„Am ersten Arbeitstag gibt‘s für unsere Azubis eine Zuckertüte“
28.03.2024 - Lesezeit: 5 Minuten

Die eleganteste Art, Fachkräfte zu finden: sie selbst auszubilden. Genau das macht Auto-Zellmann, und zwar mit Erfolg. So wichtig Schnupperpraktika sowie die Präsenz in Schulen und auf Messen sind – entscheidend ist etwas anderes.
Die neueste Idee ist die mit dem Gutschein. Auto-Zellmann feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag und da dachte sich Geschäftsführerin Eike Oertwig: „Aus diesem Anlass bekommt jede unserer Mitarbeiterinnen und jeder unserer Mitarbeiter ebenfalls ein Geschenk zum Geburtstag – einen Gutschein!“ Es sind solche kleinen Gesten, die für ein gutes Betriebsklima sorgen. Die Stimmung in der Belegschaft ist wichtig, das ist Geschäftsführerin Oertwig nur allzu bewusst: „An Fachkräften mangelt es überall. Wer den Arbeitgeber wechseln will, wird schnell fündig.“ Also sorgt sie dafür, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wechseln wollen. Aber wie gelingt das?
Es sind die kleinen Gesten, sagt Eike Oertwig. Zum Obstkorb, dem regelmäßig mittags vorfahrenden Foodtruck und den Zuschüssen zur Altersvorsorge kommt beispielsweise, dass Nichtraucher in der Belegschaft einen Tag im Jahr extra frei bekommen. Als Ausgleich für die Raucherpausen der anderen, „aber auch, um einen Anreiz für die eigene Gesundheit zu setzen“. Ebenso wichtig: den Mitarbeitern zuzuhören. Einmal pro Woche ist bei Geschäftsführerin Oertwig „Tag der offenen Tür“: Wer etwas zu besprechen hat, schaut einfach vorbei bei ihr im Büro. Die Stundenzahl reduzieren? Geht. Nur vier Tage pro Woche arbeiten? Geht ebenfalls. „Man muss den Menschen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen entgegenkommen“, sagt Eike Oertwig. „Das wird belohnt.“
„Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, zum Erfolg beizutragen“
Das zeigt sich daran, wie sich der 1984 von Kfz-Meister Manfred Zellmann gegründete Betrieb entwickelt. In den ersten Jahren, noch zu DDR-Zeiten, hielten fünf Mitarbeiter in Altglienicke vor allem Trabis straßentauglich. Nach der Wende kamen andere Marken dazu: Volkswagen und Škoda, dazu Audi, Seat und jetzt auch Cupra. Heute beschäftigt Auto-Zellmann mehr als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an fünf Autohäusern. Dazu kommen moderne Werkstatt-und Service-Bereiche, ein Gebrauchtwagenpark und seit 2022 ein eigenes Räderzentrum. Auch der Abschleppdienst Koglin, ein bekannter Anblick auf Berliner und Brandenburger Straßen, gehört zur Zellmann-Gruppe.
Für Eike Oertwig, die Tochter des Firmengründers, stehen die Zeichen weiter auf Wachstum. Sie weiß genau: „Dafür müssen sich die Mitarbeiter wohlfühlen und das Gefühl haben, zum Erfolg beizutragen.“ Deshalb zieht sie sich die passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst heran: Von den 210 Mitarbeiter*innen sind 30 Auszubildende. „Das ist die eleganteste Art, Fachkräfte zu finden: indem wir sie selbst ausbilden“, sagt Oertwig. „Wir bilden nicht nur Kfz-Mechatroniker, Lackierer und Karosseriebauer, sondern auch im kaufmännischen Bereich aus.“ Diese Bandbreite sorge bei vielen Jugendlichen für ein Aha-Erlebnis.
Vom Schülerpraktikum zur Lehre
Also ist Eike Oertwig in Schulen unterwegs und stellt ihr Unternehmen vor. Schüler- und Schnupperpraktika sind selbstverständlich. „Andere Unternehmen bieten nichts an und wundern sich, warum sie niemand auf dem Schirm hat.“ Schülerpraktikanten lernen verschiedene Stationen beim Autohaus kennen und haben am Ende jedes Praktikumstages zu Hause eine Menge zu erzählen. „Und wer sich gut schlägt, die sprechen wir direkt darauf an, ob sie sich eine Lehre bei uns vorstellen können.“
Viele Schülerpraktikanten können sich anschließend tatsächlich für eine Lehre bei Auto-Zellmann begeistern. „Wichtig ist es, in der gesamten Zwischenzeit den Kontakt zu halten“, warnt Eike Oertwig. Auch ihr ist es schon passiert, dass der Ausbildungsvertrag zwar unterschrieben war, der Azubi am ersten Arbeitstag trotzdem nicht auftauchte. Unter anderem gibt es deshalb bei Auto-Zellmann im Vorfeld einen Kennenlerntag, an dem die aktuellen und die künftigen Azubis sich treffen und austauschen. Und am ersten Arbeitstag „gibt es eine Zuckertüte, ein bisschen wie bei der Einschulung.“ Wie gesagt: Es sind die kleinen Gesten.
Trotzdem hat sich Eike Oertwig zuerst gesträubt, als ihre Firmenkundenberaterin bei der Berliner Volksbank ihr vorschlug, die Mitarbeiter*innen zu fragen, wie zufrieden sie sind und wo sie noch Potenzial sehen. Nicht weil sie Angst vor negativem Feedback hatte: „Es ist doof, wenn man Wünsche oder Erwartungen weckt und dann nicht erfüllen kann.“ Letztlich hat sie sich trotzdem getraut. Und? „War gar nicht schlimm.“ Im Gegenteil: Sie hat einige Tipps und Anregungen mitgenommen, in welche Richtung es weitergehen soll mit Auto-Zellmann.