Clemens Fuest: "Deutschland ist besonders bedroht"
27.05.2025 - Lesezeit: 7 Minuten

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet besonders stark unter Zöllen und Protektionismus, sagt Prof. Clemens Fuest. Der Präsident des ifo-Instituts skizzierte auf der Veranstaltung “Einblicke” am vergangenen Donnerstag, was Deutschland für eine erfolgreiche Zukunft braucht.
Der Ton zwischen China und den USA ist und bleibt rau, Herr Prof. Fuest. Steht die Welt vor einem Handelskrieg?
Clemens Fuest: Donald Trump hat mit seinen Zöllen einen Handelskonflikt eröffnet. Derzeit verhandelt er mit den Handelspartnern, aber der Konflikt ist nicht beigelegt. Die Situation bleibt angespannt.
Die USA überzieht die Welt mit Zöllen. Was bedeutet das für die globalen Handelsströme?
Clemens Fuest: Das wird davon abhängen, wie der Rest der Welt auf die US-Zölle reagiert. Sicherlich wird der Handel mit den USA abnehmen. Offen ist, ob auch andere Länder protektionistischer werden. Wenn das passiert, könnte der Welthandel erheblich leiden. Derzeit versucht beispielsweise die EU, eher neue Handelsabkommen zu schließen. Das ist der richtige Weg.
Wie stark bedroht von den Verwerfungen ist Deutschlands exportorientierte Wirtschaft?
Clemens Fuest: Deutschland ist mit seiner starken Exportorientierung von Protektionismus besonders bedroht. Allerdings ist der deutsche Außenhandel stark diversifiziert. In die USA gehen etwas mehr als 10 Prozent der deutschen Exporte. Das ist erheblich, aber nicht soviel, dass ein Rückgang dieses Handels Deutschland vor unüberwindbare Probleme stellt.
Muss Deutschland sich entscheiden und sich entweder auf die Seite Chinas oder auf die Seite der USA schlagen? Oder gilt es eher, Abstand von beiden Seiten zu gewinnen?
Clemens Fuest: Trotz der aktuellen Schwierigkeiten mit Donald Trump sind die Beziehungen zu den USA und China sehr unterschiedlich. Die USA sind ein enger Verbündeter in der NATO und ein demokratischer Rechtsstaat. China ist ein Einparteienstaat, der Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Deutschland ist an guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu China interessiert, aber das Verhältnis zu den USA hat grundlegend andere Qualität. Klar ist allerdings auch, dass die aktuelle Politik der USA für Deutschland Anreize schafft, die Beziehungen zu China eher auszubauen.
Was muss die Bundesregierung tun, um die deutsche Wirtschaft durch die turbulenten Fahrwasser zu leiten?
Clemens Fuest: Die Bundesregierung sollte die Wachstumsschwäche Deutschlands angehen und dafür sorgen, dass die Bundeswehr stark genug ist, um ihren Beitrag zur Sicherheit und zum Frieden in Europa zu leisten.
Ist es realistisch, dass deutsche Unternehmen mögliche Umsatzverluste durch mehr Handel in der EU auffangen? Oder durch vertiefte Handelsbeziehungen zu anderen Ländern?
Clemens Fuest: Wir brauchen beides. Der EU-Binnenmarkt ist weit davon entfernt, ein Markt ohne Handelshemmnisse zu sein. Vor allem bei Dienstleistungen gibt es nach wie vor große Barrieren. Außerdem sollte die EU die Liberalisierung des Handels mit Drittländern vorantreiben. Ob das Verluste im US-Handel voll kompensieren wird, ist offen – aber helfen wird es auf jeden Fall.
Wie stark können europäische Handelsinitiativen wie die EU-Handelsabkommen mit Mercosur, ASEAN oder Indien deutsche Unternehmen tatsächlich entlasten?
Clemens Fuest: Deutsche Unternehmen haben in der Vergangenheit verschiedentlich gezeigt, dass sie gut darin sind, in neuen Märkten Fuß zu fassen. Natürlich setzt das voraus, dass die Unternehmen wettbewerbsfähig sind, also Qualität und Preis deutscher Produkte stimmen. In den letzten Jahren haben deutsche Exporteure leider an Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Wie gefährlich ist der wachsende Standortnachteil Deutschlands im internationalen Vergleich – etwa bei Energiepreisen, Bürokratie oder Digitalisierung?
Clemens Fuest: Deutschland hat in den letzten Jahren eine teure und teils irrationale Energiepolitik betrieben und viel unnötige Bürokratie aufgebaut. Digitalisierung wird durch fragwürdige Regulierungen gehemmt. All dies trägt zur wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands bei.
Was können Unternehmen konkret tun, um auch in einem unsicheren globalen Umfeld handlungsfähig zu bleiben?
Clemens Fuest: Die Unternehmen müssen sich auf Unsicherheit einstellen und mehr Ressourcen in Resilienz investieren – beispielsweise durch diversifizierte Lieferketten oder Lagerhaltung. Das treibt Kosten in die Höhe, ist in diesem Umfeld aber unvermeidbar. Um so wichtiger ist es, an anderer Stelle Kosten zu senken, beispielsweise durch Bürokratieabbau.
Was sagen die neuesten Konjunkturdaten des ifo Instituts über die nächsten Monate aus: Droht eine Stagnation oder ein Aufschwung?
Clemens Fuest: Wir rechnen 2025 mit einer Fortsetzung der Stagnation und für 2026 mit einer Rückkehr zu Wachstum, auch getrieben durch die Schuldenpakete für Infrastruktur und Verteidigung.
Für wie realistisch halten Sie es, dass Ihre Wünsche und Erwartungen von der Bundesregierung auch tatsächlich umgesetzt werden?
Clemens Fuest: Union und SPD haben die Rückkehr zu Wirtschaftswachstum in den Mittelpunkt des Koalitionsvertrags gestellt. Auch wenn vieles noch konkretisiert werden muss. Man sollte einer neuen Regierung zutrauen, dass Richtige zu tun, auch wenn die Herausforderungen groß sind. Ich bin vorsichtig optimistisch.

Seit 2016 leitet Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung sowie das Center for Economic Studies der Ludwig-Maximilans-Universität München. Zuvor führte Fuest das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) als Präsident und Wissenschaftlicher Direktor. Nach Promotion in Köln und Habilitation in München hat er Volkswirtschaft in Köln, Oxford und Mannheim gelehrt. Fuest gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen Deutschlands.