Enpal - Solarstrom im Netflix-Format

28.12.2022 - Lesezeit: 7 Minuten

Enpal - Wolfgang Gründinger
Enpal - Wolfgang Gründinger

Kein Berliner Unternehmen wächst so schnell wie Enpal. Das Startup verkauft Solaranlagen im Abo.

Und schon wieder applaudiert der Saal.  Zum siebten Mal schon in der letzten halben Stunde. Abschluss. Neukunde Nummer 18 an diesem Morgen.  Der Saal thront über den Dächern Berlins. Nur der Fernsehturm ist höher. Zwei Fußballspiele könnten hier gleichzeitig stattfinden. Die Kulisse erinnert an „Wolf of Wallstreet“, ein Heer von Vertrieblern, bewaffnet mit Headsets vor einer Wand von Bildschirmen. Aber sie verkaufen den Deutschen am anderen Ende der Leitung keine wertlosen Aktien oder Ramschanleihen wie Leonardo di Caprio, sie machen ihnen die Energiewende schmackhaft. Applaus, Abschluss, auch Isabel und Michael Stanev aus Berlin-Altglienicke haben ein Solar-Abo von Enpal abgeschlossen.

Enpal vermietet ihnen eine Solaranlage, kümmert sich um Wartung und Betrieb. Statt der einmaligen Anschaffungskosten bezahlen die Kunden eine Abogebühr von 60 bis 160 Euro im Monat. Solarstrom im Netflix-Format. Inzwischen zählt die Firma zu der gar nicht mehr so kleinen Herde der Einhörner, also jenen Startups, die mehr als eine Milliarde Euro wert sein sollen. Ein Wachstum, dass längst bekannte Geldgeber wie Alexander Samwer, Elon Musks Cousin Peter Rive und tatsächlich Leonardo di Caprio angelockt hat. Je teurer Sprit, Gas und Heizöl, desto höher die Nachfrage. In jeder Reihe telefonieren 20 Leute je Team, sie haben sich lustige Namen gegeben wie „Closer Nostra“ oder „Star Catcher“. Wenn Wachstum ein Ort wäre, dann dieser. Applaus, Applaus.

In Kurzform funktioniert Enpal so: Der Kunde schickt Bilder von seinem Dach. Das Unternehmen berechnet die Größe der PV-Anlage, Mietpreis und den Ertrag an grünem Strom. Etwa einen Monat später ist die Anlage installiert. Die Laufzeit für die Leasing-Verträge liegt bei zwanzig Jahren, danach können Kunden die Anlage für einen Euro kaufen. „Mit einer Solaranlage und dem Speicher kann man ungefähr zwei Drittel seines eigenen Strombedarfs decken. Im Sommer liefern Solaranlagen häufig bis zu 100 Prozent des Stroms, den man verbraucht. Im Winter sieht es anders aus“, sagt Mario Kohle. Ein Name wie gemacht für ein Unternehmen, das den Klimawandel aufhalten will. Kohle hat Enpal vor fünf Jahren gegründet, „um das komplexe Produkt Solaranlage so einfach wie möglich zu machen“, wie er sagt. Der 37-Jährige kommt aus Strausberg, im Osten Berlins. Abi 1,0, BWL-Studium an der WHU, erste Firma mit 20, Aroundhome, ein Portal zur Vermittlung von Fachfirmen für Dienstleistungen und Produkte rund ums Haus. Aber das genügte ihm schon bald nicht mehr.

Solaranlagen im Abo

Solaranlagen im Abo

Erst wollte Kohle Solaranlagen nur online verkaufen, aber weil das für die meisten Kunden zu komplex war, kam er auf die Idee der Rundumversorgung im Abo-Modell. Erst nur mit den Solarmodulen, seit April dieses Jahres bietet Enpal aber auch eine Komplettlösung für Solarstrom und E-Mobilität an. Durch die zusätzliche Vermietung von Wallboxen können die Kunden ihr Auto mit ihrem eigenen grünen Strom laden. Das Besondere an den Wallboxen ist, dass sie so eingestellt werden können, dass sie immer dann laden, wenn viel überschüssiger Solarstrom vorhanden und er dadurch günstiger ist. Achtzig Prozent ihrer Kunden, sagt Kohle, mieteten die Wallbox zusammen mit der Solaranlage – darunter auch Menschen, die noch gar kein E-Auto besäßen.

Laut Bundesverband Solarwirtschaft fehlt „deutlich mehr als 1000 fertig installierten Anlagen“ in Deutschland eine Zertifizierung. Die mehr als 500 Enpal-Handwerker installieren jeden Monat mehr als 1300 Anlagen. Eine Geschwindigkeit, mit der das Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet hat. Aber das war vor Putins Invasion: „Die große Ironie ist, dass die Ukrainekrise und der Krieg zu einem beispiellosen Anstieg der Nachfrage nach Solaranlagen in Deutschland geführt haben“, sagt Wolfgang Gründinger, einst Klimawende-Aktivist und heute so etwas wie der Botschafter Enpals. „Dieses Jahr werden wir den Umsatz mindestens verdoppeln“, sagt er.

Gerade erst listete die Financial Times Enpal auf Platz fünf der am schnellsten wachsenden Unternehmen Europas - mit einem durchschnittlichen Wachstum von knapp 400 Prozent in den Jahren von 2017 bis 2020. In dem von der „Financial Times“ mit Statista veröffentlichten Ranking wird Enpal mit einem Sprung von knapp 0,5 Millionen Euro Umsatz 2017 auf 56 Millionen Euro 2020 sowie einem Wachstum von neun auf 365 Mitarbeitern im gleichen Zeitraum als das am schnellsten wachsende Energieunternehmen geführt. Im Länderranking deutscher Start-ups liegt Enpal ebenfalls auf Platz eins.

Enpal

Enpal soll die größte Erneuerbare-Energie-Plattform der Welt werden

„Wir wollen Enpal zur größten Erneuerbare-Energien-Plattform der Welt machen und peilen bis Ende 2024 einen Umsatz von mehr zwei Milliarden Euro an“, sagt Gründinger. Ambitionen, mit denen Enpal wohl auch den Appetit von Investoren auf einen möglichen Börsengang testen wollte. Pläne für ein IPO gibt es derzeit keine, aber in der Berliner Wagniskapital-Szene wird längst über den „Kohle-Ausstieg“ gemunkelt.

Dabei steht Enpal noch ganz am Anfang, wenn man Botschafter Gründinger zuhört: „Der nächste logische Schritt wird sein, das Ganze mit dem Thema Wärme zu koppeln“, sagt er mit Blick auf die Wärmepumpe als weitere Ergänzung des Angebots. Das Wachstum kostet viel Geld, weil Enpal im operativen Geschäft die vor allem in China beschafften Module für die eigenen Solaranlagen vorfinanzieren muss. „Insofern ist es bei dem starken Wachstum nicht schlecht, Geld auf der hohen Kante zu haben“, sagt Gründinger. Im Herbst 2021 hat Enpal eine Finanzierungsrunde abgeschlossen, in der der japanische Technologieinvestor Softbank 150 Millionen Euro zu einer Bewertung von etwas mehr als einer Milliarde Euro investierte.

Um die Solaranlage nicht nur auf das Dach der Kunden zu bringen, sondern die Anlage dann auch im Abo-Modell zur Miete betreiben zu können, zapft Enpal auch Banken als Kreditgeber an. 2021 hat Enpal knapp 400 Millionen Euro Asset-basierte Fremdkapitalfinanzierung bei institutionellen Anlegern wie BlackRock , Unicredit und Pricoa Capital Group klargemacht. Die Fremdkapitalaufnahme erfolgt dabei über Special Purpose Vehicles (SPV), die mit den Mietzahlungen der Kunden die Kredite tilgen.

Bei den „Star Catchern“ klatscht es schon wieder. 70 Neukunden werden es allein an diesem Tag sein. 17.000 sind es inzwischen deutschlandweit. Und vielleicht kommt noch einer heute hinzu.  Am Abend starten wir einen Selbstversuch, rufen die Hotline an, eine freundliche Stimme begrüßt uns. Ich teile mit ihm die Fotos von einer Scheune in der Uckermark. Südseite. Wir hätten gerne die Komplettlösung, inklusive Wechselrichter und Wallbox - die schon bald auch erlauben soll, das Haus über die Autobatterie mit Strom zu versorgen. Dazu noch eine Wärmepumpe, aber die gibt es erst 2023 im Abo. Wir beschließen zu warten. Heute zumindest klatscht keiner mehr bei Enpal.

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