Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 31.10.2022

  • EZB ändert TLTRO-Regeln und ist vorsichtig aufgrund drohender Rezession
  • Aktien: Kursgewinne durch Hoffnung auf Ende der Leitzinsanstiege
  • Anleihen: Renditenrückgang in der Breite
  • Euro: Weiter im Bereich der Parität
  • Ölpreis steigt, Gas fällt nur kurzfristig
  • Inflationsrate auf 10,4 % gestiegen
  • Unerwarteter BIP-Zuwachs im 3. Quartal
  • Geschäftsklima stagniert auf niedrigem Stand
  • Konsumklima scheint sich ebenfalls zu stabilisieren

EZB ändert TLTRO-Regeln und ist vorsichtig aufgrund drohender Rezession

Am Donnerstag, dem 27. Oktober, verkündete die EZB ihre dritte Zinserhöhung in Folge, die zum zweiten Mal in ihrer Geschichte 75 Prozentpunkte umfasste. Damit steht die Hauptfinanzierungsrate nun bei 2 % nach noch 0 % zur Jahresmitte. Die Einlagenfazilität ist parallel von -0,5 % auf 1,5 % gestiegen. Doch auch die Inflation, die mit diesen Schritten bekämpft werden soll, stieg weiter von 5 % im Januar auf 9,9 % im September. Zuletzt lag selbst die Kernrate (ohne Energie, Nahrung, Alkohol und Tabak) bei 4,8 %.

Auch die Inflationserwartungen per EZB-Befragung SPF sind im Oktober weiter gestiegen. Für 2022 werden 8,3 % erwartet, für 2023 5,8 % und für 2024 noch 2,4 %. Als Gründe nennen die Be-fragten Zweitrundeneffekten bei Preisen und Löhnen. Auch deshalb dürften ihre langfristigen Inflationserwartungen mit 2,2 % weiterhin leicht oberhalb des EZB-Ziels von 2 % liegen. Eine restriktivere Geldpolitik der Notenbank erscheint aus dieser Sicht weiterhin geboten.

Auf der anderen Seite steht der wirtschaftliche Ausblick: Die höheren Inflationserwartungen und die Energiekrise lassen trotz unerwartet robuster BIP-Zahlen die Wachstumserwartungen sinken. So gehen die von der EZB-Befragten für 2023 von Stagnation beim BIP der Eurozone aus (+0,1 %). Da eine schlechtere Konjunktur Zweitrundeneffekte dämpfen könnte, will die EZB diese Entwicklungen in ihren Zinspfad einfließen lassen. Die Märkte werten das als ein Signal der EZB für eine flachere Zinsentwicklung– ob der hohen, anhaltenden Inflation ein eher verfrühtes Signal. EZB-Präsidentin Lagarde hielt sich zur weiteren Zinsentwicklung wohl auch deshalb sehr bedeckt.

Als weitere geldpolitische Maßnahme veränderte die EZB nachträglich die Vertragskonditionen für ihr laufendes TLTRO-Programm aus den Pandemie- und Negativzinszeiten. Die dort vereinbarten sehr günstigen Zinssätze wird sie zum 23. November erhöhen und an ihre Leitzinsen anpassen. Recht offen kommuniziert die EZB, damit eine vorzeitige Rückzahlung der TLTRO-Kredite anzustreben. Diese würde auch die Liquidität in den Finanzmärkten verringern, was im Sinne der geldpolitischen Straffung wäre und als Grundange-führt wird. Der Preis dafür ist jedoch, dass die Verlässlichkeit der EZB hinsichtlich längerfristiger Geldgeschäfte nun nicht mehr einfach vorausgesetzt werden kann.

Ein einfacherer und effektiverer Weg zur Liquiditätssenkung hätte darin bestanden, den Abbau der Anleihebestände der Notenbank anzukündigen oder sogar zu beginnen. Eine nicht mehr voll-ständige Reinvestition wäre ein logischer Schritt gewesen. Doch die Diskussion hierüber vertagte die EZB auf Dezember. Für das Pandemiekaufpro-gramm PEPP erklärte sie sogar, frühestens Ende 2024 die Reinvestitionen einzustellen. Insgesamt ist das Vorgehen der Zentralbank somit trotz des großen Zinsschrittes als eher vorsichtig bis taubenhaft zu bewerten.

