Wie geht Marke? "Logos werden überschätzt"
31.08.2023 - Lesezeit: 4 Minuten
Marken vermitteln Vertrauen – doch dieses Vertrauen kann man schnell verspielen. Wie man Marken aufbaut, welche Fehler im Markenmanagement zu vermeiden sind und warum Social Media die Markenentwicklung sogar begünstigt, erzählt Brand-Experte Odo-Ekke Bingel in unserem Interview.
Eine schlichte Frage zum Auftakt, Herr Bingel: Was charakterisiert eine erfolgreiche Marke?
Odo-Ekke Bingel: Im Grunde ist sie wie eine gute Freundin: ehrlich und vertrauenswürdig. Sie kann und tut, was sie verspricht. Sie versteht meine Wünsche und ist immer da, wenn sie gebraucht wird. Aus Sicht eines Geschäftsführers ist eine Marke natürlich nur dann erfolgreich, wenn sie kontinuierlich positive und wachsende Deckungsbeiträge liefert. Als Markenberater würde ich die „4 Ks“ der ganzheitlichen Markenführung zitieren: Kompetenz, Kohärenz, Konsistenz und Kontinuität. Die Markenprämie ist dabei ein guter Gradmesser: Wie viel höher kann der Preis der Produkte gegenüber anderen, schwachen Markenprodukten sein – und wie viele Produkte mehr kann ich bei Preisgleichheit verkaufen.
Was ist mit starken Marken, die sich im günstigen Marktsegment bewegen – wie zum Beispiel DM?
Odo-Ekke Bingel: Mal abgesehen von der starken Gründerpersönlich fußt der Erfolg von DM darauf, dass das Unternehmen kontinuierlich gute Eigenmarken und Produkte zum günstigen Preis anbietet und damit Kunden langfristig bindet. Ein Gradmesser kann also durchaus auch die Menge der verkauften Produkte sein oder die Sicherheit, dass ich auf lange Sicht erfolgreich bin. Apple ist nach wie vor die wertvollste Marke der Welt – und somit bestimmt als erfolgreich zu bezeichnen. Mercedes ist die wertvollste Marke in Deutschland; rund 50 Milliarden Dollar Markenwert sprechen für sich. Auch Red Bull und Jägermeister sind beeindruckende Beispiele.
Jägermeister hat sich vor einigen Jahren einer „Verjüngungskur“ unterzogen und ist heute Kult in der Club- und Partyszene. Kann sowas auch nach hinten losgehen?
Odo-Ekke Bingel: Von Jägermeister war ich bereits in den 1970ern fasziniert. Das Unternehmen brachte damals sein Logo auf die Fußballtrikots von Eintracht Braunschweig und erfand damit quasi die Trikotwerbung. Was die Verjüngung einer Brand betrifft, sollten sich Markenverantwortliche zunächst fragen: Habe ich Zielgruppen außer Acht gelassen oder bereits bestehende Leistungsversprechen der Marke unzureichend kommuniziert? Erfolgreiche Verjüngungen greifen die Einstellung der Zielgruppe auf und erweitern oder korrigieren sie. Opel zum Beispiel spielte mit der Kampagne „Umparken im Kopf“ erfolgreich mit gängigen Vorurteilen gegenüber der Marke. „Dove“ erweitert den Schönheitsbegriff um Natürlichkeit. Ein „jugendlicher Touch“ ohne einen solchen Bezug kann anbiedernd wirken und damit tatsächlich kontraproduktiv sein.
Gibt es weitere No-Gos in der Markenentwicklung?
Odo-Ekke Bingel: Ein No-Go wäre etwa, die Betreuung einer Marke für eine gewisse Zeit auszusetzen. Denn Brands zu managen bedeutet, kontinuierlich an und mit ihnen zu arbeiten. Häufige Wechsel des Brandmanagers können die Marke ebenfalls schwächen. Auch ein Hin und Her in der Markenpflege, etwa durch häufige Relaunches, verunsichert Stammkunden. Kritisch wird es auch, wenn keine kommunikative Konsistenz zwischen den Kanälen besteht – wenn etwa Handelspromotion und Massenkommunikation auseinanderlaufen.
