Was kommt nach der US-Wahl auf deutsche Unternehmen zu?
10.10.2024 - Lesezeit: 6 Minuten

Der Ausgang der US-Wahlen am 5. November wird auch die Beziehungen zu Europa beeinflussen. Worauf sich deutsche Unternehmen einstellen sollten, erzählt Oliver Hildenbrand vom German Desk der DZ Bank in New York bei einem Vortrag im Quartier Berliner Volksbank.
Im November wird in den USA gewählt. Was haben deutsche Unternehmen zu erwarten, wenn Kamala Harris gewinnt? Und was kommt auf sie zu, falls Donald Trump nächster US-Präsident wird?
Oliver Hildenbrand: Die Antwort mag Sie überraschen, aber für die deutschen Unternehmen in den USA scheint es nicht übermäßig wichtig zu sein, wer in den nächsten vier Jahren im Weißen Haus sitzt.
Das überrascht mich wirklich. Donald Trump will die Zölle erhöhen und die Unternehmenssteuern senken, Kamala Harris hingegen diese Steuern erhöhen – das hat doch Auswirkungen auf deutsche Unternehmen!?
Das stimmt, aber Unternehmen denken ja in längeren Zeiträumen. Wer in den USA investiert oder dort produziert, plant heute für die nächsten zehn oder gar 20 Jahre. Das ist nicht der einzige Grund, warum die deutschen Unternehmen in den USA es für wenig entscheidend halten, wer die Wahl gewinnt. Wer auch demnächst im Oval Office sitzt, wird voraussichtlich über keine breite Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus verfügen. Dieses System aus „Checks and Balances“ funktioniert seit mehr als 200 Jahren überzeugend, daran werden die nächsten vier Jahre voraussichtlich nichts ändern. Da es im jeweils anderen Haus garantiert Widerstand geben wird, können die Ideen aus dem Oval Office nicht ungefiltert durch- und umgesetzt werden. Ob Kamala Harris oder Donald Trump: Ohne Kompromisse wird es nicht gehen.
Die USA bleiben also attraktiv für deutsche Unternehmen, egal wer regiert?
Die USA sind ein großer homogener Markt mit konsumfreudigen Menschen in einem stabilen Rechtssystem – das ist und bleibt attraktiv. Es gibt gute Gründe dafür, warum wir in den vergangenen Jahren gute Geschäfte gemacht haben. Ein Grund ist sicherlich der Inflation Reduction Act, der unter dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden im Jahr 2022 verabschiedet wurde. Mit diesen etwa 430 Milliarden Dollar sollte weniger die Inflation gesenkt als Investitionen in Klimaschutz und Energiesicherheit angeregt werden. Das hat funktioniert. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen, die in den USA produzieren und investieren.
Donald Trump hat allerdings sehr deutlich gemacht, dass er vor allem US-amerikanische Unternehmen fördern will.
Deshalb sollen ja auch die Zölle erhöht werden. Produkte, die von deutschen Unternehmen in den USA produziert werden, wären davon nicht betroffen. Die USA sind nach wie vor daran interessiert, Investitionen ins Land zu holen.
Deutsche Unternehmen sollten sich also nicht fürchten, das „Abenteuer USA“ anzugehen?
Mit der richtigen Einstellung kann das ein riesiger Erfolg werden. Wer allerdings denkt, „Die Amerikaner haben nur auf unser tolles Produkt gewartet“, der wird sich sicherlich sehr schwertun. Als deutsches Unternehmen muss man sich im Vorfeld den Markt genau anschauen, die verschiedenen möglichen Standorte analysieren und auch die Verfügbarkeit an qualifizierten Arbeitskräften prüfen …
… und sollte eruieren, wo es die meisten Subventionen gibt?
Falls es die in Alaska gibt – für wen ist das schon der geeignete Standort? Andersherum wird ein Schuh draus: Wenn ich um geeignete Standorte weiß, kann ich fragen, was es dort an Subventionen gibt. Wie die Wahl auch ausfällt: Deutsche Unternehmen werden in den USA mit offenen Armen empfangen!
Weil Unternehmen ja langfristig planen: Wird das auch in zehn Jahren noch der Fall sein?
Unser Research erwartet für die USA in diesem Jahr ein Wachstum von rund 2,4 Prozent, davon können wir in Deutschland nur träumen. Die Inflation und auch die Zinsen sinken, das könnte der Konsumfreude weitere Impulse geben. Einzig die Abkühlung am Arbeitsmarkt hat jüngst für etwas Skepsis gesorgt. Die wirtschaftlichen Aussichten sind aber gut!
Wenn alles so gut läuft, warum wählen die US-Amerikaner*innen nicht einfach das „Weiter so!“?
Weil es beispielsweise auf dem Immobilienmarkt nicht so gut läuft. Die Preise für Häuser haben sich seit 2014 vielerorts verdoppelt. Damit wird für viele Menschen der Traum vom Eigenheim unerreichbar. Aus gutem Grund spricht Kamala Harris im Wahlkampf darüber, den Erwerb des eigenen Heims wieder erschwinglicher zu machen. Die Botschaft ist: Wir hören euch!
Wagen wir zum Abschluss den Blick in die Zukunft: Wie geht es langfristig weiter mit den USA – unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt?
Die Investitionsmöglichkeiten für Unternehmen – auch deutsche – werden in den kommenden Jahren unverändert attraktiv sein. Ich blicke gespannt darauf, wie sich die sinkende Inflation bei einer gleichzeitigen Schwächung des Arbeitsmarktes auf das Konsumverhalten auswirken wird und was die Fed daraus für ihre Leitzinsentscheidungen ableitet. Und ich schaue auf die zunehmende Staatsverschuldung, die – unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt – voraussichtlich weiter ansteigen wird. Das Congressional Budget Office prognostiziert, dass die Staatsverschuldung in zehn Jahren bei 120 Prozent des BIP liegen wird. Das kann langfristig die Bonität der USA bedrohen und macht mir wirklich Sorge – nicht für heute oder morgen, aber für übermorgen.
Zur Person

Oliver Hildenbrand (Leiter German Desk DZ BANK AG in New York) ist seit fast 30 Jahren im Bankenbereich tätig, zunächst in Deutschland sowie in London und seit 1995 in New York. Er arbeitet seit 2007 bei der DZ BANK und ist Leiter des German Desk der DZ BANK AG, Filiale New York. Herr Hildenbrand ist auch Leiter des internationalen Handels- und Exportfinanzierungsteams in Nordamerika und stellvertretender Filialeiter.