Aktien: Kursgewinne durch Hoffnung auf Ende der Leitzinsanstiege

Die großen westlichen Aktienindizes legten in der vergangenen Woche zu, sogar der von der Zins-wende gebeutelte Nasdaq (2,2) %. Der DAX konnte sogar 4 % gewinnen, ebenso der Euro Stoxx 50 und der S&P 500. Im Hintergrund steht die Hoffnung der Anleger, dass die Zeit der großen Leitzinsanstiege ausläuft und der Wirtschaftsrückgang durch Energiekrise, Geopolitik und Zinswende womöglich geringer ausfällt als erwartet.

Anleihen: Renditenrückgang in der Breite

Die Anleiherenditen fielen in der vergangenen Woche aus den Gründen, aus denen die Aktien-kurse stiegen: Die Hoffnung auf ein Ende der großen Zinsschritte. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe fiel um 35 Basispunkte auf 2,09 %. Stärker sank noch die Rendite der italienischen Anleihe: Um 62 Basispunkte auf allerdings immer noch 4,15 %. Die gleichlange US-An-leihe notiert bei 4,01 % Rendite.

Euro: Weiter im Bereich der Parität

Für einen Euro erhielt man am Ende der vergangenen Woche 0,997 Dollar. Damit hat die Gemeinschaftswährung ihren Wechselkurs im Wochen-verlauf auf niedrigem Niveau verteidigt und konnte sogar um 1,04 % zulegen. Gleiches gilt gegenüber dem breiteren Korb der Währungen ihrer wichtigsten Handelspartner. Die schlechteren Wirtschaftsaussichten der Eurozone gegenüber den USA und anderen Handelspartnern dämpfen das Potential des Euro.

Ölpreis steigt, Gas fällt nur kurzfristig

Das Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent notierte zu einem Schlusskurs von 87,9 Dollar, ein Plus von 2,8 % zum Wochenauftakt. OPEC-Förderkürzung und Veränderungen in den Konjunkturerwartungen könnten hier ursächlich sein. Der Gaspreis am Spotmarkt verlor aufgrund kurzfristiger Faktoren – warmer Herbst, volle Lager – erneut, diesmal um 12,4 %. Diese Entwicklung wird ob der realen Knappheiten nicht von Dauer sein.

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Inflationsrate auf 10,4 % gestiegen

In Deutschland hält der Höhenflug der Verbraucherpreise an. Nach vorläufigen amtlichen Angaben stieg der Verbraucherpreisindex (VPI) im Oktober um 10,4 % über seinen Vorjahresmonatswert. Im September lag die VPI-Inflationsrate bereits bei 10,0 %. Maßgeblich für den weiteren Anstieg der Inflationsrate waren in erster Linie die Dienstleistungspreise, die sich im Oktober stärker verteuerten als zuvor (+4,0 % nach +3,6 % im September). Die höchste Steigerungswirkung auf die Gesamtrate ging aber erneut von den Energie- und den Nahrungsmittelpreisen aus. Während sich der Preisauftrieb bei den Nahrungsmittelpreisen weiter erhöhte (+20,3 % nach +18,7 % im September) hat er sich bei den Energiepreisen geringfügig vermindert (+43,0 % nach +43,9 %). Dämpfend auf die Energiepreise wirkte unter anderem die im Oktober in Kraft getretene Mehrwertsteuersenkung für Erdgaslieferungen und Fernwärme von 19 % auf 7 %. In naher Zukunft ist einem weiteren Anstieg der Inflationsrate zu rechnen. Hierauf lässt unter anderem die Entwicklung der Erzeugerpreise schließen. Diese haben sich im September um 45,8 % verteuert und damit so stark wie noch nie seit Beginn ihrer Erfassung im Jahr 1949.

Unerwarteter BIP-Zuwachs im 3. Quartal

Trotz kräftiger Preiserhöhungen, gestörter Lieferketten und kriegsbedingt erhöhten Unsicherheiten zeigt sich die deutsche Wirtschaft bis zuletzt erstaunlich stabil. Gemäß der vorläufigen Schnellschätzung des Statistischen Bundesamtes ist das preis-, kalender- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 3. Quartal gegenüber dem Vorquartal überraschend um 0,3 % gestiegen. Die Wachstumsdynamik hat sich damit gegenüber dem Vorquartal (+0,1 %) etwas beschleunigt. Gemäß den amtlichen Angaben waren für den BIPZuwachs vor allem die weiter steigenden privaten Konsumausgaben verantwortlich. Mit dem Zuwachs wurde erstmals das vor dem Ausbruch der Coronakrise im 4. Quartal 2019 erreichte BIPNiveau übertroffen, wenn auch mit 0,2 % nur leicht. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist damit deutlich besser verlaufen als allgemein erwartet. Im Rahmen seiner Sommerkonjunkturprognose hatte der BVR für das 3. Quartal mit einen BIP-Rückgang um 0,4 % gerechnet. Für das Winterhalbjahr 2022/23 lassen jüngste modellbasierte Schätzungen des BVR eine merkliche Schrumpfung der Wirtschaftsleistung erwarten. Die Wahrscheinlichkeit für einen BIP-Rückgang im laufenden 4. Quartal beträgt diesen Schätzungen zufolge hohe 65 %.

Geschäftsklima stagniert auf niedrigem Stand

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist weiterhin trübe. Der ifo Geschäftsklimaindex stagnierte im Oktober mit 84,3 Punkten im Wesentlichen auf seinem niedrigen Vormonatsniveau (84,4 Punkte). Die einzelnen Komponenten des auf einer Unternehmensumfrage beruhenden Frühindikators tendierten aber in unterschiedliche Richtungen. Während sich die Erwartungen für die nächsten sechs Monate — ausgehend von einem sehr niedrigen Stand — etwas aufhellten, wurde die aktuelle Lage nochmals verhaltener beurteilt als zuvor. Auch innerhalb der Wirtschaft zeigten sich unterschiedliche Tendenzen. Im Handel und im Dienstleistungssektor (ohne Handel) hat sich das Geschäftsklima verbessert, im Verarbeitenden Gewerbe und im Bauhauptgewerbe hingegen verschlechtert. Ein Grund für die allgemein weniger pessimistische Beurteilung der Geschäftsaussichten dürften die von der Bundesregierung angekündigten Strom und Gaspreisbremsen sein, die den Unternehmen in den nächsten Monaten spürbare Entlastungen von den hohen Energiekosten bringen sollen.

Konsumklima scheint sich ebenfalls zu stabilisieren

Nicht nur in den Unternehmen, auch unter den Verbrauchern in Deutschland hat sich die Stimmung zuletzt etwas gefestigt. Gemäß der aktuellen Prognose der GfK-Experten dürfte das Konsumklima von -42,8 Punkten im Oktober leicht auf -41,9 Punkte im November steigen. In den Vormonaten folgte der auf einer monatlichen Verbraucherumfrage basierende Indikator einem steilen Abwärtstrend. Die Verbraucher haben ihre Konjunkturerwartungen zwar nochmals zurückgeschraubt, angesichts des weiteren Anstiegs der Inflationsrate und der anhaltenden Sorgen um die Energiesicherheit in Deutschland. Ihre Einkommenserwartungen und ihre Anschaffungsneigung haben sich jedoch etwas aufgehellt, offenbar befördert durch die Erwartung künftiger staatlicher Entlastungen. Alles in allem signalisieren die jüngsten Umfrageergebnisse des ifo Instituts und der GfK, dass die deutsche Wirtschaft — nach einem sehr schwachen Winterhalbjahr 2022/23 — im Frühjahr 2023 wieder auf ihrem Wachstumspfad einschwenken könnte.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR