Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur
Wocheninfo vom 22.05.2023
- Die Dramaturgie der Schuldengrenze
- Von der US-Bankenkrise zur EU-Bankenunion?
- Aktien: Aufwärts mit der Schuldengrenze
- Anleihen: Doch weitere Fed-Erhöhungen?
- Devisen: Dollar gestärkt
- Rohstoffe: Öl stabilisiert
- ZEW-Konjunkturerwartungen geben erneut nach
- Erwerbstätigenzahl weiter gestiegen
- Euroraum-Industrieproduktion deutlich gesunken
- Anstieg der Euroraum-Inflationsrate bestätigt
Die Dramaturgie der Schuldengrenze
Die Finanzmärkte profitierten in der vergangenen Woche von Hoffnungen, dass die US-Schuldengrenze bald erhöht werden könnte. Der gegenwärtig zum Monatsende drohende Zahlungsaus-fall der USA würde dann ausbleiben. In der Folge stieg der Außenwert des Dollar und legten die Aktienmärkte zu.
Diese Hoffnungen bestätigten die Prognosen der Finanzmärkte. Dem Optimismus genügten daher Aussagen vom republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, die Gespräche seien professionell gewesen und er könne „einen Pfad sehen“, zu einer Lösung zu kommen. Auf der Gegenseite hatte der demokratische Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer erklärt, es seien gute Fortschritte erzielt worden.
Am Wochenende hingegen spitzte sich wieder die Dramaturgie zu: US-Präsident Joe Biden kürzte seine Reisepläne nach dem G7-Gipfel, um persönlich mit McCarthy zu verhandeln. Zuvor warnte er vor unberechenbaren Republikanern, die den US-Zahlungsausfall riskieren könnten. Die Republikaner ihrerseits nannten die demokratischen Vorschläge unvernünftig. Ob es sich hierbei um Vorwahlgeplänkel handelt oder eine Einigung tatsächlich gefährdet ist und damit ein US-Zahlungsausfall denkbar, wird diese Woche zeigen.
Von der US-Bankenkrise zur EU-Bankenunion?
In der Eurozone hingegen diskutieren Vertreter der EZB über Lehren aus der Bankenkrise in den USA und der weiteren Inflationsbekämpfung. Im Spannungsfeld zwischen Krisen, Wirtschaftspolitik und dem eigenen Mandat der Preisstabilität sprechen sich die Bankiers für bessere Institutionen und damit die Vollendung der Bankenunion aus.
Luis de Guindos, Vizepräsident der EZB, erklärte beim 18. Branchentreffen des Finanzsektors, die europäischen Banken seien besser reguliert als US-Regionalbanken und auch deshalb solventer. Zugleich mahnte er an, die Regulierung im Sinne der Bankenunion, um eine europäische Einlagen-sicherung und einen europäischen Liquiditätsrahmen für Banken in Abwicklung auszubauen.
Ähnlich äußerte sich Präsidiumsmitglied Isabel Schnabel am Freitag, dem 19. Mai, in London: Wirtschafts- wie Geldpolitik bräuchten vernünftige Rahmen, um sich nicht gegenseitig zu blockieren. Für die Geldpolitik gehörten dazu Finanz-regulierung und Aufsicht – und dazu ebenfalls die Bankenunion.
Aktien: Aufwärts mit der Schuldengrenze
Der DAX verbesserte sich in der vergangenen Woche um 2,27 % auf 16.275,38 Punkte. Der 2022 stark von der Zinswende getroffene, technologielastige Nasdaq legte sogar um 3,04 % zu, während der breite S&P 500 1,65 % gewann. Gemein-same Ursache sind die unter der Woche aufkommenden Hoffnungen auf eine schnelle, schmerz-freie Lösung des US-Schuldenstreits. Zusammen mit den zuletzt besser als erwartet ausfallenden Konjunkturdaten genügte dies, um etwa den DAX auf sein Allzeithoch zu schicken.
Anleihen: Doch weitere Fed-Erhöhungen?
Die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen legten in der vergangenen Woche zu. Die entsprechende deutsche Anleihe warf 2,42 % ab (+ 15,7 Basis-punkte), der gleichlange US-Bond 3,65 % (+ 19,2 Basispunkte). Dahinter stehen indirekt auch die Hoffnungen im Schuldenstreit, da sie Spekulationen über weitere Zinsschritte der Fed den Weg geebnet haben. Bisher waren die Märkte von einer Pause ausgegangen, doch einzelne Fed-Ver-treter wie Dallas-Fed-Chefin Lorie Logan brachten eine weitere Erhöhung zurück in die Diskussion. Diese weitet sich dann auch auf Schätzungen für die EZB aus. Ein anderer, vielleicht bedeutender Grund ist aber die weiterhin hohe Nervosität und Volatilität am Markt.
Devisen: Dollar gestärkt
Der Euro verlor in der vergangenen Woche 0,42 % auf 1,08 Dollar pro Euro. Der Dollar profitierte hierbei von den Spekulationen um weitere Zinserhöhungen der Fed sowie den Hoffnungen auf eine Lösung im Schuldenstreit.
Rohstoffe: Öl stabilisiert
Die positive Stimmung der Aktienmärkte half den Ölpreisen. Brent verteuerte sich um 1,62 % auf 75,75 Dollar pro Barrel. Zum einen war der Kurs zuletzt womöglich zu stark gefallen, zum anderen bedeutet eine ausbleibende US-Schuldenkrise auch eine robustere Konjunktur und damit Öl-nachfrage.
Auf dem niederländischen Terminmarkt fiel zu-dem der Preis für den Tagesfuture Erdgas um 11,79 % auf 29,55 Euro pro Megawattstunde. Da-mit liegt er wieder ungefähr auf den Werten von Frühjahr und Sommer 2021, vor Russlands Krieg und Kriegsvorbereitungen gegen die Ukraine.
ZEW-Konjunkturerwartungen geben erneut nach
Im Mai wurden die wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands von Finanzmarktfachleuten erneut vorsichtiger bewertet. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind gegenüber dem Vormonat um 14,8 Punkte auf -10,7 Punkte gesunken, nachdem sie bereits im März und April sichtlich nachgegeben hatten. Der konjunkturelle Frühindikator befindet sich damit erstmals seit Dezember 2022 wieder im negativen Bereich. Neben den Erwartungen bewertete die befragten Fachleute auch die aktuelle Lage schlechter. Der entsprechende ZEW-Lageindikator ist von -32,5 Punkten im April auf -34,8 Punkte im Mai gesunken. Hauptgründe für den jüngsten Rückgang der beiden ZEW-Indikatoren dürften die schwachen März-Daten der hiesigen amtlichen Statistik und Sorgen um den möglichen staatlichen Zahlungsausfall in den USA sein. Die Stimmung kann sich aber rasch wieder aufhellen, wenn der US-Budgetstreit wie erhofft bald beigelegt wird und einige Sonderfaktoren aus dem März verschwinden. Die global nachlassenden Lieferkettenprobleme und die sich allmählich abschwächende Inflation lassen für das Sommerhalbjahr eine Belebung der gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands erwarten.
Erwerbstätigenzahl weiter gestiegen
Trotz der Konjunkturschwäche des Winterhalbjahres 2022/23 ist die Erwerbstätigenzahl hierzulande weiterhin aufwärtsgerichtet. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes legte die Zahl der Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland im 1. Quartal gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 150.000 auf knapp 45,9 Mio. Menschen zu. Der Anstieg hat sich damit gegenüber dem 4. Quartal (+118.000) etwas beschleunigt. Im Vergleich zum 1. Quartal 2022 kletterte die Zahl der Erwerbstätigen im 1. Quartal 2023 um 446.000 Personen, was einer Wachstumsrate von 1,0 % entspricht. Zentraler Wachstumstreiber blieb der Dienstleistungssektor (+388.000 Personen; +1,1 %). Aber auch im Produzierenden Gewerbe ohne Baugewerbe (+37.000 Personen; +0,5 %), im Baugewerbe (+17.000 Personen; +0,7 %) und in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (+4 000 Personen; +0,8 %). ist die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen. Im Dienstleistungssektor verzeichneten die Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe mit +123.000 Personen (+1,2 %) und Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit mit +106.000 Personen (+0,9 %) die größten absoluten Beschäftigungsgewinne. Bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern kam es allerdings zu einem abermaligen Rückgang der Erwerbstätigenzahl (-1.000 Personen; -0,1 %).
Euroraum-Industrieproduktion deutlich gesunken
Die Industrieproduktion des Euroraums konnte zuletzt nicht an die positive Entwicklung vom Jahresbeginn anknüpfen. Gemäß vorläufigen Angaben von Eurostat ist die Erzeugung im März gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um deutliche 4,7 % gesunken. Damit wurden die Anstiege vom Januar (+0,6 %) und Februar (+1,5 %) zunichte gemacht. Maßgeblich für den Rückgang waren die Hersteller von Investitionsgütern, die ihren Ausstoß um 15,4 % verminderten. Aber auch im Energiesektor (-0,9 %) und bei den Herstellern von Verbrauchsgütern (- 0,8 %) war die Produktion rückläufig. Lediglich bei den Herstellern von Gebrauchsgütern (+2,8 %) kam es zu einem Zuwachs. Die Auftragsentwicklung spricht dafür, dass die Industriekonjunktur im Euroraum in den nächsten Monaten zunächst gedämpft bleiben wird. So ist der Order- Indikator der EU-Kommission zuletzt merklich gesunken. Der auf einer monatlichen Umfrage unter Industrieunternehmen beruhende Indikator verminderte sich von -2,3 % im März auf - 5,7 Punkte im April, nachdem er in den Vormonaten kaum Bewegungen zeigte.
Anstieg der Euroraum-Inflationsrate bestätigt
Eurostat hat inzwischen auch detaillierte Angaben zur jüngsten Entwicklung der Verbraucherpreise veröffentlicht und dabei das zentrale Ergebnis seiner Anfang Mai publizierten vorläufigen Angaben bestätigt. Demnach ist die Inflationsraten des Euroraums, basierend auf der jährlichen Veränderung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), geringfügig von 6,9 % im März auf 7,0 % im April gestiegen. Für einzelne Preisgruppen zeigten sich aber unterschiedliche Tendenzen: Während sich der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln etwas verminderte (+13,5 % nach +15,5 % im März), nahm er bei Dienstleistungen weiter zu (+5,2 % nach +5,1 %), offensichtlich befördert durch die jüngsten Lohnerhöhungen und Margenausweitungen. Auch für Energie mussten die Verbraucher wieder mehr Geld aufwenden, nachdem es hier im März zu einem Preisrückgang gekommen war (+2,4 % nach -0,9 %). Die hohe Teuerung dürfte erst allmählich nachlassen. Hierauf deutet auch die Preisentwicklung auf der Erzeugerstufe hin. Der Anstieg der Industrie-Erzeugerpreise hat sich zwar zuletzt weiter verminderte, von 13,4 % im Februar auf 5,9 % im März. Erfahrungsgemäß vergeht jedoch eine gewisse Zeit, bis die Anstiege auf dieser vorgelagerten Stufe vollständig auf der Verbraucherstufe ankommen.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR