2022: Die zehn wichtigsten Trends für Unternehmer:innen
28.01.2022 - Lesezeit: 9 Minuten
Das neue Jahr fängt so an, wie das alte aufgehört hat: mit Corona-Sorgen. Das soziale Leben flackert auf Sparflamme, ebenso kulturelle Aktivitäten, ganze Branchen kämpfen ums Überleben. Die Kolleg:innen im Homeoffice teilen in der Videokonferenz mit, in Quarantäne zu sein oder sich trotz Booster-Impfung das Virus eingefangen zu haben. Ja, es nervt. So gern wir „Schluss mit Corona!“ als Trend für 2022 ausrufen würden: Die Pandemie wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen. Doch sollten wir darüber nicht vergessen, was uns noch begleiten wird: Hier stellen wir die zehn wichtigsten Trends für 2022 vor.
1. Künftig arbeiten wir „hybrid“
Was bleibt, wenn Corona geht? Die Erkenntnis, dass sich viele Aufgaben ebenso gut im Homeoffice erledigen lassen. Und dass es überflüssig ist, tagtäglich zu pendeln, um die E-Mails im Büro zu beantworten. Wie diverse Umfragen zeigen, wünschen sich die meisten Angestellten eine Balance zwischen Homeoffice und Büropräsenz. Und wie andere Umfragen belegen, werden sie sich andere Arbeitgeber suchen, falls sie mit diesem Wunsch nach einem „hybriden Arbeiten“ auf Granit beißen. Wer also als Arbeitgeber seine Mitarbeiter:innen nicht verlieren will, wird sich auf eine Mischung aus Präsenz im Büro und Homeoffice einstellen müssen. Darin steckt eine ungeheure Chance für das Büro: weg von tristen Schreibtischinseln, hin zum kreativen Austausch.
2. Etappensiege im „War for Talents“
Ein Ende des Fachkräftemangels ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Immer mehr Unternehmen suchen zunehmend verzweifelt nach qualifizierten Mitarbeiter:innen. Darüber kann man lamentieren – oder etwas dagegen tun. Arbeitgeber erkennen, wie wichtig ein stimmiges und überzeugendes Employer Branding ist, um überhaupt auf dem Radar der umworbenen Kandidat:innen aufzutauchen. Der Weg dorthin beginnt mit einem selbstkritischen Blick in den Spiegel: „Was macht es attraktiv, bei uns zu arbeiten?“ Wer überzeugende Antworten findet, kann sein Employer Branding darauf aufbauen. Wer eher ernüchternde Antworten findet, hat zumindest erste Ansatzpunkte, wo anzusetzen wäre, um es künftig besser zu machen. Und um so Etappensiege im „War for Talents“ zu landen.
3. Auf einmal ist Nachhaltigkeit überlebenswichtig
Wonach beurteilen Kandidat:innen die Attraktivität eines Arbeitgebers? Zunehmend danach, ob Aufgaben und Geschäftsmodelle sinnstiftend sind. Das fordert Unternehmen ab, sich zu hinterfragen: Wie sinnvoll ist das, was wir tun? Um es so brutal zu sagen: „Gewinne erzielen“ reicht nicht mehr als Unternehmenszweck. Da ist mehr gefordert – von Mitarbeiter:innen, aber auch von der Politik und nicht zuletzt den Banken. Die sind auf Geheiß der EU-Kommission gefordert, auf das nachhaltige Wirtschaften ihrer Kunden zu achten. Die Guten kriegen bessere Konditionen, die schlechteren im schlimmsten Fall nicht mal einen Kredit. Nachhaltiges Handeln ist spätestens seit diesem Jahr nicht nur ein „nice to have“ sondern eine strategische Notwendigkeit – um zu überleben.
4. Das Comeback der Inflation
Wenn wir schon bei Finanzthemen sind: Im Herbst 2021 meldete sich – lange nichts von ihr gehört – die Inflation zurück. Die Preise, vor allem für Energie, ziehen seit einigen Monaten spürbar an. 3,1 Prozent als Inflationsrate vermeldet das Statistische Bundesamt für 2021. Viele Volkswirte gehen auch für dieses Jahr von einer Drei vor dem Komma bei der Inflationsrate aus. Sie verweisen unter anderem auf Lieferengpässe (siehe Trend 5), die Fracht- und Herstellungskosten erhöhen. Die Zinsen allerdings werden vorerst nicht steigen: „Erst wenn die Inflation dauerhaft bei zwei Prozent angelangt ist, kann die Geldpolitik handeln“, sagte EZB-Vertreter Tobias Linzert der Tagesschau.
Bevor also die Zinsen steigen, steigen erst einmal nur die Preise.
5. Kurze Wege statt Lieferengpässe
Das Jahr 2021 hat gezeigt, wie anfällig globale Warenströme sind – gerade wenn sie nicht strömen, weil sich ein Containerschiff oder eine Supermacht quer stellt. Das Jahr 2022 zeigt die Reaktion darauf: Deutsche Unternehmen sorgen für stabilere und belastbarere Lieferketten. Bereits im Herbst sagten 63 Prozent der für die „Mittelstand im Mittelpunkt“-Studie befragten Unternehmen, sie wollen ihre Lieferketten künftig besser schützen. Bei den großen Industriebranchen gehen sogar drei Viertel der Befragten daran, ihre Lieferketten weniger anfällig zu machen. Ein entscheidender Schritt dazu: Geschäftspartner:innen in der Nähe statt in weiter Ferne zu suchen. Das sichert übrigens auch Arbeitsplätze, in Deutschland und der gesamten Europäischen Union.
