Gewinner ist der, der anderen hilft
19.01.2023 - Lesezeit: 7 Minuten
Das Jahr 2022 war vor allem eines: bewegt. Tobias Weber, Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Volksbank, und Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender, geben im Gespräch mit Kommunikationschefin Frauke van Bevern einen persönlichen Rückblick auf das Jahr 2022 und sprechen über das, was ihnen für 2023 wichtig ist.
Frauke van Bevern: 2022 war ein herausforderndes Jahr. Aus Ihren Gesprächen mit unseren Kunden, Herr Jung: Wo liegen die größten Druckpunkte?
Carsten Jung: Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat sich zu Beginn des Jahres vieles verändert. Pläne, die kurz vor der Umsetzung standen, wurden nun wieder »on hold« gesetzt. Wer hoffte, gestärkt aus der Coronapandemie herauszukommen, stand nun plötzlich vor neuen Herausforderungen. Der Krieg in Europa ist eine Zäsur in unserer Geschichte.
Tobias Weber: Das sehe ich auch so. Gut ist, dass die Berliner Volksbank vor dem Hintergrund all dieser Herausforderungen ihren Mitgliedern und Kunden als ein wesentlicher Unterstützer sehr stark zur Seite steht. Bank und Unternehmen gehen eine Partnerschaft ein, die ich für sehr wichtig halte. Für mich ist das ein wesentlicher Aspekt der Nachhaltigkeit auch im engeren Sinne.
Empfinden unsere Kunden die Themen rund um eine ausreichende Energieversorgung und die Lieferengpässe als die aktuell drängendsten Fragen?
Carsten Jung: Beides beschäftigt unsere Kunden sehr. Dennoch hat sich in den Gesprächen mit ihnen ein anderer Aspekt als bedeutender herausgestellt: der Fachkräftemangel – und das ganz unabhängig von der Branche. Das kann ich für unsere Bank bestätigen: Der Fachkräftemangel ist auch bei uns spürbar. Um neue Fachkräfte zu gewinnen, sind wir zum Beispiel mit dem Modell »Mitarbeiter werben Mitarbeiter« sehr erfolgreich. Wir denken gerade darüber nach, dieses Modell auf »Mitglieder werben Mitarbeiter« zu erweitern. Denn unsere Teilhaber haben ein Gespür dafür, wer zu uns und unseren Werten passt und sich vielleicht zukünftig als Kollegin oder Kollege tatkräftig in unserer Bank einsetzen könnte.
Herr Weber, in Ihrer Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender, wie haben Sie das Jahr 2022 in der Berliner Volksbank erlebt?
Tobias Weber: Es war ein spannendes Jahr. Der Posten als Aufsichtsratsvorsitzender macht mir unglaublich Spaß – auch wenn er mit viel Arbeit verbunden ist. Ich habe mich stark mit der Regulatorik beschäftigt und viel hinzugelernt. Eines der großen Erlebnisse war für mich die Vertreterversammlung, die ich – auch das eine neue Erfahrung – erstmals leiten durfte. Eine weitere Veranstaltung zählt sicher auch zu den großen Momenten: Die Vertretermatinee anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Bank 2021. Das sind Augenblicke, in denen es besonders viel Spaß macht, in dieser Rolle zu stehen, weil man sich fast wie ein Gastgeber fühlen darf für unsere Vertreterinnen und Vertreter – im Namen der Berliner Volksbank.
Was waren die Highlights 2022 für Sie, Herr Jung?
Carsten Jung: Da gibt es viele. Angefangen bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: bei all den Herausforderungen immer wieder den großartigen Einsatz zu spüren, das begeistert mich. Gefreut hat mich auch, dass wir unser Betriebsfest feiern konnten. Und ein ganz persönliches Highlight ist für mich, dass der Aufsichtsrat mir erneut das Vertrauen geschenkt hat und ich ab Januar 2023 noch einmal fünf Jahre als Vorstandsvorsitzender tätig sein darf. Besondere Höhepunkte waren alle Aspekte rund um unser gesellschaftliches Engagement, angefangen beim Social Day über unseren Stiftungsfonds w!r bis hin zur Crowdfunding-Plattform »Viele schaffen mehr«. Weiterhin finde ich wichtig, was wir mit unserer Stiftung Kunstforum und der Werkstatt für Kreative auf den Weg gebracht und ausgeweitet haben. Neben unserem Kerngeschäft sind das alles Facetten, in denen wir uns für unsere Region einsetzen. Und mit denen wir den genossenschaftlichen Gedanken ins Heute übersetzen.
Lassen Sie uns über das Thema Energieversorgung sprechen. Der sogenannte Gas-Notfallplan sieht vor, dass die 27 EU-Staaten ihren Gaskonsum auf allen Ebenen von Anfang August 2022 bis Ende März 2023 freiwillig um 15 Prozent reduzieren. Wie setzt sich die Berliner Volksbank hier ein?
Carsten Jung: Als Berliner Volksbank tragen wir selbstverständlich unseren Teil gemäß den Möglichkeiten bei, und das nicht nur bei Gas. Auf unserer Agenda ist das Thema eines schonenden Umgangs mit Energie und Ressourcen schon lange. Am Tag des Inkrafttretens des Gas-Notfallplans haben wir eine Task Force aufgesetzt, die mit viel Einsatz an dem Energiethema arbeitet. Kurzfristig haben wir so erste Energiespar-Initiativen gestartet: LED-Beleuchtung an allen Standorten, Temperaturabsenkungen, Warmwasserboiler vom Netz nehmen, Abschaltung von Leuchtwerbung, wo es aus Sicherheitsrelevanz möglich war, Checklisten für unsere Mitarbeiter, Mitglieder und Kunden. Wir sind mittendrin – das war erst der Anfang.
»Anfang« ist ein gutes Stichwort: 2023 wollen wir unsere neue Firmenzentrale in der City West beziehen. Was wird sich dadurch verändern?
Tobias Weber: Beschleunigt durch die Pandemie ist ein neues Miteinander entstanden. Insofern ist der Umzugszeitpunkt perfekt, um eine neue Art der Zusammenarbeit gemeinsam leben zu können, inklusive einer ganz neuen Arbeitskulisse. Ich bin ein großer Verfechter davon, dass es neben unseren Filialen auch eine Zentrale braucht. Einen Ort, an dem Kontakte aufgebaut werden und Begegnungen stattfinden können. Die Berliner Volksbank hat in der Vergangenheit einen tollen Weg hingelegt. Eine Repräsentanz in der City West darf das auch nach außen tragen.
Carsten Jung: Absolut, da stimme ich zu. Gerade das Thema Unternehmensidentität spielt eine große Rolle. In diesem Sinne hat die Zentrale auch eine gewisse Symbolkraft. In Zeiten, in denen viele Menschen im Homeoffice oder mobil arbeiten und sich viele altgediente Dinge gerade auflösen, muss es einen Ort geben, der im weitesten Sinne auch Sinn stiftet, der Zugehörigkeit schafft und das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Ich finde es wichtig, in einer mobiler werdenden Welt Heimat zu schaffen. Einen Ort, an dem die Menschen eine Identifikation herstellen können.
Herr Weber, Ihre Wünsche für 2023?
Tobias Weber: In bewegten Zeiten kommt es für mich auf Stabilität und Gemeinschaft an. Stabilität, weil Planbarkeit momentan schwierig ist. Solange Unsicherheit herrscht, traut sich keiner, einen Schritt nach vorne zu machen – der allerdings notwendig wäre. Die Bank ist da ein sehr verlässlicher Partner, gerade bei Investitionen in Nachhaltigkeit, in Energieeffizienzmaßnahmen oder neue Maschinen. Ich finde es wichtig, die Dinge gemeinschaftlich anzupacken. Gewinner ist der, der in der Gemeinschaft mitspielt und versucht, anderen zu helfen.
Was wünschen Sie sich für 2023, Herr Jung?
Carsten Jung: Dass wir gemeinsam unsere Region lebenswerter machen, indem wir einander helfen, zählt für mich auch in jedem Fall zu meinen Wünschen. Hinzu kommt, dass wir in einer Zeit, in der Veränderung die einzige Konstante ist, weiterhin veränderungsfähig bleiben – so, wie wir es bereits in der Vergangenheit bewiesen haben. Dazu kommt natürlich auch der Wunsch, dass die überregionalen Risiken befriedet werden. Und ein Wechsel des Blickwinkels: Ich glaube, vielen wird jetzt erst wieder bewusst, dass das, was wir haben, auch erst einmal erarbeitet werden muss. Das ist alles nicht selbstverständlich. Wenn wir das als Impuls verstehen, ist das vielleicht auch eine Chance zur Umgestaltung der Wirtschaft.