Wie werde ich als Mittelständler für Fachkräfte sichtbar?
29.08.2024 - Lesezeit: 10 Minuten
Ihren Traumjob finden Fachkräfte deshalb selten, weil sie das dazu passende Unternehmen gar nicht kennen. Wie können Mittelständler das ändern? Indem sie mithilfe von Employer Branding als attraktiver Arbeitgeber sichtbarer werden.
Unternehmen suchen Fachkräfte. Umgekehrt suchen Fachkräfte nach Unternehmen, die ihren Einsatz schätzen und entsprechend belohnen. Wie finden beide zueinander? Arbeitgeber wie Mercedes, Bayer oder Zalando sind als Marke bekannt und tauchen automatisch auf dem Radar auf. Anders sieht es mit Mittelständlern aus, von deren Qualitäten – außer den Beschäftigten – kaum jemand weiß. Es gibt nur einen Weg, das zu ändern: Diese Unternehmen müssen mit ihren attraktiven Stärken sichtbar werden. Von „Employer Branding“ sprechen die Fachleute: als Arbeitgeber um seine Kernwerte herum eine eigene Marke aufbauen. Diese Werte werden als Botschaften ausgesendet. Künftige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen die Botschaft hören und denken: „Das klingt interessant, da klopfe ich mal an.“
Das Ziel ist klar, der Weg dorthin allerdings – offen gesagt – anstrengend. Aufgrund des Aufwands verzichten viele Unternehmen darauf, Fachkräftemangel hin oder her, sich als Arbeitgeber zu profilieren. Andere brechen das Projekt ab, sobald ihnen klar wird, wie wenig sie anzubieten haben. Oder sie versprechen das Blaue vom Himmel und wundern sich, wenn neu angeworbene Kräfte bald wieder kündigen, da Versprechen und Realität zu weit auseinander klafften. Auch das trägt – wenn auch unfreiwillig – zu einem Employer Branding bei.
Deshalb ist es sinnvoller, das eigene Image zu steuern. Schönfärberei führt dabei nicht zum Ziel. Ein glaubwürdiges und damit funktionierendes Employer Branding betont die real existierenden Werte und damit die Stärken eines Unternehmens.
Überraschenderweise sind die wenigsten Unternehmen sich ihrer eigenen Stärken bewusst. Deshalb beginnt der Aufbau einer Arbeitgebermarke mit einer „Nabelschau“: Wofür stehen wir? Und wie wollen wir wahrgenommen werden?
In drei Schritten zum Employer Branding
Employer Branding eröffnet die Chance, das eigene Selbstverständnis zu erkunden und daran zu wachsen. Damit geht es über das Anwerben von Fachkräften weit hinaus. Eine Arbeitgebermarke lässt sich in drei Schritten aufbauen:
Schritt 1: die Bestandsaufnahme
Was ist unser Kerngeschäft? Welche Werte leben wir? Wie lässt sich die Unternehmenskultur beschreiben? Wie verstehen wir uns als Arbeitgeber? Auf viele dieser Fragen gibt es interessanterweise häufig nur ein Schulterzucken: Den meisten Unternehmen sind ihre Stärken selbst nicht bewusst. Daher kann es sich anbieten, die Bestandsaufnahme zu delegieren. Der Bonus: Die Externen finden großartig (oder auch befremdlich), was langjährige Mitarbeiter*innen als völlig normal erleben.
Schritt 2: die Reflexion
Eine häufige Erkenntnis der Bestandsaufnahme lautet: „Unsere eigentlichen Stärken kommunizieren wir gar nicht.“ In der Reflexionsphase diskutiert und hinterfragt das Unternehmen die Bestandsaufnahme: Stimmt das so? Das Unternehmen besinnt sich auf seine Stärken. Und traut sich, diese Stärken bewusst zu betonen. Auch hier kann ein externer Dienstleister als profilschärfender Sparringspartner helfen.
