"Mit Neugier entstehen immer wieder neue Ideen."
25.05.2023 - Lesezeit: 6 Minuten
Mit Erfolgen ist es wie Bier: Irgendwann werden sie schal. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, brauchen Unternehmen ständig neue Ideen. Doch wie geht Innovation? Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, hat ein Duo gefragt, das es wissen sollte: Katharina Kurz triumphiert mit BRLO auf dem umkämpften Craft-Beer-Markt und Frank Becker hat die angestaubte Schuhputzmarke Collonil blank gewienert.
Carsten Jung: Schuhe putzen, das klingt nicht unbedingt sexy. Wie haben Sie es geschafft, eine angestaubte Marke wie Collonil wieder auf Erfolgskurs zu bringen?
Frank Becker: Der sehr starke Kern von Collonil sind unsere Mitarbeiter, ihr Wissen und ihre Motivation. Das war eine gute Voraussetzung, um das Unternehmen wieder in das richtige Fahrwasser zu bringen. Am Anfang musste ich sehr harte Schritte vornehmen. Aber die Mannschaft zog mit, und dann hat das Unternehmen relativ schnell wieder positive Ergebnisse erwirtschaftet. Als ich 1998 zu Collonil kam, hatten wir einen Exportanteil von sechs, sieben Prozent. Bei einem solch schnell drehenden Produkt müssen Sie aber mehr Vertriebskanäle öffnen, und das geht nur über Internationalisierung. Wir sind dann rasch außerhalb Europas aktiv geworden und haben große Märkte dazugewonnen.
Carsten Jung: … und sind damit sind am Ziel angekommen?
Frank Becker: In den vergangenen 20 Jahren hat uns stark beschäftigt, wie wir mit unserem Wissen andere Vertriebskanäle öffnen können. Aktuell fragen wir uns, wie wir weiter wachsen können, beispielsweise indem wir im Ausland Produktionsstandorte gründen, ohne den in Berlin aufzugeben. Mit Flexibilität und Neugier entstehen immer wieder neue Ideen. Derzeit übertragen wir unser Wissen auf die Reinigung, den Schutz und die Pflege von Schuhen auf alle Steinarten – sei es für Böden oder für Fassaden. Für den Vertrieb haben wir einen Profi aus der Baumarktbranche gewinnen können, und es läuft sehr gut an.
Carsten Jung: Collonil wurde vor 114 Jahren gegründet, die Craft-Beer-Marke BRLO gibt es erst seit 2014. Wo haben Sie die Marktlücke gesehen, Frau Kurz?
Katharina Kurz: Auf Reisen in Australien hatte ich viel Craft Beer getrunken. Alles daran fand ich kreativ: die Namen, die Etiketten, den Geschmack – alles ganz anders als in Deutschland, wo das Angebot nur aus Pils und Hefeweizen zu bestehen schien. So entstand die Idee, als Nebenprojekt eine coole kleine Biermarke zu gründen. Gemeinsam mit einem Studienfreund und einem jungen Braumeister hat sich dieses Nebenprojekt schnell verselbstständigt. Mit BRLO zeigen wir: Bier kann genauso spannend und vielfältig sein wie Wein.
Carsten Jung: Das klingt nach mehr als einem Geschäftsmodell, das klingt nach einer Mission.
Katharina Kurz: Uns treibt an, was man neudeutsch mit „Purpose“ beschreibt. Wir wollen alte Stereotype aufbrechen und zeigen, wie man so eine Marke kreativ aufbauen kann. Qualität spielt eine ganz große Rolle, Wenn das Bier nicht schmeckt, kann man den ganzen Rest vergessen. Vor allem bringen wir die Marke mit unerwarteten Spannungsfeldern und anderen Brands zusammen. Wir haben Biere für eine amerikanische HipHop-Band gebraut und arbeiten seit letztem Jahr mit Karls Erlebnis-Dorf zusammen. Das ist ein Riesenrenner! Aus unserem Markenkern lassen sich ganz viele Dinge entwickeln.
Carsten Jung: Wie halten Sie Ihr Team stark?
Katharina Kurz: Wir haben das Glück, dass wir viele junge, internationale Leute anziehen. Der Beruf des Brauers oder der Brauerin ist mittlerweile sehr hip geworden. Im Handwerk, Vertrieb und Marketing können wir uns eigentlich nicht beschweren.
Frank Schneider: Unser Team in Berlin ist sehr heterogen. Im Export haben wir eine Französin, eine Chinesin, eine Italienerin und eine Deutsche dabei. Mein Exportleiter ist ein Winzer aus der Pfalz. Diese Mischung bringt immer neue Aspekte in die Strategie. Wir haben auch einen guten Median zwischen langjährigen und neuen Mitarbeitern. Wobei es wie überall das Problem mit einem Mangel an Nachwuchs gibt.
Carsten Jung: Sie beide teilen eine Leidenschaft: Frauenfußball. Collonil sponsert das Frauenteam des VfL Wolfsburg und BRLO will den FC Viktoria Berlin in die Frauenbundesliga führen. Wie kam es zu diesem Engagement?
Katharina Kurz: Bei BRLO haben wir 2019 in unserem Biergarten die Frauenfußball-WM und zuletzt auch die -EM auf großer Leinwand gezeigt. Ein riesiger Erfolg. Dann kam der Gedanke: Es kann doch nicht sein, dass Berlin keine erstklassige Frauenmannschaft hat. Lasst uns das ändern! Zu sechs Frauen haben wir dann die Idee entwickelt, uns hinter ein Team zu stellen, das mehrheitlich von Frauen finanziert wird. Wir übernahmen mit Viktoria eine hervorragende Mannschaft, und zu mehr als 75 Prozent kommt das Geld wirklich aus weiblicher Hand. Wir sind derzeit Spitzenreiter und Ende des Jahres hoffentlich dann in der zweiten Bundesliga.
Frank Becker: Der VfL Wolfsburg ist eine erstklassige Mannschaft mit tollen Spielerinnen, die Kultstars auf Social Media sind. Im Frauenfußball hat es eine richtige Revolution gegeben, er ist sehr athletisch und intelligent. Und doch muss man immer noch Karten für Spiele verschenken. Leider beginnt das Problem schon bei der Frühförderung.
Katharina Kurz: Genau, ich hatte auch früher als einziges Mädchen in einer Jungsmannschaft gespielt und musste irgendwann aufhören. In den Vereinen machen sie lieber noch die dritte D-Jugend auf, als Trainer für die Mädchen bereitzustellen. Ich finde es toll, dass Sie auch den Frauenfußball unterstützen, Herr Becker. Je mehr Unternehmen dahinterstehen, desto mehr Leute gucken sich auch mal ein Spiel an. Früher waren bei Viktoria 30 Leute im Stadion, und jetzt sind wir im Schnitt bei 500. Beim Spitzenspiel waren es 1700 im Stadion Lichterfelde.
Carsten Jung: Letzte Frage an Sie, Herr Becker: Wie oft putzen Sie Ihre Schuhe?
Frank Becker: Mindestens zwei Mal die Woche. Nicht alle, aber ich mache das sehr, sehr gerne. Jetzt denken Sie wahrscheinlich, ich bin ein Junkie, aber für mich hat das tatsächlich etwas Meditatives.
Carsten Jung: Eine Frage muss ich noch an Sie loswerden, Frau Kurz: Lässt sich der Name BRLO überhaupt korrekt aussprechen, bevor man ein paar Bierchen getrunken hat?
Katharina Kurz: BRLO ist der alt-slawische Ursprung des Namens Berlin und bedeutet „Sumpfgebiet“. Das passt doch gut zu einer Biermarke. Im Grunde ist der Name ein Störer, der Aufmerksamkeit schafft. Wir sagen immer: „Sprich es aus wie du willst, Hauptsache das Bier schmeckt!“