Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 25.07.2022

  • Der Abschied der EZB vom Negativzins
  • Aktienmärkte im Erholungsmodus
  • Divergenzen an den Anleihemärkten
  • Euro erholt sich geringfügig
  • Gaspreis steigt, Brent-Preis fällt
  • Erzeugerpreisanstieg lässt etwas nach
  • Wenige Baugenehmigungen
  • Nochmals höherer Auftragsbestand
  • Weiterer Anstieg der Euroraum-Inflationsrate bestätigt

Der Abschied der EZB vom Negativzins

Elf Jahre nach ihrer letzten Zinserhöhung, zehn Jahre nach Mario Draghis „Whatever it takes“ in der Staatschuldenkrise erhöhte die EZB am 21. Juni 2022 ihren Leitzins und beendete die Ära der Negativzinsen sowie (vorläufig) die des „Forward Guidance“. Anders als im Juni angekündigt, griff die EZB zu einem Zinsschritt von 0,5 % – getrieben von gestiegenen Inflationsrisiken. Der Einlagezins liegt nun bei 0,00 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 0,50 % und der Spitzensatz bei 0,75 %. Für den September stellte die EZB eine weitere Erhöhung in Aussicht, deren Höhe ab sofort nach der Datenlage zur Sitzung entschieden wird.

Verglichen mit anderen westlichen Notenbanken ist die EZB dennoch ein Nachzügler. Die Fed begann ihre restriktivere Geldpolitik am 16. März, ihr Zinssatz liegt inzwischen bei 1,5 bis 1,75 % und wird kommende Woche wohl erneut um 75 Basispunkte erhöht. Andere europäische Notenbanken wie die Norwegens oder Schwedens erhöhen seit dem Frühjahr ihre Leitsätze. Wieder andere wie die Bank of England oder die polnische NDP erhöhen bereits seit Ende 2021 ihre Leitzinsen – auf nunmehr 1,25 beziehungsweise 6,5 %.

Gründe für das Zögern der EZB finden sich in der Heterogenität der Währungsunion und der Erinnerung an die Staatsschuldenkrise. Mit jeder Zinserhöhung rückt über die höheren Finanzierungskosten die Sorge vor einer Neuauflage dieser Krise in den Vordergrund. Die EZB reagiert hierauf mit dem TPI („Transmission Protection Instrument“), das spekulative Marktstörungen auf den Finanzmärkten durch Anleihekäufe unterbinden soll. Dieses neue Instrument soll nur in außerordentlichen Notlagen verwendet werden.

TPI reiht sich damit neben den nunmehr flexiblen (statt an Kapitalschlüssel gebundenen) Reinvestitionen der APP- und PEPP-Anleihen und OMT in die Riege grenzwertiger Instrumente der EZB ein. Jedes Anleihekaufprogramm liegt in der Grauzone zur Staatsfinanzierung. Die EZB hat erklärt, TPI nur gegen nicht fundamental berechtigte, die Durchsetzung ihrer Geldpolitik beeinträchtigende Entwicklungen an den Anleihemärkten einzusetzen. Betroffene Staaten müssen eine tragfähige und nachhaltige Fiskalpolitik vorweisen können. Die endgültige Entscheidung hierüber trifft jedoch der EZB-Rat – und voraussichtlich die Verfassungsgerichte. Mit der politischen Krise in Italien steht der erste Test bereits bevor.

Aktienmärkte im Erholungsmodus

Eine Abwesenheit von schlechten Nachrichten genügte den Aktienmärkten in der Vorwoche für eine teils deutliche Erholung von den Verlusten des Jahres. Der DAX gewann 3 %, der Euro Stoxx 50 3,4 %. Hierbei wurde er von der Erleichterung über die Wiederbefüllung von Nord Stream I (NS1) mit vierzigprozentiger Kapazität unter-stützt. Durch diese Untererfüllung der Liefer-pflichten bleibt der Gaspreis jedoch hoch und das russische Erpressungspotential erhalten; damit auch das Risiko der Abschaltung oder Eskalation.

