Wie werden wir in Berlin im Jahr 2040 leben?
25.01.2024 - Lesezeit: 5 Minuten
Wie wird sich Berlin entwickeln, um lebenswert, kreativ und produktiv zu bleiben? Wie werden wir 2040 wohnen, arbeiten, uns fortbewegen? Wir haben drei Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Medizin und Zukunftsforschung gefragt, wie ihre Vision von „Berlin 2040“ aussieht.
Dr. Stefan Carsten: „Berlin ist die ideale 15-Minuten-Stadt“
„Berlin 2040 ist in meiner Vorstellung eine Stadt der kurzen Wege. Jede urbane Funktion wie Verwaltung, medizinische Versorgung, Bildung und Handel lässt sich innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Unsere Stadt ist dafür ideal geeignet, denn sie besteht aus Dörfern und Quartieren, die zum großen Berlin zusammengefügt wurden. Bis 2040 wächst Berlin weiter, neue Gebäude werden kompakter und höher sein, die Stadt dichter. Häuser haben ein integriertes Energie- und Niederschlagsmanagement. Das heißt, Regenwasser wird im Kreislauf gesammelt, aufbereitet und genutzt. Autarke, regenerative Energien speisen unsere Wohnungen, Autos und Fahrräder, die diese Energie wieder in das Gesamtsystem zurückgeben.
In 20 Jahren sind mehr Fahrzeuge unterwegs, aber weniger Autos. Mobilität wird leiser und grüner sein. Autos werden mit Batterie angetrieben und autonom fahren. Wir teilen und nutzen Pkw wie ein Passagier im Taxi, setzen uns hinein und lassen uns von A nach B fahren. Autos sind Teil einer Mobilitätskette und gleichberechtigt zum Fahrrad, Scooter und ÖPNV. Arbeiten können wir überall – zum Beispiel im autonomen Fahrzeug. Damit Menschen nicht im Homeoffice vereinsamen, können sie viele öffentliche Orte spontan als Arbeitsplatz nutzen. Digitale Zugänge gibt es überall, auch am Schattenplatz unter einem Baum. Der öffentliche Raum ist das wichtigste Gut einer Stadt. Er sollte nicht wie heute dem Auto, sondern dem Menschen zur Verfügung stehen.“
Dr. Stefan Carsten ist Zukunfts- und Mobilitätsforscher. Er berät Unternehmen, Politik und Behörden.
Seine drei Wünsche für die Zukunft:
- Mehr Förderung des öffentlichen Raums für Menschen.
- Energie, Mobilität, Wirtschaft, Immobilien und Gesundheit vernetzter denken.
- Eine sichere, nachhaltige und inklusive Mobilität für alle Menschen.
Dr. Stefan Franzke: „Berlin wird in vielen Branchen die Nummer eins sein“
„Berlin ist in der ganzen Welt als Stadt der Freiheit bekannt. Dieses Lebensgefühl ist überall spürbar, und es wird in den kommenden Jahren noch mehr Menschen anziehen. Die besondere Offenheit für kreative Ideen ist für die Berliner Wirtschaft enorm wichtig. Aus diesem Grund wachsen hier wie in kaum einer anderen Stadt Zukunftsbranchen wie Govtech, Proptech, Games, Lifesciences und Fintechs – und das rasant. Ich bin überzeugt, dass Berlin 2040 Standort Nummer eins für die Finanzindustrie in Deutschland sein wird. Dafür erweitern wir von Berlin Partner das Setting. Wir holen beispielsweise Zulassungsbehörden in die Stadt und bauen mit anderen Partnern das „House of Finance and Tech“ als Ort der Synergien auf. Zudem ist die Wissenschaftsregion Berlin mit ihren international renommierten Forschungseinrichtungen eine starke Impulsgeberin.
In Berlin verschmelzen schon heute klassische Industrie, Digitalwirtschaft und KI miteinander, etwa in der neuen Digitalen Fabrik von Mercedes in Marienfelde, die von Berlin aus die weltweiten Produktionswerke digitalisiert. Etablierte Unternehmen profitieren von der Kreativität der Menschen, die jetzt schon in der Stadt sind und die noch von außen dazukommen. Sie sind es auch, die fünf wichtige Branchen weiter vorantreiben werden: Gesundheitswirtschaft, Mobilität, Energietechnik, Optik und Photonik – und über allem die Digital- und Kreativwirtschaft. Bis 2040 werden sich einzelne Themen daraus zu einem vibrierenden Ökosystem entwickeln.“
Dr. Stefan Franzke ist Geschäftsführer bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie. Er überzeugt Investoren aus aller Welt vom Potenzial der deutschen Hauptstadt.
Seine drei Wünsche für die Zukunft:
- Meine Vision ist, dass wir in Berlin uns die Offenheit für neue Wege, unkonventionelle Lösungen und mutige Entscheidungen bewahren.
- Dass wir statt „Wie soll das denn bitteschön funktionieren?“ fragen: „Was kann ich dazu beitragen, damit es funktioniert?“.
- Ich wünsche mir, dass wir die Energie, die so viele Menschen aufbringen, um etwas zu verhindern, investieren, um etwas möglich zu machen.
Prof. Dr. Mandy Mangler: „Wir legen den Fokus auf Prävention“
„Im Gesundheitswesen der Zukunft verzahnen wir ambulante und stationäre Versorgung klug miteinander. Wir legen den Fokus auf Prävention und versuchen Krankheit in allen Aspekten des Lebens zu vermeiden. Mehr ambulante Versorgung. Und mehr Eigenverantwortung. Unsere Krankenhauslandschaft ist deutlich strukturierter und reduzierter als heute. Statt unspezialisierter Massenversorgung sind einzelne Zentren für spezielle Erkrankungen zuständig. Je mehr Expertise, desto besser für Patientinnen und Patienten. Das ist meine Vision. Für die Pflegenden wünsche ich mir, dass ihre Arbeit durch Digitalisierung und neue Konzepte zur stationären Versorgung erleichtert wird. Sie müssen heute zu viele Dinge tun, die außerhalb ihrer Qualifikation liegen. Viele Messungen von Vitalparametern können maschinell durchgeführt werden und gehen dann direkt digital in das Krankenhausinformationssystem. Das bringt mehr Zeit für Gespräche mit Patienten und höhere Zufriedenheit. Attraktive Stellen sind das beste Mittel gegen Fachkräftemangel.
Menschlichkeit kann man nicht digitalisieren. Doch ansonsten gibt es viele Felder, auf denen der Mensch gemeinsam mit digitaler Technik Patienten besser versorgen kann. Ich arbeite bereits heute mit computerassistierter Technologie – auch bei Operationen. Der Mensch sagt, was gemacht werden muss, und das Gerät führt es präziser und ohne zitternde Hände aus. Da ist Berlin schon auf einem guten Weg.“
Prof. Dr. Mandy Mangler ist Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und dem Vivantes Klinikum Neukölln.
Ihre drei Wünsche für die Zukunft:
- Digitalisierung und KI entlasten uns und bringen uns wieder den Menschen näher.
- Unser Gesundheitssystem wird umfassend restrukturiert.
- Diversität der Gesellschaft wird auf den Entscheidungsebenen abgebildet.