Berlin TXL ist startklar: vom Flughafen zum Modellquartier
11.04.2024 - Lesezeit: 4 Minuten
Wo einst Flugzeuge starteten und landeten, baut Berlin ein ökologisches und soziales Quartier mit mehr als 5000 Wohnungen. Hier werden Menschen leben und arbeiten, studieren und forschen. Herzstück wird die Urban Tech Republic, ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien.
„Letzter Flug 08.11.2020, AF1235 TXL-CDG“ steht in Gelb gemalt auf dem Asphalt und erinnert an die Zeit, in der hier alle zwei Minuten Flugzeuge starteten und landeten. Noch immer ragen die 14 roten Fluggastbrücken wie Rüssel aus dem Terminal A, dem berühmten Hexagon, das dem Flughafen Tegel sein Gesicht gibt.
Berlin TXL ist wieder startklar, allerdings für neue Aufgaben: Es wird zum Modellquartier, in dem Menschen wohnen und arbeiten, studieren und produzieren. Rund 500 Hektar misst das komplette Flughafengelände. Mittendrin: Die Urban Tech Republic als Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien, der – wie das gesamte Areal – nachhaltig und CO2-neutral arbeiten soll.
Prinzip „Schwammstadt“: Sinnvoller mit Wasser umgehen
Bernd Joosten und Felix Schwarz sind zum Lotsenraum im Tower hochgestiegen. Die Landschaftsarchitekten vom Atelier Loidl blicken auf das Flughafengelände, dessen Charakter sie erhalten wollen. Joosten zeigt auf das markante Sechseck des Terminal A. Hier soll die Berliner Hochschule für Technik einziehen; damit wird es zum wissenschaftlichen Zentrum der Urban Tech Republic. Drum herum können sich bis zu 1.000 Unternehmen mit 20.000 Beschäftigten ansiedeln. „Dafür werden wir am Vorfeld einen urbanen Campusplatz anlegen“, erklärt Joosten. „Auf der anderen Seite, an der ehemaligen Zufahrt, entsteht ein Erholungsraum mit einer Wasserfläche.“ Der flache See nimmt Wasser der umliegenden Erschließungsbereiche auf, reinigt es zunächst mechanisch und danach über Schilfflächen. „Über die Reinigungsstufen kann auch Straßenwasser problemlos in den Boden oder ins Erdreich versickern“, sagt sein Kollege Felix Schwarz. Was hier am Flughafen geplant wird, ist zugleich ein Modellprojekt für ganz Berlin, um sinnvoller mit Wasser umzugehen.
Natur verbinden mit Wohnen und Arbeiten
Langgezogene Grünzonen mit Fußgänger- und Radwegen und Freizeitflächen werden auf den Campus der Urban Tech Republic zulaufen. „Diese Landschaftsfugen greifen die Vegetation der Orte auf, aus denen sie kommen“, erklärt Felix Schwarz. Richtung Süden liegt der Volkspark Jungfernheide, deshalb sind parkartige Strukturen geplant. In Richtung Osten, wo der Forst Jungfernheide liegt, wird es deutlich bewaldeter.
Die dritte Landschaftsfuge führt in den Norden zum ehemaligen Flug- und Rollfeld. Als landeseigenes Unternehmen für eine klimaschonende und klimaresiliente Stadtentwicklung hat Grün Berlin für das Land Berlin die Aufgabe übernommen, dieses fast 190 Hektar große Areal schrittweise zu entwickeln und zu betreiben. „Hier wird ein Park mit hoher Biodiversität entstehen, ein Freiraum von überregionaler Bedeutung mit Angeboten zur Freizeitnutzung und Forschung“, sagt Bernd Joosten. Der als „Tegeler Stadtheide“ bezeichnete Parktypus weist Natur- und Landschaftsschutzgebiete aus und soll die Brücke von Stadt, Wohnen und Arbeit zur Natur schlagen. Besucher können die ehemalige Landebahn und umgebende Infrastrukturen authentisch erfahren und aktiv nutzen. Die offene Landschaft und Weite bleiben als wesentliches Charaktermerkmal erhalten.
Berlin TXL: Vorbild für zeitgemäßen Städtebau
Das Flughafengelände ist nicht nur für Heide und Spaziergänger da: Mehr als 5.000 neue Wohnungen sind für das „Schumacher Quartier“ am Kurt-Schumacher-Damm in Planung. Mehr als ein Drittel der Wohnungen entstehen mietpreisgebunden, mit anderen Worten: erschwinglich für Mensch mit geringem Einkommen. Autos werden im Quartier an den Rand gedrängt: Straßen und Wege und Plätze geben Fußgängern und Radfahrern bewusst Vorrang und sollen so zu Räumen des Austauschs und des Aufenthalts werden. Der Spatenstich ist für 2026 geplant.
Einzigartig in Europa wird hier erprobt, wie urbane Technologien genutzt werden können, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Deshalb kommt beispielsweise Photovoltaik auf die Dächer. Einen besonderen Platz nimmt der verwendete Baustoff Holz ein. So wird nicht nur ökologischer, sondern sogar – so das Versprechen – kostengünstiger als bei konventioneller Bauweise gearbeitet. Eine weitere Klimamaßnahme ist das Prinzip Schwammstadt: Kein Tropfen Regenwasser soll verschwendet werden.
Damit wird Berlin TXL, der frühere Flughafen, mit seinen nachhaltigen Energie-, Recycling- und Mobilitätskonzepten zum Vorbild für einen zeitgemäßen Städtebau. „Es werden noch viele Ideen für lebenswerte, resiliente Städte entstehen“ sagt Landschaftsarchitekt Bernd Joosten. „In Tegel haben wir die Möglichkeit, das weiterzudenken: Verfügbarkeit von Wasser, Vereinbarkeit von Naturschutz und Freizeitnutzung – in großen Dimensionen.“