffmarkt
  • Forschungsinstitute vermindern Wachstumsprognose
  • ZEW-Konjunkturerwartungen geben weiter nach
  • Regelinsolvenzen überschreiten Vorkrisenniveau

Abwartende EZB im Inflationssturm

An den europäischen Finanzmärkten stand in dieser Woche zum ersten Mal seit Ende Februar nicht der Krieg, sondern die EZB im Mittelpunkt: Würde sie dem Kurswechsel der Fed und der kleineren Notenbanken, darunter Großbritannien und Kanada, folgen und einen Fahrplan für eine Zinserhöhung vorlegen?

Nein. Am Donnerstag, dem 14. April, erklärte die EZB im Anschluss an ihre Ratssitzung, an ihrem bisherigen Kurs festzuhalten. Die Nettoanleihenkäufe sollen weiterhin im 3. Quartal auslaufen, wenn die mittelfristigen Inflationsprojektionen dies zulassen. Ein erster Zinsschritt könne erst „einige Zeit“ nach dem Ende der Anleihenkäufe erfolgen und werde graduell sein. Bis dahin bleiben die Einlagezinsen bei -0,5 % negativ. Die EZB bekräftigte ihre Verpflichtung zum Zweiprozentziel der Inflation und orientiere sich dabei an ihren eigenen mittelfristigen Projektionen.

Die Finanzmärkte quittierten die Entscheidung der EZB mit Kursverlusten des Euro zum US-Dollar, zum chinesischen Yuan und zum britischen Pfund. Der Anstieg der Renditen an den Anleihemärkten setzte sich ebenfalls fort, wenngleich mit verringertem Tempo. Allein die europäischen Aktienmärkte reagierten leicht positiv auf die Ankündigung, verblieben jedoch in einer Seitwärtsbewegung.

Die Stagnation der Aktienmärkte folgt dabei der weiterhin unklaren globalen Wirtschaftslage. Einerseits scheinen die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und Ukraine durch die Kriegsverbrechen gestört, während sich die Kampfhandlungen in den Donbass verlagern. Entsprechend halten auch die Gedankenspiele und Sorgen um ein Energieembargo oder einen russischen Lieferstopp an. Andererseits herrscht weiterhin Unsicherheit über die chinesische Konjunktur, die von den harten Coronamaßnahmen der Regierung belastet wird. Eine erwartete Konjunkturstütze durch sinkende Leitzinsen der Notenbank blieb am Freitag aus.

In Kombination mehren sich die Rezessionssorgen der Marktteilnehmer: Bereits seit Anfang April ist die Zinskurve der US-Staatsanleihen invers, ein Frühindikator für eine kommende Rezession. Die korrigierte Prognose der Forschungsinstitute und deren Alternativszenario deuten in eine ähnliche Richtung.

Seitwärtsbewegung am Aktienmarkt

Die Aktienmärkte beiderseits des Atlantiks folgten in der Woche vor Ostern einer Seitwärtsbewegung und schlossen mit leichten Verlusten. So beendete der DAX die Woche am Gründonnerstag mit 14.163 Punkten, 120 Punkte unter dem Kurs zum Wochenanfang. Der Euro Stoxx 50 schloss zur Vorwoche 10 Punkte tiefer bei 3.848 Punkten. Ein ähnliches Bild zeigte sich an den USBörsen, deren Indizes zwischen 1 und 2 % verloren.

Anleiherenditen steigen weiter

Obwohl die EZB keine Leitzinsänderung ankündigte, stiegen auch in Europa die Anleiherenditen weiter. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe stieg um 13 Basispunkte auf nunmehr 0,84 % Rendite. Zur Erinnerung: Noch im Januar lag sie durchgängig knapp unter 0 %. Auch im weiteren Europa steigen die Anleiherenditen. Die Rendite der zehnjährigen Papiere des italienischen Staates nahm ebenfalls um 13 Basispunkte zu, womit sie am Gründonnerstag bei 2,49 % lag. Damit ähneln sie eher den US-amerikanischen Papieren, die – um 9 Basispunkte erhöht – bei 2,81 % Rendite liegen.

Der Euro verliert

Zu Wochenbeginn war der Euro noch 1,088 Dollar wert, am Abend des Gründonnerstags nach der Ankündigung der EZB waren es 1,083 Dollar. Karfreitag fiel der Euro auf 1,081 Dollar. Am Vorabend des Russisch-Ukrainischen-Krieges hatte er noch zwischen 1,11 und 1,14 gependelt. Die divergierende Geldpolitik der beiden Wirtschaftsräume zeigt hier ihre Folgen. Im Hinblick auf die Inflation bleibt so das Risiko erhalten, dass die Eurozone weitere Inflation importiert, denn die meisten Rohstoffe werden in Dollar gehandelt.

Unterschiedliche Signale am Rohstoffmarkt

Rohöl der Nordsee- und Referenzsorte Brent verteuerte sich im Verlauf der letzten Woche um 9,5 % auf 110,8 Dollar pro Barrel. Damit erreichte der Ölpreis wieder das Niveau vom 4. April. Parallel fiel jedoch der niederländische Tagesfuture des Gaspreises um 7 % auf 97 Euro pro Megawattstunde. Der Weizenpreis andererseits stieg erneut an und erreichte in Form des Dow Jones Composite Index Wheat einen Preis von 408 Dollar pro Tonne Weizen – ein Plus von knapp 5 %. Das Preisniveau an den Rohstoffmärkten bleibt hoch.

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Forschungsinstitute vermindern Wachstumsprognose

Die an der Gemeinschaftsdiagnose teilnehmenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben am 13. April ihr neues Frühjahrsgutachten vorgelegt. Mit dem Gutachten, das den Titel „Von der Pandemie zur Energiekrise — Wirtschaft und Politik im Dauerstress“ trägt, haben sie ihren Wachstumsausblick für Deutschland 2022 merklich nach unten korrigiert. Während die Forschungsinstitute in ihrem letzten Herbstgutachten noch mit einem Anstieg des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,8 % rechneten, gehen sie aktuell in ihrem Basisszenario von einem BIP-Zuwachs um 2,7 % aus.

Grundannahme für dieses Szenario ist, dass die militärischen Handlungen in der Ukraine mit Blick auf die Wirtschaftsaktivitäten nicht weiter eskalieren. Neben diesem Basisszenario betrachten die Konjunkturexperten noch ein Alternativszenario, in dem ein sofortiges Embargo für Öl- und Gaslieferungen aus Russland in die EU unterstellt wird. Sollte dieses Szenario eintreten, würde die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der Forschungsinstitute in eine scharfe Rezession geraten. Für diesen Fall erwarten die Experten in den Jahren 2022 und 2023 einen kumulierten Verlust von mehr als 6,5 % der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Im Hinblick auf die hiesigen Verbraucherpreise prognostizieren die Forschungsinstitute für 2022 ein Anziehen der Inflationsrate auf 6,1 %. Ihrer Einschätzung nach habe sich ein breit angelegter Preisdruck aufgebaut, der auch dann noch nachwirken werde, wenn annahmegemäß die Rohstoffpreise wieder etwas zurückgingen und die Lieferengpässe in der zweiten Jahreshälfte allmählich abflauten.

Der BVR teilt die Einschätzung der Forschungsinstitute, dass die Erholung der deutschen Konjunktur deutlich schwächer ausfallen wird als vor dem Beginn des Ukrainekrieges erwartet. Der im Frühjahrsgutachten vorgestellte Prognosewert zum preisbereinigten Wirtschaftswachstum 2022 von 2,7 % ist allerdings eher überschätzt. Angesichts der enormen globalen Unsicherheiten, auch wegen der Coronalage in China, rechnet der BVR in seinem aktuellen Konjunkturhauptszenario mit einem niedrigeren Wachstum von rund 2 %. Der Prognosewert zur Entwicklung der Verbraucherpreise ist aus BVR-Sicht realistisch. Modellbasierte Schätzungen, die auf verschiedenen Energiepreisszenarien basieren, lassen für Deutschland 2022 eine Inflationsrate von rund 6 % als wahrscheinlich erscheinen (siehe BVR Volkswirtschaft Kompakt vom 12. April 2022).

ZEW-Konjunkturerwartungen geben weiter nach

Angesichts der anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten sind die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland im April erneut zurückgegangen. Der anhand einer monatlichen Umfrage unter Finanzmarktfachleuten ermittelte Stimmungsindikator sank um 1,7 Punkte auf -41,0 Punkte. Im März war er im Zuge des Ukrainekrieges um außerordentliche 93,6 Punkte eingebrochen. Auch die aktuelle Wirtschaftslage wurde von den Umfrageteilnehmern ungünstiger bewertet. Der entsprechende ZEW-Lageindikator fiel um 9,4 Punkte auf -30,8 Punkte. Die ZEW-Indikatoren befinden sich damit auf ähnlich niedrigen Niveaus wie zum Anfang der Coronakrise im März 2020. Insgesamt signalisieren die jüngsten Umfrageergebnisse, dass die konjunkturellen Auftriebskräfte in Deutschland kriegsbedingt merklich nachlassen. Dennoch zeichnet sich für das 1. Quartal ein leichter Anstieg des preis-, kalender- und saisonbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) ab. Erste amtliche Daten zur BIP-Entwicklung im Jahresauftaktquartal werden am 29. April veröffentlicht.

Regelinsolvenzen überschreiten Vorkrisenniveau

In Deutschland verdichten sich die Zeichen für eine Trendwende bei den Unternehmensinsolvenzen. Der amtliche Schnellindikator für die beantragten Regelinsolvenzen ist von Februar auf März um deutliche 27 % gestiegen. Er befindet sich damit wieder über dem Niveau, das er Anfang 2020 vor dem Ausbruch der Coronakrise gehabt hatte. Der Schnellindikator gibt frühe Hinweise auf die künftige Unternehmensinsolvenzen. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die beantragten Unternehmensinsolvenzen zumindest im Januar aber nochmals gesunken. Sie verminderten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,6 % auf 1.057 Fälle, liegen damit aber nach wie vor über ihrem im August 2021 markierten lokalen Tiefstand von 1.029 Fällen. Gemäß der aktuellen Insolvenzprognose des BVR dürften die Unternehmensinsolvenzen im gesamten Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um rund 20 % auf 16.800 steigen (siehe BVR Volkswirtschaft Kompakt vom 29. März 2022). Die Verbraucherinsolvenzen haben im Januar erneut zugenommen, wenn auch mit einer Jahresrate von 2,1 % deutlich weniger als in den Vormonaten.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR