Jede vierte Wohnung muss energetisch saniert werden
27.09.2023 - Lesezeit: 5 Minuten
Fast die Hälfte der in Berlin verursachten CO2-Emissionen entstehen durch Heizen, Klimatisieren und Warmwasseraufbereitung. Wie kann es gelingen, diesen Ausstoß um 80 Prozent zu senken? Dieser Frage widmet sich die aktuelle Studie der Berliner Volksbank: „Berliner Wohnungsbestand: Wie teuer ist der Weg zur Nachhaltigkeit? Teil 1: Bestandsaufnahme“.
Neubauten sollen künftig emissionsfrei und, falls möglich, mit Solaranlagen ausgestattet sein. Auch viele Bestandsbauten müssen in den kommenden zehn Jahren saniert werden, damit sie weniger Emissionen ausstoßen. So jedenfalls plant es die Europäische Union, bis spätestens 2025 sollen die Vorlagen aus Brüssel in nationales Recht umgewandelt werden. So lobenswert die Absicht sein mag: Sind diese Pläne überhaupt umzusetzen? Wir haben die unabhängigen Analyse-Spezialist*innen der bulwiengesa AG beauftragt, mit Zahlen zu unterfüttern, wie hoch der Bedarf für Sanierungen und neue Heizungen in Berlin überhaupt ist – und mit welchen Investitionskosten zu rechnen ist. Die komplette Studie wird im November vorliegen, doch bereits der erste Teil – die Bestandsaufnahme des Berliner Wohnungsmarkts – gibt aufschlussreiche Hinweise, was die kommenden Jahre bringen und woran gesetzliche Vorgaben in der Realität scheitern könnten.
27 Prozent der Berliner Wohnungen müssen in den kommenden zehn Jahren „energetisch ertüchtigt“ werden, das ist eine Kernerkenntnis der Studie, um zumindest den Vorgaben der gesetzlich wohl demnächst geforderten Energieeffizienzklasse D zu genügen. Aus der Studie lässt sich ablesen, dass insbesondere Wohnungen aus der Gründerzeit saniert werden müssen. Sie haben „häufig keine Wärmedämmung und weisen aufgrund ihrer hohen Decken sowie großzügiger Grundrisse einen hohen Energieverbrauch auf“. Ähnlich hoch ist der Energieverbrauch in Wohnungen, die zwischen 1919 und 1948 gebaut wurden. Laut Studie müssen rund 45 Prozent aller vor 1949 gebauten Wohnungen entsprechend modernisiert werden, um den Sprung in die Energieeffizienzklasse D zu schaffen.
Wie führt Nachhaltigkeit zum Ziel?
Wir als Berliner Volksbank unterstützen Wohnungseigentümer – ob Eigenheimbesitzer oder Wohnungsgesellschaft – dabei, die Energieeffizienz bei ihren Immobilien zu verbessern. Denn wir sind davon überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaften langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Deshalb ist es sinnvoll, Immobilien unter Nachhaltigkeitsaspekten zu betrachten, schließlich verursacht der Gebäudesektor – je nach Berechnung – 15 bis 30 Prozent aller CO2-Emissionen. Energieeffizienz ist also ein effektiver Hebel, um den Ausstoß an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu drosseln. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die geplanten gesetzlichen Vorgaben zum gewünschten Ziel führen.
Was uns als langjährigem Marktteilnehmer auffällt: Sämtliche Bautätigkeiten werden derzeit stark zurückgefahren. Auch das Homeoffice sorgt dafür, dass die Nachfrage nach neuen Bürogebäuden spürbar zurückgeht. Einzig Büroflächen in zentraler Lage sind weiterhin heiß begehrt. Wer hier neu baut, so unsere Beobachtung, plant von vornherein „grün“ – hier gibt es also keine Probleme mit gesetzlichen Vorgaben. Ansonsten werden wenig Büroneubauten angegangen, genauso sieht es beim Wohnungsbau aus. Das hat nicht nur mit gestiegenen Zinsen zu tun, sondern ebenso mit zusätzlichen Kosten, die aufgrund zukünftiger gesetzlicher Anforderungen anfallen könnten. Da fehlt im Moment jede Planungssicherheit, die finanziellen Risiken werden unkalkulierbar. Die Planungs- und insbesondere die Genehmigungsphase dauern häufig länger als die eigentliche Bauzeit. Viele Vorhaben werden daher momentan zurückgestellt.
Solaranlagen auf jedem Dach?
Grob geschätzt sind ein Drittel aller Berliner Dächer für Solarstrom geeignet. Es existiert also ein riesiges Potenzial für eine nachhaltigere Energieversorgung, etwa über Mieterstrom. Die Idee hinter Mieterstrom: Die Vermieter bauen Solaranlagen auf die Dächer von Mietshäusern und bieten den dort wohnenden Mietern diesen Strom zu einem günstigen Preis an; die Mieter verpflichten sich, diesen Hausstrom abzunehmen. Mit den passenden gesetzlichen Vorgaben könnte der Strompreis in Mieterstrom-Projekten deutlich unter den heutigen Strompreisen für private Haushalte sinken, doch von entsprechenden Überlegungen in der Politik haben wir noch nichts gehört. Anders sieht es mit den Plänen der Politik aus, verpflichtend Solaranlagen auf Neubaudächern zu installieren. Warum also nicht auch verpflichtend für Mieter?
Bis tatsächlich auf jedem dritten Dach entsprechende Solaranlagen installiert werden, wird es noch eine Weile dauern. Dasselbe gilt für das Umsteigen von Gasheizungen auf Wärmepumpen. Damit können Eigenheimbesitzer am Stadtrand gern jetzt schon anfangen, aber 84 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wohnen zur Miete – und über die Heizungsart entscheidet der Vermieter. Zudem ist fast die Hälfte der Mehrfamilienhäuser ans Berliner Fernwärmenetz angeschlossen, und das setzt bislang vorrangig auf Gas. Hier eine Dekarbonisierung zu erreichen, wird ein langfristiger – und teurer – Prozess sein.
Konkrete Zahlen und Informationen zur Sanierung von Gebäuden bietet der zweite Teil unserer Studie, den wir im November vorlegen wollen. Darin werden die Sanierungs- und Investitionskosten für den gesamten Berliner Gebäudebestand bis zur geplanten Klimaneutralität im Jahr 2045 ermittelt. Arbeitstitel: „Wie teuer ist der Weg zur Nachhaltigkeit?“ Auf die Antworten können wir gespannt sein!