Female Empowerment: „Die Frauen feiern sich!“
30.06.2023 - Lesezeit: 8 Minuten
Wie wird Female Empowerment durch gute Führung gefördert? Frauke van Bevern, Kommunikationschefin der Berliner Volksbank, unterhält sich beim Risotto-Vorbereiten mit Stephanie Hielscher über Vorbilder, Rückschläge und nicht zuletzt – Stutenbissigkeit.
Stephanie Hielscher: Wir reden heute über Empowerment, ganz besonders über Female Empowerment. Was hat dich empowert, deine Karriere anzustreben?
Frauke van Bevern: Was ich suche, sind Herausforderungen. Ich bin jemand, die total veränderungsbereit ist. Mit 35 Jahren bot sich mir die Chance, ein Team von 40 Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen. Damals hatte ich null Führungserfahrung. Zugetraut habe ich es mir trotzdem und die Chance ergriffen.
Der Schlüssel lag also in dir. Du hast es geschafft, dich zu empowern. In welchen Momenten hast du ein solches Empowerment von außen erlebt?
Mein Ausbilder hat mich sehr empowert. Ich war 20 Jahre jung und mein Ausbilder hat mich bereits während meiner Ausbildung zur Werbekauffrau so behandelt, als hätte ich bereits ausgelernt. Kundentermine habe ich bereits nach einem halben Jahr allein wahrgenommen. Das stieß bei einigen Kunden nicht auf Begeisterung – ich wurde nicht für voll genommen. Mein Ausbilder hat dann aber kommuniziert, „wenn Frauke van Bevern kommt, dann ist das so, als wenn ich komme“. Für mich war das sensationell – er hat mir das ganz einfach zugetraut. Und von da an hat es auch mit den Kunden funktioniert. Mein Ausbilder hat eben auch akzeptiert, dass ich Fehler mache und mich immer wieder bestärkt und auch angetrieben, einen Schritt weiterzugehen.
Was ist Empowerment? Eine Definition
Empowerment kommt aus dem Englischen und bedeutet auf Deutsch „Ermächtigung“. Der Sinn und Zweck von Empowerment besteht darin, Menschen zu befähigen, ihr Wissen und Können einzusetzen, um Mitbestimmungs- und damit Handlungsspielräume zu nutzen.
Was würdest du sagen, wie du in deiner Führung bist?
Ich mache das jetzt schon bald 20 Jahre. Und ich kann dir sagen: Der Anfang war eine Katastrophe. Ich habe so viele Fehler gemacht, wie man nur machen kann. In dieser Zeit habe ich nie jemanden gehabt, der mich begleitet hat und den ich mal fragen konnte. Dass man Fehler macht, ist ja normal, das gehört dazu und das ist auch gut, um daraus zu lernen. Aber es gibt auch Fehler, die vermeidbar sind. Und die habe ich eben auch gemacht. Ich habe mir immer jemanden an meiner Seite gewünscht. Jemanden, der mich an eine Führungsrolle heranführt.
Ich wurde in einem Unternehmen mit 15.000 Mitarbeitern sozialisiert - meine Führungsausbildung war eher hierarchisch geprägt. Heute versuche ich, wenig hierarchisch zu arbeiten, Konflikte anders zu lösen, mehr Eigenverantwortung zu geben. Heute erlebe ich Menschen, die ins Unternehmen kommen, die Führung ganz anders erleben wollen. Sie wollen empowert werden – vor allem jüngere Menschen. Über diese Entwicklung von Führung bin ich sehr froh, finde sie richtig und gut. Ich spüre hin und wieder aber auch, dass ich selbst in der Entwicklung bin und alte Dinge, Verhaltensweisen und Denkmuster ablegen muss. Ich glaube, Führungskräften meiner Generation, die noch anders sozialisiert und trainiert wurden, passiert das hin und wieder, dass man in die „alte Welt“ zurückrutscht. Das lässt sich nicht einfach komplett abschütteln.
Gibt es für dich in deinem aktuellen Arbeitsleben eine Person, die dich empowert, dich bestärkt?
Nein, das bin ich selbst. Ich brauche viel Freiheit, viel Gestaltungsspielraum und Veränderung. Das ist etwas, was ich sehr schätze, aber auch etwas, das mich treibt. Und so gesehen kommt das Empowern schon auch von meinem Chef, denn er lässt mich laufen. Er ist offen, nicht beratungsresistent, hört zu und gibt mir wichtige Impulse.
