Damit es funkt zwischen Bewerbern und Unternehmen
21.07.2023 - Lesezeit: 4 Minuten

Eine glaubhafte Arbeitgebermarke mit einer zeitgemäßen Unternehmenskultur entscheidet heute über Sieg oder Niederlage im „War for Talents“. Wie finden Unternehmen und Bewerber*innen schon vor dem ersten Gespräch heraus, ob sie auf einer Wellenlänge liegen? Empion liefert Antworten, mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Kupfergraben 6a, Berlin-Mitte. Vor der Eingangstür der Exkanzlerin stehen keine Touristen mehr, die unter den wachsamen Blicken der Polizei Selfies vor der berühmten Klingelanlage knipsen. Unbehelligt geht es vier Stufen hinauf zu einem Startup, die den Arbeitsmarkt von morgen gestalten will: Empion.
Empion, das sind die Unternehmerinnen Dr. Annika Mutius und Dr. Larissa Leitner. Sie widmen ihre Energie einem Thema, das Unternehmer „Fachkräftemangel“ nennen und die gesuchten Fachkräfte eher „Schlaraffenland“: Sie haben bei den vielen Angeboten die freie Wahl. Wenn Unternehmen heute Stellen besetzen wollen, reichen gute Gehälter, Obstkörbe und flexibles Arbeiten als Argumente nicht mehr aus. Sie müssen zu Arbeitgebermarken werden, Werte entwickeln und eine Kultur glaubhaft leben. So richtig ist diese Erkenntnis im Mittelstand noch nicht angekommen. „Obwohl viele Firmen eine spannende Unternehmenskultur haben, kommt diese bei der Bewerbersuche kaum zum Tragen“ sagt Larissa Leitner.
Unternehmenskultur, was soll das sein? „Der Führungsstil zum Beispiel und alles, was man sieht und fühlt“, sagt Leitner. Das heißt zugleich: Unternehmenskultur ist schwer zu fassen, ist ein Mix aus weichen und harten Faktoren. Zu den harten Faktoren zählen Strategie, Struktur und System. Zu den weichen Faktoren gehören die Menschen, ihre Fähigkeiten und Visionen. Gemeinsam verschmelzen sie, sagt Leitner, zum „kulturellen Plasmakern“ eines Unternehmens.
Eine Bewerbung, 100 Millionen Möglichkeiten
Das Versprechen von Empion an die Unternehmen: Bewerberinnen und Bewerber zu finden, die optimal zu diesem kulturellen Plasmakern passen. Dafür müssen, und darin besteht die Herausforderung, die komplexen menschlichen Entscheidungen des Bewerbungsprozesses automatisiert werden. Also bewertet die von Empion trainierte KI (Künstliche Intelligenz), nicht nur das Wissen eines Bewerbers, sondern strukturiert vor allem, welche Faktoren für eine passende Unternehmenskultur ihm wichtig sind. Jede Bewerbung lässt sich in 100 Millionen Cluster unterteilen, sagt Annika Mutius, „und das ist noch die untere Grenze.“ Ebenso wie Fachkräfte registrieren sich Arbeitgeber auf der Empion-Plattform, geben Einblicke in ihre Unternehmenskultur und definieren, welchen Kulturtypen sie suchen.
Mit ihren Programmierern und Entwicklern ist es den Gründerinnen gelungen, aus dem 100-Millionen-Cluster zwölf Fragen zu entwickeln. Die Fragen sollen persönliche arbeitskulturelle Präferenzen sichtbar machen. Wird Prozesskonformität präferiert oder Flexibilität, Karriere oder Privatleben, soll das Umfeld formell oder informell gehalten sein? Der Algorithmus wertet neben den Antworten auch aus, wie lange Bewerber für die Antwort benötigen, wo spontan reagiert oder abgebrochen wird. Diese Angaben werden mit den Daten aus dem Lebenslauf angereichert. Empions Versprechen ist nicht weniger als ein „glückliches Arbeitsverhältnis“.
Kulturtyp „Finanzamt“
Es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“, es geht um „passt!“. Startups leben eine andere Fehlerkultur als ein traditionsverhafteter Mittelständler. Die Werte von Konzernen sind meist weicher formuliert, sie wollen nicht anecken. Die Bandbreite der Kulturtypen reicht von „Longboard mit Laptop am Strand von Mauritius“ bis zum Typ „Finanzamt“. Beides ist okay – es muss halt zur Unternehmenskultur des Arbeitgebers passen.
Empion konzentriert sich derzeit auf die Ansprache von Akademikern oder, wie es im Recruiting-Slang heißt, den „White Collar Market“. Damit greifen sie den Kernmarkt weltweit erfolgreicher Jobplattformen an. Haben sie überhaupt Aussicht auf Erfolg? Selbstbewusst haben Mutius und Leitner passende Zahlen parat. „Auf Konkurrenzplattformen wird nicht so vorqualifiziert, wie wir es tun. Dort sind von 100 Bewerbern im Schnitt 95 unpassend.“ Empion verspricht eine Quote von 1 bis 10, denn der Algorithmus siebt voll automatisiert schon vorher aus. Nur drei Prozent der Bewerber*innen werden an registrierte Unternehmen weitergegeben. Weil die passen sollten.
Mit jedem Erfolg – und jedem Misserfolg – lernt der Algorithmus. Um ihn mit zusätzlichen Informationen zu füttern, geht das Empion-Team derzeit häufig noch analog und persönlich auf Kandidaten zu. Durch das kontinuierliche Training des Algorithmus, sagen Mutius und Leitner, ist eine vollständige Automatisierung nur eine Frage der Zeit. Für die Empion-Gründerinnen ist klar: Recruiting wird in Zukunft ohne Künstliche Intelligenz nicht funktionieren.