Neues Netzwerken: Wie das Teilen von Wissen Visionen in die Realität umsetzen soll
09.12.2020 - Lesezeit 7 Minuten

Was wäre, wenn Unternehmer ihr Wissen teilen und nicht im Firmensafe verschließen würden? Wenn nicht mehr das Produkt oder die Dienstleistung im Vordergrund stünde, sondern ein Talent, von dem auch andere profitieren könnten? Das ist die Zukunft des Netzwerkens, sagt Stephan Sebastian Schäfer. Und der erfahrene Gründer arbeitet schon daran, das Prinzip in die Gegenwart zu holen. Gemeinsam mit Alexander Schröter und Paul Sembach gründete er in Berlin das "INNERCIRCLE MENTORING". Hier treffen sich Jungunternehmer am runden Tisch und tauschen sich aus. Klingt simpel, gab es so trotzdem noch nicht. Die Effekte seien enorm, meinen alle drei.
Wenn ich all mein Wissen teile, mache ich mir dann nicht am Ende mein eigenes Geschäft kaputt?
Stephan Sebastian Schäfer: Es geht ja nicht darum den Code zu verraten, mit dem ich meine App programmiert habe. Jeder Jungunternehmer hat auf der einen Seite irgendwo einen Expertenstatus auf der anderen Seite aber auch Defizite. Wir versuchen diejenigen zusammen zu bringen, die mit ihren Stärken und Schwächen am besten voneinander profitieren können.
Paul Sembach: Wie funktionieren andere Jungunternehmer und was kann ich daraus für mich und mein Unternehmen lernen? Das ist die entscheidende Frage.
Wie können sich die Teilnehmer die Antwort auf diese Frage vorstellen?
Alexander Schröter: Das ist sehr individuell. Viele ziehen sich ihr Wissen entweder aus dem Internet, aus Büchern oder aus Workshops. Das hat alles seine Berechtigung aber was bringt es mir als Jungunternehmer, wenn ich daraus möglichst viele Strategien heraus ziehe? Am Ende weiß ich trotzdem nicht, welche die eine richtige für mich ist.
Stephan Sebastian Schäfer: Beim klassischen Netzwerken geht es außerdem darum, branchennahe Menschen kennenzulernen – letztendlich um Produkte, Dienstleistungen oder Aufträge auszutauschen. Wir möchten, dass sich die Jungunternehmer ein Netzwerk über die eigene Branche hinaus aufbauen. Mit Menschen, denen sie normalerweise nicht über den Weg laufen, die aber extrem voneinander profitieren können.
Wie können denn beispielsweise die Gründerin eines Modelabels und ein Immobilienmakler voneinander profitieren?
Stephan Sebastian Schäfer: Das ist der Punkt ¬– beim „INNERCIRCLE MENTORING“ geht es nicht um das Produkt oder die Dienstleistung. Vielleicht ist die Gründerin des Modelabels ganz stark im Online-Marketing, hat aber von klassischen Vertriebswegen keine Ahnung. Und vielleicht ist der Immobilienmakler ausgerechnet da ein Experte – ihm fehlen aber wiederum Impulse in anderen Bereichen. Wir bringen die passenden Jungunternehmer auf dieser Ebene zusammen. Darüber hinaus stehen wir bereit, mit unserer Erfahrung offen gebliebene Fragen zu beantworten.
Alexander Schröter: Dadurch sollen sie nicht nur wirtschaftlich schneller voran kommen sondern auch lernen, wie sie ihre Vision in die Realität umsetzen – wir sind dabei die Architekten und die Jungunternehmer kommen mit ihrem Baukasten zu uns.
Paul Sembach: Wir dringen in die Bereiche vor, über die sonst nur ungern gesprochen werden: die, in denen es Schwierigkeiten gibt. Dabei hat jeder von uns seinen Schwerpunktbereich. Ich bin vor allem für die unternehmerische Selbstreflexion, für die mentale Unterstützung zuständig. Alexander Schröter hilft dabei die Ideen klar zu kommunizieren und zu vermarkten und Stephan Schäfers liegen darin, den unterschiedlichen Vorhaben eine klare Struktur zu geben.

Stephan Sebastian Schäfer und Alexander Schröter haben sich bei der Eröffnungsfeier in der Uni kennen gelernt. Mit dem Hintergrund von rund zwanzig Jahren Erfahrung im Gründen und Führen von Unternehmen, kam bereits vor einigen Jahren der Gedanke für eine neue Form des Netzwerkens auf.
Gemeinsam mit Paul Sembach haben sie der Idee Anfang 2020 mit "INNERCIRCLE MENTORING" ein Format verliehen. Das Trio setzt dabei junge Unternehmensgründer – deren Unternehmen in der Regel nicht älter als fünf Jahre sind – an einen Tisch, alle mit dem Hintergrund ihr eigenes Wissen zu teilen und gemeinsam davon zu profitieren.
Wie sieht das konkret aus?
Alexander Schröter: Die Jungunternehmer bewerben sich bei uns, wir werten die Unterlagen aus, telefonieren mit den interessanten Kandidaten und entscheiden dann, wer gemeinsam an unserem Roundtable sitzen soll. Das sind neben uns in der Regel noch 6-8 Personen. Ein Tag lang wird dann gemeinsam ein Schwerpunktthema bearbeitet, das wir vorab individuell für die Gruppe festgelegt haben.
Paul Sembach: Gerade Jungunternehmer kommen oft aus einem Angestelltenverhältnis heraus und haben sich selbst und ihr gesamtes Potential noch gar nicht entfaltet. Mir selbst ging es so: Nach meinem Studium habe ich fest angestellt in einem Ingenieurbüro gearbeitet. Als ich mich selbstständig machen wollte, habe ich mich als unheimlich unstrukturiert wahrgenommen. Dann habe ich Stephan Schäfer kennen gelernt, der mich mit seiner Herangehensweise regelrecht neu geordnet hat. Ich hab unheimlich viel von ihm gelernt und ganz viel Sicherheit gewonnen.
Stephan Sebastian Schäfer: Ich hatte zum Beispiel nie das Gefühl, dass ich besonders strukturiert bin. Das war ein langer Prozess – ich musste für mich selbst erstmal erkennen, dass ich gut darin bin und vielleicht sogar ein bisschen davon weiter geben kann. Und genau diese Effekte, wie sie bei Paul Sembach und mir eingetreten sind, wollen wir auch bei den Jungunternehmern erreichen. Wir sind auch nach dem gemeinsamen Tag am Roundtable für die Frauen und Männer erreichbar, sollten noch Fragen aufkommen.
Paul Sembach: Unternehmertum hat sich auch verändert – vielleicht hat Corona das auch nochmal beschleunigt. Die jungen Selbstständigen reflektieren heute viel mehr.
Wo liegen denn die größten Probleme von jungen Unternehmern?
Stephan Sebastian Schäfer: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es vier Schwerpunkte gibt, die Probleme bereiten. Klassische Vertriebswege sind einer davon. Die meisten wissen ganz viel über die verschiedenen Möglichkeiten des Onlinemarketings, kennen sich aber kaum in der klassischen Akquise aus. Ein zweiter großer Punkt ist die Struktur und Strategie für das neu zu gründende Unternehmen und vor allem die Frage, wie weitsichtig man bei der Gründung sein muss. Auch die Strategieentwicklung selbst bereitet Schwierigkeiten. Und der letzte Punkt ist finanzieller Natur. Die meisten Jungunternehmer investieren ihre gesamte Zeit und all ihr Geld in ihr Unternehmen – dabei ist es auch in diesem frühen Stadium des Unternehmerseins bereits enorm wichtig wenigstens einen kleinen Beitrag aus der Masse abzuziehen und einen privaten Kapitaltopf als Altersvorsorge zu bilden. Als Sicherheit.
Bereitet Ihnen die Covid-19-Pandemie Schwierigkeiten?
Stephan Sebastian Schäfer: Wir gehen davon aus, dass der nächste Roundtable online stattfinden wird. Wir arbeiten aber intensiv daran, dass alle, die teilnehmen werden, das Gefühl bekommen gemeinsam in einem Raum zu sitzen. Da gibt es zum Glück einige technische Möglichkeiten. Anders geht es nicht – in Berlin dürfen sich nur noch fünf Personen unterschiedlicher Haushalte versammeln. Der positive Effekt aus den Einschränkungen ist aber, dass wir uns neue Formate überlegt haben. Wir arbeiten gerade an einer Bibliothek mit fünf bis sieben minütigen Videos. Die sollen jeweils thematisieren, was wir uns in den fünf Roundtables, die bislang statt gefunden haben, gemeinsam erarbeitet haben. „INNERCIRCLE MENTORING“ ist unser Herzensprojekt – wir entwickeln das trotz aller Umstände weiter und die Resonanz gibt uns recht.