Gibt es Dinge, die du in deinen Alltag integriert hast, die dir die Kraft geben, die du brauchst?
Ja, die gibt es. In der Freibadsaison gehe ich morgens vor der Arbeit schwimmen. Das gibt mir Kraft für den Tag. Außerdem fotografiere ich leidenschaftlich gerne, habe eigentlich immer die Kamera in der Hand. Ich habe kürzlich mit dem Siebdrucken angefangen - kreatives Arbeiten ist mir wichtig. Ach, und ich stehe leidenschaftlich gern in der Küche. Ich koche gern, habe gern Freunde um mich herum. Und auch auf die Gefahr, dass es mal schief geht: Wir werden schon satt! Das ist für mich ein kreativer Ausgleich. Es gibt Leute, die nach Feierabend Managementbücher lesen. Zu denen gehöre ich nicht. Dafür höre ich gern Podcasts, lasse mich davon inspirieren, habe die Hände frei und mache währenddessen noch etwas anderes. Zum Beispiel ein Risotto Milanese.
Ich habe mir immer jemanden an meiner Seite gewünscht. Jemanden, der mich an eine Führungsrolle heranführt.
Frauke van Bevern, Kommunikationschefin der Berliner Volksbank
Du hast im vergangenen Jahr eine Auszeit genommen und bist gereist. Was hat so ein Sabbatical mit Empowerment zu tun?
Durch meinen Job bin ich stark fremdbestimmt, mein Terminkalender ist immer voll. Mein Plan für das Sabbatical war es, keinen festen Plan zu haben, die Dinge auf mich zukommen zu lassen. Und ich wollte die echte italienische Küche kennenlernen. Dafür bin ich durch Italien gereist und habe mit Italienerinnen und Italienern gekocht.
Was hast du in Italien über Empowerment gelernt?
In den Familien haben die Frauen „die Hosen an“ – sie halten la famiglia zusammen. Wenn du dabei bist, wenn Oma, Mama, Tochter und Enkelin gemeinsam das Essen zubereiten, dann verstehst du, dass Empowerment nicht bedeutet, dass jede still und leise vor sich hin schnippelt. Sondern, dass gelacht wird und Tipps geteilt werden, damit jede ihr Bestes geben kann. Die Frauen spornen einander an, sie feiern sich! Für mich die perfekte Metapher für eine erfolgreiche Zusammenarbeit – gerade auch unter Frauen.
Die Berliner Volksbank möchtet das Thema Female Empowerment jetzt stärker voranbringen. Wie sieht euer Plan aus?
Es geht um zweierlei Perspektiven: den Blick in unsere Bank und den zu unseren Mitgliedern und Kundinnen. Frauen stellen in unserer Bank einen Anteil von über 60 Prozent. Unser Ziel ist es, sie zu empowern und sichtbarer zu machen. Ich tausche mich dazu eng mit meiner Kollegin und Personalchefin Gabriele Kinast aus. Es geht uns aber auch um die Stärkung unserer weiblichen Mitglieder und Kundinnen. Unser Geschäftsmodell ist ja so angelegt, dass wir unseren Mitgliedern und Kunden ein Netzwerk bieten, um sich auszutauschen und gegenseitig zu empowern. Hier kommt der „Salon F“ ins Spiel, ein lebendiges Veranstaltungsformat für Frauen mit spannenden, relevanten Themen und wechselnden Gastgeberinnen aus unserer Bank. Es ist Zeit, dass wir neue Narrative und Inspirationen schaffen – exklusiv für Frauen.
Gerade fand die erste Veranstaltung statt. Wie war´s?
Wunderbar inspirierend! Unsere Vorständin Martina Palte und ich durften in die Rolle der Gastgeberinnen schlüpfen und Kundinnen begrüßen, die auch Mitglieder unserer genossenschaftlichen Bank sind – denn die Anteilseigner der Bank sind uns besonders wichtig. Diese Runde haben wir arrondiert um inspirierende Multiplikatorinnen aus unserer Region. Für die Keynote konnten wir die fantastische Karin Kuschik gewinnen. Die Resonanz auf diesen Salon F war überwältigend und macht Lust auf mehr!
Es geht langsam voran mit dem Female Empowerment
Du hast das Genossenschaftsmodell angesprochen. Was ist da die spezielle Verbindung zum Female Empowerment?
Da muss ich ein klein wenig ausholen. Als ich zur Berliner Volksbank wechselte, war der ausschlaggebende Punkt, dass sie eine Genossenschaftsbank ist. Das Ökosystem Genossenschaft finde ich wichtig und richtig. Als regionale Genossenschaftsbank wissen wir, was hier gebraucht wird. Wir kennen den Markt. Wir sind hier zu Hause. Unser Ziel ist es, nah am Kunden zu sein, aber auch, unsere Kunden zusammenzubringen. Wenn wir selbst Dienstleister suchen, schauen wir zuerst unter unseren Mitgliedern und Kunden. Wir wollen die Gemeinschaft zusammenhalten und empowern. Darin sehe ich unseren Auftrag als große regionale Bank.
Leider ist es in vielen Lebensbereichen gang und gäbe, dass Frauen sich gegenseitig eher herunterziehen, als sich zu empowern. Wie versucht ihr in der Bank eine Atmosphäre zu schaffen, in der es einen Teamspirit gibt, einen Zusammenhalt und ein Sich-gegenseitig-Empowern?
Dafür gibt es kein Erfolgsrezept. Daran muss man täglich arbeiten und es auch vorleben. Sich füreinander und für den gemeinsamen Austausch Zeit zu nehmen, ist sicher ein Aspekt, der darauf einzahlt. Dass wir einander häufiger wieder in Präsenz sehen, ist gerade auch dafür für mich eine Wohltat. Sich selbst zu reflektieren gehört für mich auch dazu, denn natürlich gibt es auch Tage, an denen es so hoch hergeht, dass man nicht immer alles auf dem Zettel hat. Dazu muss man dann auch stehen, muss darüber sprechen, sich entschuldigen. Das gehört ganz einfach dazu.
Dass Frauen sich gegenseitig Steine in den Weg legen, habe ich auch erlebt, Stichwort Stutenbiss. Wenn um dich herum Frauen sind, die dir nichts gönnen, beeinflusst dich das stark. Du wirst misstrauisch, hast kein Vertrauen mehr. Ich würde gern daran mitarbeiten, dass das aufhört. Ich hatte das lange nicht auf dem Zettel, obwohl es mich schon früher gestört hat, wenn ich erlebt habe, dass Frauen nicht zusammenhalten. Für mich musste das erst ein Fokus werden. Jetzt ist es einer.
Heute erlebe ich junge Menschen, die Führung ganz anders erleben wollen. Sie wollen empowert werden – über diese Entwicklung von Führung bin ich sehr froh.
Frauke van Bevern, Kommunikationschefin der Berliner Volksbank
Du erwähnst die Stutenbissigkeit. Wieso scheint das bei Männern untereinander nicht so ein Thema zu sein?
Um ehrlich zu sein: Ich glaube, Männer sind genauso. Sie regeln das nur anders. Da findet Kräftemessen auf einer anderen Ebene statt. Dann knallt es vielleicht einmal und dann gehen sie gemeinsam an die Bar, ein Bier trinken. Bei Frauen findet das unterschwelliger statt, nicht mit offenem Visier. Ich glaube, dass Frauen per se immer stärker kämpfen mussten, um eine Position und eine Sichtbarkeit in der Gesellschaft zu bekommen. Sei es, dass sie wählen oder selbstbestimmt leben dürfen. Ich glaube, dass das alles mitschwingt.
Spielt es für den wirtschaftlichen Erfolg der Bank eine Rolle, dass sie sich aktiv mit Female Empowerment beschäftigt?
Ja, natürlich. Man muss ein Unternehmen mit Themen aufladen, damit es Kunden und Mitarbeiter anzieht, denen es wichtig ist, womit du dich beschäftigst und dass du dich zeitgemäß aufstellst. Das wirkt sich auf die Reputation und damit den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens aus. Sich gegenseitig zu empowern und zusammenzutun, folgt unserer genossenschaftlichen Idee. Es liegt in unserer DNA.
Frauke van Bevern gestaltet seit über zehn Jahren als Kommunikationschefin der Berliner Volksbank die Marke und Unternehmenskommunikation der größten Genossenschaftsbank Deutschlands. Als Führungskraft setzt sie darauf, Menschen zu stärken und in ihrer Entwicklung zu fördern.
Stephanie Hielscher ist Journalistin. In ihrem Podcast „50 über 50“ spricht sie mit Frauen aus Wirtschaft, Politik, Medizin und Gesellschaft über das Älterwerden. Was fühlt sich gut an? Was stresst? Was gibt Kraft? Auch Frauke van Bevern war in „50 über 50“ bereits zu Gast.