Schritt 3: das Employer Branding
Im dritten Schritt geht es darum, die eigenen Stärken zu kommunizieren. Dabei gilt es, den Blickwinkel der Zielgruppe einzunehmen: „Inwiefern sind unsere Stärken für potenzielle Bewerber interessant und wichtig?“ Weichgespülte Floskeln helfen da nicht. Je schärfer das Profil, desto kenntlicher wird der Arbeitgeber in seinen Stärken. Wenn das nicht alle anspricht: gut so! Ein profiliertes Selbstverständnis zieht eher die wirklich zum Unternehmen passenden Kandidat*innen an.
Rein in die Social Media!
So toll ein klares Profil mit attraktiven Stärken ist: Jetzt muss die Welt – insbesondere potenzielle Bewerber – davon erfahren. Wie erreicht, interessiert und überzeugt ein Arbeitgeber die gesuchten Fachkräfte mit seinem Employer Branding? Die Anzeige in der Tageszeitung wird selten den gewünschten Effekt haben. Unternehmen müssen dort sichtbar werden, wo sich ihre potenziellen Nachwuchskräfte aufhalten. Das heißt konkret: in Social Media. Präsenz auf LinkedIn und Xing, auf Facebook und Instagram, vielleicht sogar auf X und TikTok ist unverzichtbar. Dabei kommt es immer darauf an, mit welchen Inhalten und Benefits welche Zielgruppe angesprochen werden soll.
Personal- und Kommunikationsabteilung sollten eng zusammenarbeiten, damit die jeweils passenden Botschaften auch richtig vermittelt werden. Denn wer im Vertrieb arbeitet, wird deutlich interessierter an Boni und anderen Gratifikationen sein als beispielsweise Pflegekräfte, die sich deutlich stärker für die Arbeitsbedingungen und das soziale Verantwortungsbewusstsein ihres Arbeitgebers interessieren. IT-Kräfte wollen über ihr Aufgabenspektrum hinaus auch erfahren, wie häufig ihre Präsenz vor Ort gefordert ist. Ob und in welcher Form im Homeoffice gearbeitet werden kann, ist für Familien mit Kindern mitentscheidend für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Für viele junge Menschen gibt die Aussicht, eigenverantwortlich im Team zu arbeiten, den Ausschlag. An den jeweiligen Interessen muss sich die Kommunikation orientieren – und die passenden Social-Media-Kanäle wählen.
Junge Menschen sind auf TikTok und Instagram unterwegs – also muss der Arbeitgeber dort ebenfalls präsent sein. Führungs- und Fachkräfte schauen sich eher auf LinkedIn und Xing um, auch dort ist Präsenz unverzichtbar. Mal ist der Tonfall locker, mal wird mit Kompetenz gepunktet – die Tonalität muss die Zielgruppe ansprechen und erreichen.
Der Firma ein Gesicht geben
Überzeugendes Employer Branding funktioniert über Glaubwürdigkeit. Und niemand ist glaubwürdiger als Mitarbeiter*innen, die aus erster Hand aus ihrem Arbeitsleben und über ihre Erfahrungen berichten. Und die auf Fragen mit Wissen aus erster Hand reagieren können. Wer im Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis begeistert über seinen Arbeitgeber spricht, ist der perfekte Markenbotschafter. Oder wie es neudeutsch heißt: Corporate Influencer.
Das klappt in Social Media ebenso. Die Erfahrung zeigt, dass persönliche Profile von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen zu höherer Sichtbarkeit und Interaktion führen als Firmenaccounts. Solche Corporate Influencer agieren nicht als Sprachrohr des Unternehmens (dafür gibt es den Firmenaccount), sondern über ihr Fachwissen.
So geht es: Vorbilder beim Employer Branding
Hinter den Botschaften des Unternehmens müssen echte Menschen stehen, das gilt über die Corporate Influencer hinaus. So vermitteln sich Glaubwürdigkeit und Authentizität der Arbeitgebermarke, wie diese Beispiele zeigen.
- DocCheck macht das Arbeiten in der Gesundheitsbranche zum „Medventure“. Auf der Karriereseite gibt es mithilfe eines Chatbots eine individuelle Ansprache und passgenauen Content für Bewerber*innen.
- Das Team vom Hotel Bayerwald hat Leitsätze für die Arbeitgebermarke erarbeitet und im Claim „Mideinand“ umgesetzt, visualisiert in einem Foto-Shooting samt Kissenschlachten und Draisinenrennen auf dem Hotelflur.
- Grimme Landmaschinen: Wer interessiert sich schon für Kartoffel- oder Rübentechnik? Überraschend viele Menschen schauen sich die humorvollen Videos auf TikTok an. Grimme hat mittlerweile sogar einen eigenen Fanshop.
- Stella Vitalis: Die lebenslustigen Ü70-Darsteller*innen (durchaus mit Cringe-Humor) in den TikTok-Videos unter dem Hashtag #KrassAltenheim machen das Arbeiten in den Stella-Vitalis-Pflegeheimen deutlich attraktiver.
- Hachenburger: Die Brauerei aus dem Westerwald zelebriert die kleinen und größeren Erfolge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So kommen viele Angestellte vor die Kamera, die Brauerei wird als Arbeitgeber anfassbar.
Auch Benefits, die Arbeitgeber anbieten, lassen sich über Social Media gut transportieren. Solche Benefits sind in Zeiten des Fachkräftemangels ein probates Mittel, um Interessierte anzulocken. Besonders attraktiv sind laut einer Circula-Umfrage Zuschüsse zur Mobilität (40 Prozent), flexible Arbeitsformen (36 Prozent) und Benefits rund um die Altersvorsorge (33 Prozent). Doch da geht noch mehr:
- KU64: In einem TikTok-Video erzählt ein Azubi der Charlottenburger Zahnarztpraxis, dass das Drei-Gänge-Menü in der Kantine für alle Auszubildenden kostenlos ist. Das kommt gut an. Führungskräfte sucht KU64 übrigens eher über Instagram.
- Berliner Volksbank: Wir haben Benefits in den Kategorien Geld, Zeit und Glück. Zu „Geld“ zählen 13. Monatsgehalt, betriebliche Altersvorsorge oder Rabatte. „Zeit“ sind neben zusätzlichen Urlaubstagen (etwa bei Hochzeiten oder Jubiläen) auch Sabbaticals. Unter „Glück“ fällt der Betriebsarzt, ein freier Präventionstag pro Jahr für Vorsorgeuntersuchungen und ein „Social Day“ für soziale Aktivitäten im Team.
Bei einer Umfrage der Arbeitgebervergleichsplattform kununu für den Tagesspiegel kam heraus, dass die Berliner Volksbank (gemeinsam mit der Bundesdruckerei) berlinweit die attraktivsten Benefits bietet. „Wenn man von außen kommt, sind Benefits greifbarer als andere Faktoren“, sagt Josefine Wolff von der Personalabteilung der Berliner Volksbank. „Erst wenn man im Unternehmen ist, werden das Team, die Führungskraft und Unternehmenskultur wichtiger als Benefits.“
Employer Branding als gelebte Unternehmenskultur
Im Arbeitsalltag zeigt sich, ob Employer Branding mehr ist als ein Marketing-Instrument – nämlich gelebte Unternehmenskultur. Denn beim Employer Branding geht es um weit mehr als um das Anwerben dringend gesuchter Fachkräfte. Es wirkt ebenso nach innen: Wenn der Arbeitgeber seine Stärken authentisch vermittelt, steigert es den Stolz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei diesem Unternehmen beschäftigt zu sein. Warum also den Job wechseln, nur weil ein anderes Unternehmen eine attraktive und damit ansprechende Arbeitgebermarke aufgebaut hat?