Jenseits des Atlantiks erholten sich auch die US-Märkte, wobei der gebeutelte Nasdaq am stärksten zulegte (+ 3,3 %). Die chinesische Börse er-holte sich trotz der Sorgen um den wichtigen Immobiliensektor und die Konjunkturbelastung

Divergenzen an den Anleihemärkten

Die Anleiherenditen gingen in der vergangenen Woche wieder zurück. So schloss die zehnjährige US-Anleihe mit 2,78 % Rendite, also 15 Basispunkte niedriger. Im Euroraum stiegen die Anleiherenditen bis zur Sitzung des EZB-Rates und fielen danach. Im Fall der deutschen zehnjährigen Anleihe um 10,5 Basispunkte auf 1,02 %. Anders jedoch die Entwicklung bei den italienischen An-

leihen: Der Rücktritt von Mario Draghi, ebenfalls am 21. Juli, ließ die Kurse fallen. Am Freitag stabilisierten sie sich jedoch, so dass die Rendite im Wochenverlauf nur um 6,5 Basispunkte auf 3,4 % stieg.

Euro erholt sich geringfügig

EZB-Präsidentin Lagarde nannte die Abwertung des Euro zum Dollar als einen Faktor für den größeren Zinsschritt der EZB, da hierdurch Inflation importiert wird. In Anbetracht der größeren Zins-schritte der Fed und des sicheren Hafens USA verblasste die Maßnahme der EZB aber, weshalb sich der Euro nur um 1,2 % auf 1,02 Dollar pro Euro stabilisieren konnte.

Gaspreis steigt, Brent-Preis fällt

Obwohl Russland NS1 wieder teilweise befüllt hat, stiegen die Gasfutures in Amsterdam über die vergangene Woche um weitere 5,4 %. Denn, wie gesagt, das russische Erpressungs- und Störungspotential ist bewiesen und wird daher so lange ausgenutzt werden, wie die Abhängigkeit besteht. Am Ölmarkt hingegen dominieren die Rezessionsängste. So verlor der US-Referenzpreis WTI 1,9 % und die Nordseesorte Brent 4,9 % für einen Wochenendkurs von 106,8 Dollar pro Barrel.

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Erzeugerpreisanstieg lässt etwas nach

Ausgehend von einer ausgesprochen hohen Dynamik hat der Auftrieb der Erzeugerpreise gewerblicher            Produkte in Deutschland etwas nachgelassen. Der amtliche Erzeugerpreiseindex lag im Juni um 32,7 % über seinem Vorjahresmonatswert. Im Mai waren die Erzeugerpreise noch um 33,6 % gestiegen und damit so stark wie noch nie seit Beginn ihrer Erhebung im Jahr 1949. Haupttreiber des Gesamtindexes sind weiterhin die Energiepreise. Diese verteuerten sich im Juni um 86,1 %, befördert vor allem durch Erdgas in der Verteilung (+141,1 %) und durch elektrischen Strom (+93,3 %). Sehr kräftige Preissteigerungen waren zudem bei den Vorleistungsgütern zu verzeichnen, die sich binnen Jahresfrist um 22,3 % verteuerten. Den höchsten Einfluss auf die Entwicklung in dieser Hauptgruppe hatten die Metallpreise (+33,6 %). Aber auch in anderen Vorleistungsgüterbereichen kam es zu überdurchschnittlichen Preiserhöhungen, etwa bei Düngemitteln und Stickstoffverbindungen (+104,4 %), Papier und Pappe (+51,2 %) sowie Getreidemehl (+48,4 %). Die Preissteigerungen bei Verbrauchs- (+14,7 %), Gebrauchs- (+10,5 %) und Investitionsgütern (+7,4 %) waren demgegenüber erneut moderater. Ungeachtet des leichten Rückgangs vom Juni geht von den Erzeugerpreisen insgesamt nach wie vor ein beträchtlicher Aufwärtsdruck auf die Preisentwicklung der Verbraucherstufe aus. Der Verbraucherpreisindex (VPI) lag im Juni um 7,6 % über seinem Vorjahresmonatsstand, nachdem er im Mai um 7,9 % zugelegt hatte. Hauptverantwortlich für den leichten Rückgang des Verbraucherpreisanstiegs waren die Einführung des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts. Für Juli zeichnet sich wegen des Wegfalls der EEG-Abgabe ein weiterer leichter Rückgang der hohen Inflationsrate ab.

