Was plant Brüssel für die Unternehmen?
22.08.2024 - Lesezeit: 5 Minuten
Europa hat gewählt, EU-Parlament und EU-Kommission haben die Arbeit aufgenommen. Was kommt auf deutsche Unternehmen damit an neuen Regularien und Vorschriften zu? Der Überblick.
Die europakritischen Stimmen von Links- und Rechtsaußen sind zahlreicher im neuen Europaparlament, doch das wird in den kommenden fünf Jahren kaum zu größeren Kurskorrekturen in der EU-Politik führen. Problemlos ist Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt worden. Das heißt zugleich: Der EU Green Deal bleibt das wichtigste Projekt innerhalb der Europäischen Union. Was heißt das für die deutschen Unternehmen? Und was kommt sonst noch auf sie zu?
Auf dem Weg zum klimaneutralen Kontinent
Europa soll bis 2050 klimaneutral werden, das ist das wichtigste Ziel der EU. Viele Regularien aus Brüssel unterstützen die Europäische Union dabei, diesem Ziel näherzukommen. Schon bis 2030 sollen die Emissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent gesenkt werden, bis 2040 sogar um 90 Prozent. Die 2040er-Ziele sollen, so plant es die EU-Kommission, demnächst in gültiges Recht umgesetzt werden.
Der „Clean Industrial Deal“
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will in den nächsten Monaten eine Strategie für eine saubere Industrie in Europa vorlegen, den „Clean Industrial Deal“. Er soll Investitionen in Infrastruktur und Industrie kanalisieren und beschleunigen. Der „Clean Industrial Deal“ soll auch dazu beitragen, die Energiekosten zu senken. Dafür sollen die erneuerbaren Energien forciert ausgebaut werden. Zudem sollen die Investitionen in saubere Energieinfrastrukturen und -technologien erhöht werden.
Wettbewerbsfähigkeit steigern
Mit einem neuen EU-Fonds für Wettbewerbsfähigkeit will die EU-Kommission zusätzliche öffentliche Gelder bereitstellen, um grenzüberschreitende Projekte in Zukunftsbranchen von Clean Tech bis Künstlicher Intelligenz (KI) zu fördern. Für sie habe die Wettbewerbsfähigkeit der EU oberste Priorität, sagt Kommissionspräsidentin von der Leyen, denn wer nicht wettbewerbsfähig sei, mache sich abhängig von anderen.
CSRD: Nachhaltig berichten
Die 50.000 größten Unternehmen in Europa – 15.000 davon in Deutschland – werden in die Pflicht genommen, jährlich Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen. Damit diese Berichte in ihren Aussagen vergleichbar sind, müssen sie sich an den Vorgaben der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) orientieren. Auf diese Weise sollen zugleich Umweltsünder schneller erkannt werden. Die CSRD-Berichtspflicht wird schrittweise bis 2029 umgesetzt, an diesem Zeitplan wird sich nichts ändern.
CO2-Zertifikate gegen den Klimawandel
Um den Klimawandel zu stoppen, setzt die EU nicht nur auf politischen Druck, sondern auch auf die Marktwirtschaft. Einer zunehmenden Zahl von Unternehmen wird die zulässige Ausstoßmenge von Kohlendioxid (CO2) schrittweise reduziert. Wer mehr CO2 in die Luft pustet als erlaubt, muss als Ausgleich sogenannte CO2-Zertifikate kaufen. Die Logik: Wenn es billiger ist, die CO2-Emissionen zu drosseln als die Zertifikate zu kaufen, wird in klimafreundliche Technologien investiert.
CO2-Zertifikate sind bislang ein Thema vor allem für Energiekonzerne und die energieintensive Industrie. Aktuell wird die Schifffahrt stufenweise in den Emissionshandel aufgenommen, ab 2027 werden sich auch der Gebäude- und der Straßenverkehrssektor mit den Zertifikaten beschäftigen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich an diesem Zeitplan etwas ändert, ist sehr gering.
Klimaschutz mit Landwirten
Was sich allerdings andeutet: Die EU-Kommission zeigt sich verhandlungsbereiter, was die Belastungen des EU Green Deals für Unternehmen angeht. Vor allem die Landwirte sollten entlastet werden. Von der Leyen kündigte an, „eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung“ vorzustellen. Darin soll skizziert werden, wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Agrarsektors innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen der Erde sichergestellt werden kann.
Benzin, Diesel oder Strom …
Bewegung gibt es auch beim Auto. Eigentlich hatte die EU beschlossen, ab 2035 keine Pkw mit Verbrennermotor neu zuzulassen. Das gilt auch weiterhin, allerdings wird aktuell diskutiert, eine Ausnahme für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) zu ermöglichen. Deutsche Hersteller von Luxusautos fordern und unterstützen diese Ausnahmeregelung. Sie wird allerdings den Wechsel von Benzin und Diesel zu Strom beim Autofahren nicht grundsätzlich aushebeln.
… oder gar weniger Bürokratie?
Die Europäische Union hat sich den Ruf einer gewissen Regulierungswut erarbeitet. Damit soll laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen demnächst Schluss sein: Sie verspricht „weniger Berichtspflichten, weniger Bürokratie“. So sollen beispielsweise Rechtsvorschriften vereinfacht und Genehmigungen schneller erteilt werden. Einer ihrer Stellvertreter soll den Kampf gegen die Formulare koordinieren und dem Europaparlament jährlich über Fortschritte berichten.