Mittelstand im Ausnahmezustand?
15.12.2022 - Lesezeit: 3 Minuten
Die aktuelle Lage: ganz okay. Die Aussichten: umso trüber. Die Erwartungen der deutschen Mittelständler für die kommenden Monaten haben ein „Allzeit-Tief“ erreicht, besagt die aktuelle VR Mittelstandsumfrage von DZ Bank und BVR. Sie berichtet von einer „Ausnahmesituation“ – trotzdem gibt es Anlass zur Hoffnung.
Es kam ja wirklich knüppeldicke. Erst brachte die Corona-Pandemie das wirtschaftliche wie gesellschaftliche Leben weitgehend zum Stillstand und sorgte weltweit für Lieferengpässe. Dann marschierte die russische Armee in die Ukraine ein – prompt stiegen in Deutschland die Energiepreise. Heute weiß keiner, ob sich schon der nächste Nackenschlag für den Mittelstand anbahnt. Und wann es besser wird, vermag niemand zu prognostizieren.
Dabei ist die Lage keineswegs trostlos, zeigt die aktuelle VR Mittelstandsumfrage von DZ Bank und BVR, dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Noch läuft der Motor: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im dritten Quartal 2022 zugelegt, die Industrieproduktion angezogen. „Der Sommer verlief für die deutsche Wirtschaft insgesamt noch zufriedenstellend“, heißt es in der Umfrage, für die mehr als 1.000 mittelständische Unternehmen befragt wurden. Aber: „Die Risiken nehmen zu und Deutschland dürfte in eine Rezession schlittern.“
Die Preise steigen …
Die deutschen Mittelständler reagieren auf die Krise, indem sie die hohen Energiepreise weitergeben an ihre Kund:innen. Drei Viertel haben bereits die Preise erhöht. Gerade in der energie-intensiven Chemie- und Kunststoffindustrie haben die Unternehmen keine andere Wahl, wenn etwa Erdgas direkt in die Produktion einfließt, beispielsweise beim Herstellen von Ammoniak. Doch je höher die Preise, desto geringer die Nachfrage: Die Mittelständler dieser Branchen blicken besonders skeptisch auf die kommenden Monate.
Optimistisch zeigen sich nur 10 Prozent der befragten Mittelständler: Sie gehen davon aus, dass ihr Geschäft im kommenden halben Jahr besser läuft. 53 Prozent hingegen glauben, dass es schlechter wird. Im Frühjahr 2022 lag der Anteil der Pessimisten erst bei 30 Prozent. Selbst während der Finanzkrise 2008/2009 war die Stimmung nicht dermaßen schlecht.
… und es mangelt an Fachkräften
Die Energiekosten (88 Prozent) haben den Fachkräftemangel (80 Prozent) als gravierendstes Problem des Mittelstands abgelöst. Leider liegt das nicht daran, dass wieder genügend Personal zu finden ist. Im Gegenteil: Noch im Frühjahr 2022 nannten „nur“ 67 Prozent der Mittelständler die mühsame Suche nach geeignetem Personal als massives Problem.
18 Prozent der befragten Mittelständler würden gern Personal einstellen, bei Dienstleistern ist es sogar jeder vierte. „Der Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren mit dem bevorstehenden Altersstrukturwandel nochmals deutlich an Problematik gewinnen“, warnen die Autor:innen der VR Mittelstandsumfrage. Sollte es wirklich zu einer Rezession kommen, könnte sich der Fachkräftemangel allerdings entschärfen: Sobald Unternehmen insolvent werden, sucht gut ausgebildetes Personal nach neuen Arbeitgebern.
Mit finanziellem Puffer in die Rezession
Finanziell zumindest sind die deutschen Mittelständler auf eine Rezession gut vorbereitet. Die Qualität der Bilanzen stieg laut VR Bilanzanalyse in den vergangenen drei Jahren um 37,5 Prozent, womit sich „auch die Resilienz erhöht hat“. Das hat auch mit dem vorgehaltenen Eigenkapital im Mittelstand zu tun. 2001 lag die Eigenkapitalquote noch bei 10,2 Prozent, zwei Jahrzehnte später hat sie sich auf 30,1 Prozent verdreifacht.
Parallel dazu – auch das eine Folge der vielen guten Jahre – sinken die Verbindlichkeiten. Der Verschuldungsgrad lag 2021 laut VR Bilanzanalyse auf einem Allzeit-Tief von 166,6 Prozent. Nur jeder fünfte Mittelständler sieht aktuell einen Finanzierungsbedarf. Das allerdings könnte auch daran liegen, dass Investitionen aufgrund der angespannten Lage verschoben werden.
Der deutsche Mittelstand hat also noch etwas Puffer. Vielleicht auch deshalb bezeichnen 72 Prozent der Befragten ihre Geschäftslage als zufriedenstellend – das entspricht etwa dem langjährigen Mittelwert. „Die mittelständischen Unternehmen könnten sich auch in dieser Krise ähnlich robust erweisen wie schon in der Coronakrise“, resümieren die Autor:innen der VR Mittelstandsumfrage. „Die durchaus zufrieden stellende Einschätzung der aktuellen Geschäftslage ist zumindest ein deutliches Indiz, dass sie es bisher gut geschafft haben.“