6. Künstliche Intelligenz: Daten endlich nutzen
Bei Künstlicher Intelligenz, kurz KI, winken die meisten Unternehmen vorschnell ab: zu viel Science-Fiction, zu wenig Realität. Sorry, aber wir reden weder von neurotischen Supercomputern noch von Robotern auf dem Weg zur Weltherrschaft. Sondern von Daten.
Die erheben viele Unternehmen, und das seit Jahren. Diese Daten liegen anschließend – ein gern unterschlagenes Detail – auf irgendwelchen Datenfriedhöfen herum. Weil keiner so genau weiß, was damit anzufangen ist. Diesen Zustand ändert KI: Algorithmen wühlen sich durch riesige Datenberge und erkennen darin Muster, aus denen sich Geschäftsideen und -optionen ableiten lassen. KI heißt nichts anderes als die Daten, auf denen die Unternehmen eh schon sitzen, endlich sinnvoll zu nutzen. Die Zeit dafür ist: jetzt.
7. Das mit der Digitalisierung …
… wird nicht aufhören, Aussitzen ist also keine Option. Trotzdem sträuben sich viele Mittelständler unverdrossen dagegen, digitale Prozesse einzuführen. Mein Verdacht: Wir haben es hier, ähnlich wie bei KI, mit einem Missverständnis zu tun. Bei „Digitalisierung“ schwingt mit: Wir müssen alles umkrempeln, damit künftig alles digital läuft. Das ist Blödsinn. Das mit der Digitalisierung beginnt bereits, wenn Rechnungen elektronisch entgegengenommen und verarbeitet werden. Wenn Lieferscheine digital statt auf Papier verschickt werden. Wenn Personalakten digital auf Stand gehalten werden, statt Aktenordner aufzublähen. Digitalisierung beginnt, wenn man sich traut, sich die Arbeit einfacher und bequemer zu machen. Wer mag da noch Widerworte haben?
8. … zieht die Frage nach der Cybersecurity nach sich
Unternehmen und Behörden arbeiten zunehmend digital. Das sorgt für effizientere und bequemere Abläufe, aber auch für Gefahren. Jedes dritte Unternehmen in Deutschland wird von Cyberkriminellen angegriffen – kein Mittelständler kann heutzutage noch ernsthaft behaupten, dafür „zu unwichtig“ zu sein. Die Gefahr ist real: Diese Botschaft ist endlich angekommen. Unternehmen jeder Größe stärken ihre Cybersecurity – mit verschlüsselten Daten, mit regelmäßigen Updates und Tests auf Schwachstellen. Eine dieser Schwachstellen ist der Mensch: Häufig öffnen naive oder gutgläubige Mitarbeiter:innen die digitalen Pforten für Cyberangriffe. Der einzige Schutz dagegen: regelmäßige Schulungen, um Angreifer abzuwehren oder zumindest ins Leere laufen zu lassen.
9. State Branding: Wie wird ein Bundesland attraktiv für Unternehmen?
Unternehmen überlegen sich genau, wohin sie eine neue Fabrik stellen. Nämlich dorthin, wo es auch Fachkräfte gibt. Diese Fachkräfte können sich aussuchen (siehe Trend 2), wo sie anheuern. Attraktive Städte stehen höher im Kurs als das flache Land, das ist bekannt. Was neu ist: Wo Fachkräfte aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder sexuellen Orientierung schlecht gelitten sind und deshalb abwinken, wird eher keine Fabrik hingestellt. Je „diverser“ das Umfeld, desto besser. Gut für das weltoffene „Arm aber sexy“-Berlin. Brandenburg wirbt mit dem Claim „Es kann so einfach sein“. Genau das ist es nicht: Daher ist ein „State Branding“ mit der Frage „Was macht es attraktiv, bei uns zu investieren?“ analog zum Employer Branding ein überfälliger Trend.
10. Kreislaufwirtschaft: Berlin wird zu Circular City
Zum Abschluss unserer Vorschau laufen drei Trends – Nachhaltigkeit, War for Talents und State Branding – zusammen im zehnten Trend, der Kreislaufwirtschaft. Ihr Ansatz besteht darin, Abfall als Rohstoff zu begreifen und damit Ressourcen zu schonen. Ecornet Berlin will dafür sorgen, Berlin voranzubringen auf dem Weg zu einer „Circular City“. Beim Forschungsverbund arbeiten fünf Berliner Institute disziplin-übergreifend an Ansätzen, um die Hauptstadt in eine ökologisch verantwortungsbewusste Metropole umzuwandeln. Für die Innovationsfelder Zirkuläre Textilien, Circular Electronics sowie zirkuläres Bauen sind drei „Transformations-Roadmaps“ entstanden, die den Weg in eine langfristig nachhaltige Zukunft weisen. Der Aufbruch ist also bereits geschafft!