Odo-Ekke Bingel ist Geschäftsführer von BrandCamp Markenmanagement. Er berät seit 1999 als Markenexperte Unternehmen in Sachen Markenarbeit. Bingel hat als Kommunikationschef und Marketingverantwortlicher für Unternehmen wie Hoechst und Schwarzkopf gearbeitet. Sein Unternehmen AwardsUnlimited organisiert und vergibt seit 2014 jährlich den „Corporate Design Preis“ (CDP), den „Junior Corporate Design Preis“ (JCDP) und den „Berliner Type Award“.
Wie wichtig sind Logos im Markenmanagement?
Odo-Ekke Bingel: Logos werden meiner Meinung nach überschätzt. Eine Marke ist die Markierung eines Produktes oder einer Dienstleistung. Markenpflege fängt also bei dessen Herstellung an. Ob Logos überarbeitet werden oder nicht, spielt für den Markenkern erstmal überhaupt keine Rolle. Ich habe im Rahmen einer Markenüberarbeitung mal eine Studie erstellt und dabei die Logos verschiedener Unternehmen im Finanzsegment analysiert. Die waren sich alle so ähnlich, dass man daraus auch ableiten kann: So wichtig können Logos ja nicht sein. Wichtiger ist der Gesamtauftritt der Marke. Wording, Musik, Farben, Formen, Bildauswahl etc. müssen stimmig sein. Die Gesamtheit des Auftritts macht letztlich das Markenbild aus.
Stellen Digitalisierung und Social Media klassisches Markenmanagement auf den Kopf?
Odo-Ekke Bingel: Nein. Es ist doch großartig, dass ich als Brandverantwortlicher jetzt mehr Kanäle für meine Botschaften habe. Ich kann heute jeden Kunden gezielt ansprechen, auf seine Wünsche eingehen, Vertrauen bilden und Authentizität fördern. Es war nie leichter, After-Sales-Kommunikation zu betreiben. Wobei sicherlich die Schnelligkeit der eingehenden Daten aus meiner Sicht die aktuell größte Herausforderung für das Management ist. Künstliche Intelligenz wird helfen, indem sie Standardprozesse übernimmt und freie Zeit für strategische und taktische Überlegungen schafft.
Kann wirklich jede Marke authentisch auf Social-Media-Kanälen wie TikTok, YouTube oder Instagram auftreten?
Odo-Ekke Bingel: Absolut! TikTok, YouTube, Instagram, Facebook, WhatsApp sind nur Kanäle. Aufgabe der Markenverantwortlichen ist es, die Kanäle zu bewerten und jeweils die dafür richtigen Inhalte, Formen und Themen zu finden. Grundvoraussetzung ist natürlich, die Zielgruppen zu kennen. Warum soll ein zwölfjähriger TikTok-Nutzer nicht etwas über die Vorteile von ETFs lernen? Online-Empfehlungen werden immer entscheidender für die Relevanz einer Marke. 700 Millionen Produktrezensionen bei Amazon sprechen eine klare Sprache.
Blick in die Zukunft: In spätestens 20 Jahren – so die Prognosen – wird das Metaversum „Realität“ sein. Was wird das für Marken bedeuten?
Odo-Ekke Bingel: In 3-D wird brillanten Brandmanagern quasi die Welt offenstehen. Sie werden Kunden noch viel schneller erreichen und vermutlich nachhaltiger zu Fans machen können. Ziel muss es dabei sein, die Dominanz im Meinungsmarkt zu gewinnen und nicht zu der von Studien prognostizierten steigenden Anzahl irrelevanter Marken zu gehören. Was mir besonderen Spaß machen würde, ist der holistische Ansatz des Metaversums. Als Markenverantwortlicher könnte ich nicht nur Designer und Betriebswirte engagieren, sondern beispielsweise auch Theaterleute, Eventmanager und Musiker. Die Erlebniswelt Markenuniversum kann die Begeisterung für eine Marke deutlich fördern – und sie natürlich auch entfachen!