Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 21.11.2022

  • Inflation: Verfrühte Hoffnung hält an
  • Aktien: Erholung verlangsamt sich
  • Anleihen: Renditen im Rückwärtsgang
  • Devisen: Euro gewinnt
  • Rohstoffe: Ölpreis fällt
  • Konjunkturerwartungen stabilisieren sich
  • Schwächerer Beschäftigungsaufbau
  • Höhere Euroraum-Industrieproduktion
  • Euroraum-BIP-Zuwachs bestätigt

Inflation: Verfrühte Hoffnung hält an

Getrieben von den niedriger als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten hielt auch in der vergangenen Woche der Optimismus an den internationalen Finanzmärkten an. In Deutschland stieg der Dax über 14.000 Punkte, nachdem er noch Anfang Oktober mit der Grenze von 12.000 Punkten kämpfte. Fast parallel fielen die Renditen von Staatsanleihen beiderseits des Atlantik zurück. Der Euro gewann und konnte sich in der letzten Woche leicht oberhalb der Parität zum Dollar behaupten.

Die tatsächlichen Inflationszahlen in der Eurozone sind aber deutlich verhaltener. Die Kerninflation der Eurozone lag im Oktober bei 5 % zum Vorjahresmonat, wie Eurostat unter der vergangenen Woche bestätigte. Sie hat damit seit Anfang 2022 in jedem Monat zugenommen und im Oktober einen vorläufigen Höchststand erreicht.

Relevanter als die Zahl sind aber ihre Details: Im Schatten der Energiepreise nimmt der Preisauftrieb in der Breite zu. Die Nahrungsmittelpreise (inkl. Alkohol und Tabak) stiegen im Oktober in der Eurozone um 13,1 % zum Vorjahresmonat, nach 11,8 % im September. Im gleichen Zeitraum beschleunigte sich die Inflation bei Nicht-Energie- Industriegütern von 5,5 auf 6,1 %. Der Inflationsdruck in der Eurozone ist also weiterhin stark. Davon zeugen auch die Lohnsteigerungen in der Metall- und Elektroindustrie von 5,2 % zum Juni 2023 zuzüglich steuerfreier Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro und einer weiteren Erhöhung von 3,3 % im Mai 2024.

Diese Zahlen deuten zwar, wie auch die zuletzt stagnierende Dienstleistungsinflation von 4,3 % zum Vorjahresmonat, auf ein Abflachen der Inflation hin. Sie verheißen aber nicht, dass die Inflation bereits auf das Zweiprozentziel der Notenbanken zurückfällt. Daraus folgt, dass die EZB im Dezember womöglich doch einen weiteren großen Zinsschritt um 75 Basispunkte gehen könnte – und dieses Niveau länger halten müsste. Gleiches gilt für die US-Notenbank Fed.

Des Weiteren bedeutet die Breite der Inflation, dass ein Überwälzen des Preisdrucks stattfindet. Da die Lohnzuwächse weiterhin unterhalb der Inflationsrate liegen, bedeutet das nicht unbedingt eine Lohn-Preis-Spirale. Es deutet jedoch auf eine längere Phase erhöhter Inflation hin, bis realwirtschaftlicher Rezessionsdruck die Preisüberwälzung bremsen kann. Die Euphorie an Aktien- und Finanzmärkten wirkt daher verfrüht.

Aktien: Erholung verlangsamt sich

Der Dax gewann in der vergangenen Woche 1,46 % auf 14.431 Punkte. Kurzfristig könnte der Aufwärtstrend anhalten. Mit kälteren Temperaturen und dann steigenden Energiepreisen sowie der Abkühlung der Weltwirtschaft dürfte er mittelfristig aber zum Erliegen kommen. An den USMärkten zeigt sich womöglich bereits eine Rückkehr der Vorsicht. Das Nasdaq verlor 1,57 %. Damit liegt er weiterhin 12,27 % unter seinem Wert vor drei Monaten. Zum Vergleich: Der konventioneller besetzte Dow Jones liegt bereits wieder auf seinem Niveau von vor drei Monaten, der Dax sogar darüber.

Anleihen: Renditen im Rückwärtsgang

Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe fiel n der vergangenen Woche um 14 Basispunkte auf 2,02 %. Neben Hoffnungen auf kleinere Zinsschritte dämpfen auch die Aussichten auf eine schwächere Wirtschaftsentwicklung die Anleiherenditen. Folglich fielen die Renditen auch bei anderen europäischen Anleihen wie denen Italiens (-32 Basispunkte, 3,89 %) oder Großbritanniens (- 12 Basispunkte, 3,24 %). Dabei handelt es sich jedoch auch um eine Pause gegen den größeren Trend, in dem die Rendite der deutschen Staatsanleihe von -0,64 % während des Lockdowns im Winter 2020 auf nunmehr eben + 2,02 % gestiegen ist.

Devisen: Euro gewinnt

Der Euro hielt sich in der vergangenen Woche mit einer Veränderung von – 0,28 % auf einem Wert um 1,03 Dollar pro Euro. Gegenüber dem Korb der wichtigsten Handelspartner legte die Gemeinschaftswährung zu, um 0,61 %. Der Euro stabilisiert sich hiermit, allerdings weiterhin auf niedrigem Niveau. Die schlechteren Aussichten der europäischen Wirtschaft aufgrund der Energiekrise sind hier ausschlaggebend.

Rohstoffe: Ölpreis fällt

Mit den Konjunkturaussichten fällt traditionell auch der Ölpreis. Trotz der Angebotsknappheiten infolge des russischen Krieges gilt das weiterhin. So sank der Preis für das Barrel Brentöl um 7,72 % auf 88,93 Dollar. Der Preis des amerikanischen Referenzöls WTI sank hingegen um 10,18 % auf 80,07 Dollar, ein Zeichen für die angespanntere Energiesituation der EU wegen der Abhängigkeit von Russland bzw. die Umstrukturierungen in ihrer Folge. Auf die vergangenen zwei Jahre verteuerte sich der Brentpreis um 107,25 %, der WTIPreis um nur 92,29 %.

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Konjunkturerwartungen stabilisieren sich

Im November habe sich die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland weiter gefestigt. Der auf einer monatlichen Umfrage unter Finanzmarktfachleuten beruhende Stimmungsindikator ist um deutliche 22,5 Punkte auf -36,7 Punkte gestiegen. Der Indikator hatte bereits im Oktober seine mit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges in der Ukraine begonnene Talfahrt nicht weiter fortgesetzt und war leicht gestiegen. Er befindet sich aber noch immer sichtlich im negativen Bereich und signalisiert, dass die Umfrageteilnehmer nach wie vor überwiegend mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den kommenden sechs Monaten rechnen. Zur jüngsten Aufhellung der Konjunkturerwartungen trug die vermehrte Hoffnung auf einen baldigen Rückgang der hohen Inflationsraten bei, der weniger energische Reaktionen der Geldpolitik erforderlich machen würde. Stimmungsverbessernd dürfte aber auch die ersten Daten zum gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im 3. Quartal gewirkt haben. Diese fielen erheblich günstiger aus als allgemein erwartet und nährten das Vertrauen in die hiesige konjunkturelle Entwicklung. Neben den Perspektiven haben die befragten Fachleute auch die aktuelle Lage zuversichtlicher bewertet als zuvor. Der entsprechende ZEW-Lage-Indikator stieg um 7,7 auf - 64,5 Punkte. Die weiterhin sehr niedrigen Niveaus der beiden ZEW-Indikatoren lassen erwarten, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum Deutschlands im Winterhalbjahr 2022/23 zum Stillstand kommen wird. Erst ab dem Frühjahr 2023 ist wieder mit einer Rückkehr auf dem Wachstumspfad zu rechnen.

Schwächerer Beschäftigungsaufbau

Vor dem Hintergrund der eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten hat der Beschäftigungsaufbau hierzulande merklich an Fahrt verloren. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, ist die Zahl der Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland im 3. Quartal gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 20.000 auf 45,56 Mio. Menschen gestiegen. Im 2. Quartal hatte die Erwerbstätigenzahl noch um 120.000 zugelegt. Auch in der Betrachtung zum Vorjahresquartal hat sich die Dynamik deutlich vermindert. Verglichen mit dem 3. Quartal 2021 lag die Erwerbstätigenzahl im 3. Quartal 2022 um 490.000 im Plus. Im 2. Quartal 2022 hatte sie ihren entsprechenden Vorjahresquartalswert noch um 669.000 Personen übertroffen. Hauptreiber des Wachstums gegenüber dem Vorjahresquartal blieb der Dienstleistungssektor. Hier legte die Erwerbstätigenzahl im Sommerquartal um 450.000 Personen zu, wobei der größte absolute Beschäftigungsgewinn im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit mit 163.000 Personen zu verzeichnen war. Im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleister dauert hingegen die langjährige Abwärtsbewegung an. Hier ist die Erwerbstätigenzahl im 3. Quartal um 11.000 Personen zurückgegangen.

Höhere Euroraum-Industrieproduktion

Ungeachtet des eingetrübten Konjunkturumfelds ist die Industrieproduktion des Euroraums im September nochmals gestiegen. Gemäß vorläufigen Angaben von Eurostat legte der Ausstoß gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,9 % zu, nachdem er sich im August um 2,0 % erhöht hatte. Innerhalb der Industrie zeigten sich aber teilweise sehr unterschiedliche Tendenzen. So sank die Produktion im Energiesektor um 1,1 %, während sie bei den Herstellern von Verbrauchsgütern um merkliche 3,6 % ausgeweitet wurde. Zum Jahresende dürfte die Produktion insgesamt eher zurückgehen als steigen. Dies legt zumindest der Order-Indikator der EUKommission nahe. Dieser ist bereits seit April merklich abwärtsgeneigt und lag zuletzt, im Oktober, mit 0,1 Punkten nur noch minimal im positiven Bereich.

Euroraum-BIP-Zuwachs bestätigt

Gemäß aktuellen amtlichen Daten ist das preis-, kalender- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums im 3. Quartal um 0,2 % gestiegen und somit deutlich schwächer als im Vorquartal (+0,8 %). Eurostat hat damit das zentrale Ergebnis seiner Ende Oktober veröffentlichten ersten Schätzungen bestätigt. Unter den Euroraum- Schwergewichten wies neben Deutschland (+0,3 %) auch Italien (+0,5 %) ein überdurchschnittliches Wachstum aus. In Frankreich und in Spanien (jeweils +0,2 %) expandierte das BIP hingegen im Gleichschritt mit der Gesamtentwicklung. Wichtige Gründe für das Nachlassen der konjunkturellen Auftriebskräfte im Sommerquartal sind einerseits die vermehrten Belastungen durch den Ukrainekrieg, die sich unter anderem in Kaufkraftverlusten wegen stärker steigenden Verbraucherpreisen zeigen, und andererseits die vorangeschrittene Erholung vom pandemiebedingten Einbruch des 1. Halbjahres 2020, die zuvor das Wachstum merklich beförderte. Erste Angaben zur Entwicklung der BIP-Verwendungskomponenten (Konsum, Investitionen und Außenhandel) plant Eurostat am 7. Dezember vorzulegen.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR