„Wir arbeiten daran, dass Berlin Tag für Tag besser funktioniert“
19.12.2024 - Lesezeit: 7 Minuten
Berlin muss sparen. Die Staatsausgaben sind seit den Corona-Jahren explodiert. Allein im kommenden Jahr müssen drei Milliarden Euro konsolidiert werden. Was bedeutet das für die Berliner Wirtschaft? Wir haben bei Berlins Finanzsenator Stefan Evers nachgefragt.
Jetzt in der Adventszeit werden viele Wunschzettel geschrieben, Herr Evers. Was wünschen sich die Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer von Ihnen?
Stefan Evers: Dieser Wunschzettel wäre sicherlich ebenso lang wie vielfältig. Aber es liegt auf der Hand, was den Menschen in Berlin am wichtigsten ist: Die Stadt muss funktionieren. Genau das wünschen sich auch unsere Unternehmen. Ein funktionierendes Berlin – egal, ob es dabei um Sicherheit, um Bildung oder um den Verkehr in der Stadt geht.
Da wir ebenfalls nach vorn schauen: Die Richtung stimmt. Durch die Entscheidung soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Günstigere Kredite steigern die Nachfrage und schaffen Anreize für Investitionen. Auch der private Konsum soll durch niedrige Kreditzinsen angeregt werden. Alles richtig, doch insgesamt kein Grund für Euphorie. Ein sanft auf 4,25 Prozent gesenkter Leitzins wird kein ganz großes europaweites Wirtschaftsprogramm auslösen. Zu Jahresanfang hatte die EZB noch laut darüber nachgedacht, den Leitzins um 75 bis 100 Basispunkte zu senken – das wäre ein echter Booster!
Können Sie diesen Wunsch nach einer funktionierenden Stadt erfüllen?
Wir arbeiten daran, dass Berlin Tag für Tag ein wenig besser funktioniert – auch für die Unternehmen. Wie überall im Land kritisieren Betriebe auch bei uns vor allem den horrenden bürokratischen Aufwand, mit dem deutsche Unternehmen belastet werden. Viele sagen, die Vorschriftenflut war noch nie so schlimm. Neue Gesetze haben noch nie so viele Kosten, so viel bürokratischen Aufwand verursacht wie im zurückliegenden Jahr der Ampel-Regierung. Hier brauchen wir mehr Mut zur Lücke, Mut zu mehr Freiheit. Der Staat muss sich zurücknehmen, damit Entscheidungen schneller fallen und umgesetzt werden können. Dann nimmt auch die Wirtschaft wieder Fahrt auf.
Das ist schnell gesagt, aber schwierig umzusetzen.
Ja und nein. Es ist vor allem eine Frage politischer Entschlossenheit. Nehmen wir beispielsweise das Berliner „Schneller Bauen“-Gesetz, das jetzt zum Jahreswechsel in Kraft tritt. Es beschleunigt die Planungs- und Genehmigungsverfahren und anschließend die Bauprozesse. Damit wird es attraktiver, in Berlin zu bauen, es werden Zeit und Kosten gespart. Das ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie wir die Wirtschaft ankurbeln können, indem wir uns von überkomplexen Regelwerken verabschieden. Die Zeiten sind nicht einfach für Unternehmen – umso wichtiger ist es, sie genau jetzt zu unterstützen.
Bleiben wir noch kurz beim Wunschzettel und drehen den Spieß um: Was wünschen Sie sich von Berlins Unternehmerinnen und Unternehmern?
Die Berliner Wirtschaft ist auf einem guten Kurs. Weiter so. Berlin gibt in einigen Wirtschaftsbereichen inzwischen deutschlandweit Takt und Tempo vor. Das war nicht immer so. Das finde ich sehr erfreulich!
Äh, den Wunsch habe ich jetzt nicht herausgehört …
Wie gesagt: Ich wünsche mir ein „Weiter so – und mehr davon!“
Apropos „Weiter so!“: Bei ihrem Amtsantritt sagten Sie, Ihr wichtigstes Projekt sei die Verwaltungsreform. Geht es da voran?
Da liegen wir gut im Plan. Wir werden in den nächsten Wochen grundlegende Beschlüsse fassen, die im kommenden Jahr vom Parlament beraten werden sollen. Ein neues „Landesorganisationsgesetz“ wird dem oft beklagten Behördenpingpong zwischen Bezirken und Senat ein Ende setzen, die jeweiligen Aufgaben sollen klar voneinander abgegrenzt werden. Damit legen wir den Berlinerinnen und Berlinern ein großes Paket unter den Weihnachtsbaum.
Gleichwohl werden im Haushalt für 2025 die Gelder für die Einführung der E-Akte um einige Millionen Euro gekürzt. Nimmt diese Kürzung nicht zu viel Tempo aus der Digitalisierung als wichtigen Aspekt der Verwaltungsreform?
Der kommende Haushalt ist mit einem Umfang von 40 Milliarden Euro der größte, den Berlin jemals hatte! Aber wir dürfen nicht über unsere Verhältnisse leben. Deshalb haben wir intensiv geprüft: Wo können wir einsparen? Zweierlei war dabei von vornherein klar. Erstens: Berlin muss funktionieren. Sicherheit, Justiz, Bildung und die Modernisierung der Verwaltung haben Priorität. Zweitens: Beim Sparen müssen trotzdem alle Ressorts mithelfen. In monatelanger Arbeit hat es diese schwarz-rote Koalition geschafft, rund 3 Milliarden Euro auf verantwortliche Weise zu konsolidieren. Das ist eine Summe aus vielen schmerzhaften Entscheidungen. In einigen Fällen hat der Realitätscheck aber auch gezeigt: Manches Geld brauchen wir aktuell gar nicht einzuplanen, weil sich beispielsweise ein Projekt verzögert oder zu üppig geplant wurde.
Wie bei der E-Akte?
Genau. Es nützt ja niemandem, wenn wir im Haushalt mehr Geld vorsehen, als wirklich benötigt wird. Die neuen Ansätze für die laufenden Digitalisierungsprojekte orientieren sich dicht am konkreten Bedarf. Es passiert ja nichts von selbst, nur weil Geld dafür zur Verfügung steht. Die Digitalisierung in der Verwaltung wird also nicht ins Stocken geraten. Digitale Prozesse werden immer stärker in die Verwaltung einziehen und für mehr Effizienz sorgen. Denn wir wissen: Wenn diese Stadt funktionieren soll, muss vor allem auch ihre Verwaltung funktionieren.
Wann werden Unternehmen – und ganz normale Bürgerinnen und Bürger – spürbare Fortschritte sehen bei der „funktionierenden Stadt“? Schon 2025?
Vieles ist ja schon heute zu spüren: Wir haben die Polizei gestärkt. Berlin hat sich in Bildungsvergleichen verbessert. Wir konnten manche verkehrspolitische Schikane aufheben, konzentrieren uns jetzt auf die Stabilisierung des Nahverkehrs und den Ausbau von Infrastruktur. An- und Ummeldungen können inzwischen online erledigt werden – und auch im nächsten Jahr gehen immer mehr digitale Dienstleistungen an den Start. So geht es weiter, Tag für Tag. Und das trotz der angespannten Haushaltslage.
Stefan Evers ist seit April 2023 Finanzsenator und Bürgermeister von Berlin. Zuvor war er sieben Jahre lang Generalsekretär der Berliner CDU und hat die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus als Parlamentarischer Geschäftsführer und als stellvertretender Vorsitzender geführt. Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus ist der Jurist seit 2011. Bis 2023 hat Stefan Evers als selbstständiger Berater für die Maritime Wirtschaft gearbeitet.