Wenige Baugenehmigungen

Angesichts steigender Hypothekenzinsen, hoher Baupreise, erheblicher Material- und Personalengpässe sowie großer Unsicherheiten hat die Baukonjunktur in Deutschland an Schwung verloren. Dies zeigt sich auch in den jüngsten amtlichen Daten zu den Baugenehmigungen im wichtigen Wohnungsbau. Demnach wurde im Mai bundesweit der Bau von 31.688 Wohnungen genehmigt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist damit gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat um 2,1 % gesunken. In dem etwas längeren und daher von kurzfristigen Schwankungen weniger stark betroffenen Zeitraum von Januar bis Mai gab die Zahl der Baugenehmigungen in ähnlicher Größenordnung um 1,6 % auf 155.347 nach. Ein Großteil dieser Genehmigungen bezog sich auf neu zu errichtende Wohngebäude. Hier verminderten sich die Genehmigungen um 1,5 % auf 135.133. Ursächlich war allein die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser, die um 17,8 % auf 34.809 sank. Bei den Zweifamilienhäusern und den Mehrfamilienhäusern stieg die Zahl genehmigter Wohnungen hingegen an: um 2,1 % auf 14.076 beziehungsweise um 9,1 % auf 83.308. Alles in allem legen die Baugenehmigungen nahe, dass die Bauproduktion nach einem auch witterungsbedingt wachstumsstarken 1. Quartal im weiteren Jahresverlauf eher verhalten sein wird.

Nochmals höherer Auftragsbestand

Trotz des schwierigen gewordenen konjunkturellen Fahrwassers hat sich der Auftragsbestand des hiesigen Verarbeitenden Gewerbes nochmals erhöht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Auftragsbestand im Mai gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,5 % gestiegen. Maßgeblich für den Anstieg waren die offenen Aufträge aus dem Inland die um überdurchschnittlich hohe 0,7 % zulegten. Die offenen Aufträge aus dem Ausland expandierten hingegen mit 0,3 % weniger deutlich. Grund für die neuerliche Zunahme der Bestände sind die anhaltend hohen Knappheiten bei Vorprodukten, nicht zuletzt wegen des Kriegs in der Ukraine und der pandemiebedingten Hafenschließungen in China. Vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Material- und Logistikengpässe übersteigt das Auftragseingangsvolumen weiterhin das Umsatzvolumen. Die Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes waren im Mai um 0,1 % gestiegen, gestützt durch eine höhere Auslandsnachfrage (siehe Abbildung).

Weiterer Anstieg der Euroraum-Inflationsrate bestätigt

Im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland hält im Euroraum als Ganzes der Höhenflug der Verbraucherpreise an. Nach inzwischen bestätigten Angaben von Eurostat ist der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 % gestiegen. Im Mai hatte die Inflationsrate noch bei 8,1 % gelegen. Maßgeblich für den weiteren Anstieg der Gesamtrate waren die Energiepreise. Diese legten im Zuge kriegsbedingt höherer Rohöl- und Gasnotierungen im Juni um kräftige 42,0 % zu und damit stärker als im Mai (+39,1 %). Auch für Nahrungsmittel mussten die Verbraucher mehr Geld aufwenden als zuvor (+8,2 % nach +7,5 % im Mai).

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR