Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 20.12.2021
- Bank of England beginnt Zinswende
- DAX trotz Notenbank-Kurswechsel stabil
- Anleiherenditen etwas niedriger
- Lira stürzt weiter in die Tiefe
- Coronaängste drücken auf Ölpreise
- Konjunkturforscher senkt Wachstumsprognose für 2022
- Geschäftsklima trübt sich weiter ein
- Produktionsplus der Euroraum-Industrie
Bank of England beginnt Zinswende
Die große Woche der geldpolitischen Entscheidungen brachte Überraschungen und mehr Klarheit. Überraschend erhöhte die Bank of England am Donnerstag, dem 16. Dezember, als erste der wichtigsten Notenbanken ihren Leitzins von 0,10 % auf 0,25 %. Verwiesen wurde bei der Entscheidung auf den „langlebigeren Inflationsdruck“.
Die Entscheidung der EZB am gleichen Tag war demgegenüber mehr darauf gerichtet, sich etwas mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Es wurde das Ende des Pandemie-Notfallkaufprogramms PEPP zum März 2022 verkündet und die geldpolitische Flexibilität betont. Doch wurde für das weitere Kaufprogramm APP das Kaufvolumen zunächst auf 40 Mrd. Euro verdoppelt mit dem Plan, dieses bis zum Herbst wieder auf die bislang gültigen 20 Mrd. Euro abzuschmelzen. Ein Endtermin für das Programm wurde nicht genannt. Somit ist aktuell seitens der EZB noch kein Zinsschritt im Jahr 2022 avisiert. Die EZB verzichtete zudem darauf, den so genannten Tieringfaktor, der zu einer Entlastung der Kreditinstitute von dem negativen Einlagenzins der EZB führt, zu erhöhen. Im Zuge der großvolumigen Anleihekäufe steigt die Belastung der Kreditinstitute durch den Minuszins.
Derweil beschloss die Fed, ihr Kaufprogramm in erhöhtem Tempo abzuschmelzen, sodass es im März 2022 beendet sein dürfte. Die Umfrage unter den Mitgliedern des Offenmarktausschusses lässt erwarten, dass es im Jahr 2022 zu drei Zinsschritten der US-Notenbank kommen könnte. Damit würde sich das Zielband des Tagesgeldsatzes in den USA auf 0,75 % -1,00 % erhöhen.
Die japanische Notenbank hat am Freitag, dem 17. Dezember, ihren Leitzins von -0,10 % bestätigt und lediglich ihre Pandemiehilfen zurückgefahren. Anders als in Europa und den USA ist die Inflation in Japan niedrig und stabil. Im November lagen die Verbraucherpreise lediglich um 0,1 % höher als ein Jahr zuvor.
Die geldpolitische Geisterfahrt des türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan, der Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung ablehnt, setze sich fort. Am Donnerstag, dem 16. Dezember, senkte die Notenbank erneut den Leitzins um 1 Prozentpunkt auf 14 %. Seit dem Sommer hat die Notenbank den Leitzins um insgesamt 5 Prozentpunkte verringert, obwohl die Inflation zweistellig ist, im November lag sie bei 21 %.
DAX trotz Notenbank-Kurswechsel stabil
Die Aktienmärkte haben auf den geldpolitischen Kurswechsel der Notenbanken mit einem leichten Kursplus geantwortet. Die größere Klarheit über den geldpolitischen Kurs wurde positiv bewertet. Der DAX legte im Anschluss an die Zinsentscheidung der EZB vom Donnerstag, dem 16. Dezember, um 1 % zu. Diesem Zuwachs standen zum Ende der Woche Verluste gegenüber, nachdem das ifo Geschäftsklima im Dezember auf sein schwächstes Niveau seit Februar gefallen war. Der DAX beendete die Handelswoche mit 15.531 Punkten und lag leicht unterhalb seines Stands vom Wochenbeginn (-0,6 %). Der Dow Jones beendete die Handelswoche mit 35.419 Punkten und damit ebenfalls (-1,5 %) unter seinem Vorwochenstand.
Anleiherenditen etwas niedriger
Trotz der Signale für eine straffere Geldpolitik durch die Fed und die EZB sind die Anleiherenditen leicht zurückgegangen. Positiv wirkte sich die größere Klarheit über den Kurs der Notenbanken aus, auch wenn die EZB mit ihren Beschlüssen nach der Ansicht vieler Beobachter zu schwach auf die Inflationsrisiken reagierte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen lag am Freitag, dem 17. Dezember, bei 0,37 %, das waren 2 Basispunkte weniger als eine Woche zuvor. Die zehnjährigen US-Bundesanleihen rentierten zum Wochenschluss mit 1,40 % um 8 Basispunkte niedriger.
Lira stürzt weiter in die Tiefe
Die jüngste Zinssenkung der türkischen Notenbank sorgte für eine weitere rasante Talfahrt der türkischen Lira. Zum Ende der Woche lag der EZB Referenzkurs bei 17,58 Lira, eine Woche zuvor waren es noch 15,69 Lira gewesen. Damit erreichte die Lira ein erneutes Tief. Im Vergleich zum Jahresbeginn müssen fast doppelt so viele Lira für einen Euro ausgegeben werden, Anfang Januar lag der Kurs noch bei 9,03 Lira.
Coronaängste drücken auf Ölpreise
Beim Rohöl gingen Mitte Dezember die Preise aufgrund zunehmender Ängste vor einem Rückschlag der Konjunktur infolge schärferer Pandemiebekämpfungsmaßnahmen zurück. Rohöl der Sorte Brent kostete zum Ende der Woche 72,97 Dollar pro Barrel und war damit 2,7 % billiger als eine Woche zuvor. Dessen ungeachtet setzte sich der Höhenflug der Gaspreise aufgrund des Ukrainekonflikts und der strukturell durch den Klimaschutz bedingt steigenden Nachfrage fort.
Konjunkturforscher senkt Wachstumsprognose für 2022
Angesichts der Belastungen durch die vierte Coronawelle und die anhaltend hohen Materialknappheiten haben viele Konjunkturforscher ihren Wachstumsausblick für Deutschland 2022 deutlich nach unten revidiert. Hierunter fallen unter anderem die Fachleute des ifo Instituts, die im Rahmen ihrer aktuellen Winterprognose davon ausgehen, dass das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommenden Jahr um 3,7 % steigen wird. Im September hatten sie noch mit einem Zuwachs um 5,1 % gerechnet. Den BIP-Prognosewert für 2023 haben die Forscher aber angehoben, von 1,5 % auf 2,9 %.
Bezüglich des laufenden 4. Quartals erwarten die ifo Ökonomen einen Einbruch der Wertschöpfung im Handel und in den kontaktintensiven Dienstleistungsbereichen, der im Vorquartalsvergleich zu einem Rückgang des preis-, kalender und saisonbereinigten BIP um 0,5 % führen dürfte. Auch das 1. Quartal wird der Prognose zufolge noch spürbar durch das Infektionsgeschehen belastet werden. Erst im Frühjahr 2022, so die Annahme des ifo Instituts, werden die Belastungen durch die vierte Welle zurückgehen. Bei den Lieferengpässen und den damit einhergehenden Produktionsbehinderungen wird ebenfalls unterstellt, dass diese sich erst im Frühjahr allmählich auflösen.
In Hinblick auf die Preisentwicklung erwarten die ifo Fachleute auch nach dem Jahreswechsel 2021/22 noch hohe Anstiege. Die mit den Lieferengpässen einhergehenden Kostensteigerungen sowie verzögerte Anpassungen an die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise dürfen die Inflationsrate von prognostizierten 3,1 % in diesem Jahr auf 3,3 % im kommenden Jahr erhöhen. Für 2023 wird eine Normalisierung des Preisanstiegs auf 1,8 % prognostiziert.
Das ifo Institut befindet sich für das kommende Jahr mit seiner Wachstumseinschätzung am unteren und mit seiner Inflationseinschätzung am oberen Rand des aktuellen Prognosespektrums.
Der BVR geht in seiner aktuellen Konjunkturprognose davon aus, dass das BIP Deutschlands 2022 um 4,5 % steigen wird, nach einem prognostizierten Zuwachs um 2,7 % im laufenden Jahr. Bezüglich der Inflationsrate rechnet der BVR mit einem Rückgang von voraussichtlich 3,1 % im Jahr 2021 auf 2,6 % im Jahr 2022.
Geschäftsklima trübt sich weiter ein
Zum Jahresende hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft weiter verschlechtert. Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Dezember den sechsten Monat in Folge gesunken, gegenüber November um 1,9 auf 94,7 Punkte. Maßgeblich für den jüngsten Rückgang des Frühindikators war das Geschäftsklima im Dienstleistungssektor und im Handel, das sich angesichts der verschärften Pandemielage stark eintrübte. Insbesondere im Tourismus und im Gastgewerbe verschlechterten sich die Umfragewerte erheblich. Im Baugewebe hat sich die Stimmung hingegen weniger deutlich eingetrübt. Im Verarbeitenden Gewerbe hat sich das Geschäftsklima sogar, entgegen dem allgemeinen Trend, etwas aufgehellt. Grund hierfür waren allein die Geschäftserwartungen für das nächste halbe Jahr, die von den befragten Industrieunternehmen etwas optimistischer beurteilt wurden als zuvor. Angesichts nochmals verschärfter Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen haben die Umfrageteilnehmer des Verarbeitenden Gewerbes ihre aktuelle Lage aber schlechter eingeschätzt. Insgesamt verdichten sich mit den jüngsten Umfrageergebnissen des ifo Instituts die Signale, die auf ein konjunkturell schwaches Winterhalbjahr in Deutschland deuten.
Produktionsplus der Euroraum-Industrie
Trotz der vielfach anhaltenden Materialknappheiten haben die Industriebetriebe des Euroraums ihren Ausstoß zuletzt etwas erhöhen können. Nach vorläufigen Angaben von Eurostat ist die Industrieproduktion im Oktober gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 1,1 % gestiegen. Im September hatte sie noch leicht nachgegeben, um 0,2 %. Das Wachstum war innerhalb der Industrie breit angelegt. Mit Ausnahme der Vorleistungsgüterproduzenten wiesen alle industriellen Hauptgruppen einen Anstieg auf. Besonders deutlich legte die Erzeugung bei den Investitionsgüterproduzenten (+3,0 %) zu. Die jüngsten Auftragsentwicklung lässt für die nahe Zukunft eine Fortsetzung des Produktionswachstums erwarten. So ist der Order-Indikator der EU-Kommission im November erneut gestiegen, im Vormonatsvergleich um 1,1 Punkte auf 14,8 Punkte. Ob die hohen Aufträge auch abgearbeitet werden können, hängt aber nicht zuletzt von der weiteren Entwicklung der Materialknappheiten ab.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR