Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 20.06.2022
- Märkte im Zeichen der Geldpolitik
- Aktien weiter unter Druck
- Anleiherenditen legen deutlich zu
- Euro verliert etwas an Wert
- Kräftig steigender Gaspreis
- Weniger düsterer Konjunkturausblick
- Mehr Regelinsolenzen
- Inflationsrate von 7,9 % bestätigt
- Euroraum-Industrieproduktion festigt sich
Märkte im Zeichen der Geldpolitik
Zu den wichtigsten Themen an den Finanzmärkten zählte in der zurückliegenden Woche erneut das geldpolitische Umfeld. Angesichts rasant steigender Verbraucherpreise haben wichtige Zentralbanken ihre Leitzinsen erhöht. Am Mittwoch nahm die US-Notenbank eine weitere Leitzinsanhebung vor, mit einem für viele Marktakteure unerwartet großen Schritt von 0,75 Prozentpunk-ten. Die Federal Funds Rate befindet sich nun in einer Bandbreite zwischen 1,50 und 1,75 %. Die Schweizer Notenbank SNB zog am Donnerstag nach und hebte ihren Leitzins erstmals seit sieben Jahren an, um 0,50 Prozentpunkte auf -0,25 %. Die britische Notenbank BoE erhöhte ebenfalls ihren Leitzins, um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 %. Im Euroraum befinden sich die Leitzinsen hinge-gen weiterhin auf ihren historischen Tiefständen. Der EZB-Rat kündigte jedoch am 9. Juni für seine nächste geldpolitische Sitzung am 21. Juli eine ersten Leitzinsanhebung an. Der Hauptrefinanzierungssatz soll zunächst um 25 Basispunkte auf 0,25 % steigen.
Am vergangenen Mittwoch traf sich der EZB-Rat überraschend zu einer Sondersitzung. Grund für diese Sitzung waren die weiteren kräftigen Renditeanstiege der Staatanleihen Italiens und anderer hoch verschuldeter Euroraumländer. Diese Anstiege nähren die Sorgen vor einer neuen Schuldenkrise in Europa. In einer nach der Sitzung veröffentlichten Stellungnahme bekräftigte der EZB-Rat, Finanzmittel aus fällig werdenden Anleihen des Anleihekaufprogramms PEPP flexibel ein-setzen zu wollen. Offenbar ist ein stärkeres Engagement in den hoch verschuldeten Ländern geplant. Zudem sprach sich der Rat für eine Beschleunigung des Vorhabens aus, ein neues Anti-Fragmentierungs-Instrument zu schaffen. Hiermit könnte ein neues Anleihekaufprogramm gemeint sein. Grundsätzlich ist die jüngste EZB-Stellungnahme positiv zu bewerten, da sie ein deutliches Stabilitätszeichen aussendet, ohne den angekündigten und notwendigen Zinswendekurs zu gefährden. Für eine abschließende Bewertung der Ankündigungen ist es aber zu früh.
Auch andere Wirtschaftsdaten fanden an den Märkten Beachtung. Aufhorchen ließ die Nachricht, dass der russische Energiekonzern Gazprom seine Gaslieferungen nach Deutschland und andere europäische Staaten deutlich vermindert hat, mit dem Verweis auf technische Probleme. Über die Ostseepipeline Nord Stream 1 werden nur noch etwa 40 % des gepalten täglichen Gas-volumens geliefert. Dies erhöht die Sorgen um die Gasverfügbarkeit im kommenden Winter und gibt Ängste um die konjunkturelle Entwicklung Auftrieb. Eine vorübergehende Unterbrechung russische Gaslieferungen dürfte die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleiten lassen.
Aktien weiter unter Druck
Die Kombination aus hohen Inflationsraten, steigenden Zinsen und Konjunktursorgen setzten die Aktienmärkte erneut unter Druck. Der DAX schloss am Freitag, dem 17. Juni, bei 13.126 Punk-ten. Das Börsenbarometer sank damit gegenüber dem Vorwochenultimo um merkliche 4,5 %. Auch der Dow Jones gab im Wochenvergleich merklich nach, um 4,8 % auf 29.888 Punkte.
Anleiherenditen legen deutlich zu
An den Anleihemärkten führte die EZB-Stellungnahme zunächst nur vorübergehend zu einer Beruhigung. Nach moderaten Rückgängen stiegen die Anleiherenditen wieder vielfach an. Bundes-anleihen mit einer zehnjährigen Restlaufzeit er-reichten am Donnerstag zeitweise eine Rendite von 1,83 %. Sie rentierten damit so hoch wie seit Anfang 2014. Am Freitag, dem 17. Juni, lag die Rendite — gedämpft durch Konjunkturängste — bei 1,66 %, 11 Basispunkte über ihrem Vorwochenwert Die Rendite zehnjähriger US-Anleihen legte im Wochenvergleich ebenfalls zu, um 2,6 Punkte auf 3,24 %.
Euro verliert etwas an Wert
Die kräftige Anhebung der Leitzinsen in den USA haben dem US-Dollar gegenüber dem Euro Auf-trieb gegeben, zumal Fed-Präsident Powell für die nächste Fed-Sitzung eine weitere Zinserhöhung im Umfang von 0,5 bis 0,75 Prozentpunkten in Aussicht stellte. Zum Ende der Woche stabili-sierte sich der Euro gegenüber US-Dollar wieder etwas. Nach EZB-Angaben beendete die Gemeinschaftswährung die Woche bei 1,05 US-Dollar, 0,2 % unter seinem Vorwochenultimo.
Kräftig steigender Gaspreis
Nach den kräftigen Anstiegen der Vorwochen gaben die Ölnotierungen zuletzt vor dem Hinter-grund zunehmender Konjunktursorgen dies- wie jenseits des Atlantiks sichtlich nach. Öl der Nord-see-Sorte Brent notierte am Freitag bei 109,56 US-Dollar je Barrel, 9,3 % weniger als zum Ende der Vorwoche. Der Preis für Erdgas verteuerte sich hingegen kräftig um 42,2 % auf 116,6 Dollar, befördert durch die gestiegene Ängste vor Engpässen in Europa.
Weniger düsterer Konjunkturausblick
Im Juni haben sich die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland etwas verbessert. Der anhand einer monatlichen Umfrage unter Finanzmarktfachleuten ermittelte Frühindikator stieg gegenüber Mai um 6,3 Punkte auf -28,0 Punkte. Die Einschätzungen zur aktuellen Lage hellten sich ebenfalls etwas auf. Der ZEW-Lage-Indikator ist im Vormonatsvergleich um 8,9 Punkte gestiegen. Aber auch dieser Indikator befindet sich mit -27,6 Punkten weiterhin deutlich im negativen Bereich. Ein Grund für die leichte Aufhellung der Stimmungsindikatoren ist im Auslaufen von Pandemiebeschränkungen in China zu sehen. Zudem fielen die jüngsten Daten zur Industrieproduktion und zum Außenhandel Deutschlands insgesamt robust aus. Alles in allem signalisieren die jüngsten Umfrageergebnisse, dass die deutsche Konjunktur — nach einem schwachen Sommer — zum Jahresende wieder an Schwung aufnehmen könnte. Bedingung hierfür ist aber nicht zuletzt, dass sich die geopolitische Lage nicht weiter verschärft und dass die Belastungen durch die Material- und Logistikengpässebald abflauen.
Mehr Regelinsolenzen
Derzeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Tiefpunkt bei den Unternehmensinsolvenzen in Deutschland überschritten ist. So ist die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen nach vorläufigen amtlichen Angaben im Mai gegenüber dem Vormonat um 8,4 % gestiegen. Der entsprechende Schnellindikator der Regelinsolvenzen tendiert bereits seit Oktober 2021 nach oben. Er gibt als Frühindikator Hinweise auf die künftige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen. Die beantragten Unternehmensinsolvenzen hatten im August 2021 mit 1.029 Fällen einen lokalen Tiefstand erreicht und sind seitdem leicht aufwärtsgerichtet. Im März 2022 wurden von den Amtsgerichten 1.294 Firmenpleiten gemeldet. Dies waren 14,3 % mehr als im Vormonat, aber 11,3 % weniger als im Vorjahresmonat. Ein ähnliches Bild zeigen jüngst auch die Verbraucherinsolvenzen. Diese sind im März gegenüber Februar um 19,8 % gestiegen; gegenüber März 2021 ergab sich ein Rückgang um 34,3 %. Im vergangenen Jahr waren die Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzen noch unterschiedlichen Richtungen gefolgt. Während die Verbraucherpleiten im Zuge der schrittweisen Verkürzung der Restschuldbefreiungsverfahren stark zunahmen, waren die Firmenpleiten merklich zurückgegangen, gestützt durch umfangreiche staatliche Hilfen.
Inflationsrate von 7,9 % bestätigt
Das Statistische Bundesamt hat inzwischen detaillierte Angaben zur jüngsten Entwicklung der Verbraucherpreise vorgelegt. Demnach ist die auf dem Verbraucherpreisindex (VPI) basierende Inflationsrate Deutschlands von 7,4 % im April auf 7,9 % im Mai gestiegen, wie Ende Mai anhand vorläufiger Angaben ermittelt. Eine vergleichbar hohe Teuerung hatte es zuletzt im Winter 1973/1974 infolge der ersten Ölkrise im früheren Bundesgebiet gegeben. Hauptgrund für den weiteren Anstieg der Gesamtrate waren die Energieprodukte, die sich im Mai kriegsbedingt noch deutlicher verteuerten als zuvor (+38,3 % nach 35,3 % im April). Insbesondere bei leichtem Heizöl (+94,8 %), Erdgas (+55,2 %) und Kraftstoffe (+41,0 %) waren im Mai kräftige Preisanstiege zu verzeichnen. Die Verbraucher mussten allerdings auch für Nahrungsmittel (+11,1 %) erheblich mehr Geld aufwenden. Hier kam es bei Speisefetten und Speiseölen (+38,7 %), Fleisch und Fleischwaren (+16,5 %), Molkereiprodukte und Eier (+13,1 %) sowie Brot und Getreideerzeugnisse (+10,8 %) zu Teuerungsraten im zweistelligen Bereich. Die Kerninflationsrate, ohne Berücksichtigung der Energie- und Nahrungsmittelpreise, lag im Mai bei 3,8 % und blieb damit im Vormonatsvergleich unverändert. Im Juni könnte es angesichts der vorgenommenen staatlichen Entlastungen (Stichworte: Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket) zu einem leichten Rückgang der Gesamtrate kommen.
Euroraum-Industrieproduktion festigt sich
Die Industriebetriebe des Euroraums haben ihre Produktion, trotz der andauernden Belastungen durch den Ukrainekrieg, zuletzt etwas erhöht. Im April legte die Produktion gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,4 % zu. Damit konnte ein Teil des merklichen Rückgangs vom März (-1,4 %) wieder ausgeglichen werden. Besonders deutlich legte die Produktion zuletzt im Energiesektor (+5,4 %) zu. Hier war es wegen der vergleichsweisen milden Witterung in den Vormonaten noch zu kontinuierlichen Rückgängen gekommen. In naher Zukunft dürfte die Industrieproduktion weiter durch die Kriegsfolgen — wie steigende Rohstoff- und Energiepreise und neuerliche Material- und Logistikengpässe — gedämpft werden. Diese negativen Folgen schlagen sich auch bereits bei den Aufträgen nieder. So ist der Orderindikator der EU-Kommission im Mai um 5,3 Punkte gesunken. Er befindet sich mit 7,4 Punkten aber noch immer auf einem vergleichsweise hohen Niveau.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR